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Hoffnungsträger für das Friedenslager

Der langjährige Haifaer Bürgermeister Amram Mitzna will neuer Vorsitzender der Arbeitspartei werden

In der ersten Intifada vor mehr als zehn Jahren war Amram Mitzna ein Armeegeneral, der den Palästinensern hart zusetzte. Als Kommandant des Westjordanlandes benutzte er alle wohl bekannten israelischen Mittel, um die Palästinenserrevolte niederzuschlagen: Häuserdemolierungen, Schüsse auf Demonstranten und Deportationen. Doch er vermochte nicht, der Intifada ein Ende zu setzen.

Als er 1992 aus der Armee ausschied, nahm er die Überzeugung mit, dass militärische Gewalt Israels Problem mit den besetzten Gebieten nicht lösen würde. Dass der langjährige Bürgermeister von Haifa heute in der Arbeitspartei für den Posten des Parteichefs und Premierkandidaten antritt, ist seit langem der erste Hoffnungsschimmer für das desillusionierte israelische Friedenslager. „Es ist dumm, Verhandlungen mit den Palästinensern bis zu einem totalen Terrorstopp aufzuschieben“, erklärte er. „Das ermöglicht den Extremisten, die Tagesordnung zu bestimmen. Selbst nach Unterzeichnung eines Friedensabkommens kann es Terror geben, weil einige Radikale den jüdischen Staat nicht anerkennen.“

Eine Mehrheit der Palästinenser, so Mitzna, habe Israel als Tatsache akzeptiert. Er ist zu Verhandlungen bereit, ohne Vorbedingungen. Sollten die Palästinenser Jassir Arafat wieder wählen, würde er auch mit ihm reden, obwohl er auf einen Wechsel hofft, auf beiden Seiten. „Arafat hat den Wandel vom Kommandanten einer Befreiungsbewegung zum Staatsmann nie vollzogen, aber es ist nicht Israels Sache, den Palästinensern die Führung auszusuchen.“ Mitzna sagt, dass die Siedlungen verschwinden müssen, die Araber in Ostjerusalem Palästinenser sind und nicht viertklassige Israelis sein dürfen, und Rassismus in israelischer Politik nichts zu suchen hat. Mitzna wurde 1945 im Kibbutz Ein Gev am See Genezareth geboren, nachdem seine Eltern in den dreißiger Jahren aus Hitler-Deutschland geflohen waren. Als er acht Jahre alt war, zog die Familie nach Haifa um. Als Panzerkommandant wurde er in den Kriegen von 1967 und 1973 verwundet und mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet.

Doch seine berühmteste Schlacht führte er im Libanonkrieg von 1982. Als eine Untersuchungskommission den damaligen Verteidigungsminister Ariel Scharon der Mitschuld an den Palästinenser-Massakern in den Beiruter Flüchtlingslagern Sabra und Schatila bezichtigte, bat Mitzna aus Gewissensgründen um Beurlaubung – ein Beschluss, von dem Ministerpräsident Menachem Begin ihn abbrachte.

Seit 1993 war er Bürgermeister von Haifa, der drittgrößten Stadt Israels mit einer gemischten jüdisch-arabischen Bevölkerung. Mitzna ist stolz darauf, dort Erfahrung mit funktionierender Koexistenz gemacht zu haben. Dass er mit wachsenden Mehrheiten immer wieder gewählt wurde, verdankt er der erfolgreichen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Stadt sowie seinem Ruf, volksnah zu sein.

Mitzna hofft, von dem weitverbreiteten Überdruss an einer Parteiführung zu profitieren, die sich zwanzig Monate lang als Feigenblatt für Scharons Politik missbrauchen ließ. Als hoffnungsvolles neues Gesicht hat Mitzna Chancen, Ben-Elieser und Ramon in der linken Traditionspartei zu schlagen. Ob sein Charisma ausreicht, einen Likud-Kandidaten in den Wahlen Ende Januar zu besiegen, darf aber bezweifelt werden. ANNE PONGER

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