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Rein in die Kita, raus aus der Kita

Senat beschließt Kita-Gutscheinsystem. Rudolf Lange: „Eltern können sich jetzt anmelden.“ Rotes Telefon für Elternfragen. Kleines Zugeständnis für Arbeitslose. Wohlfahrtsverbände: „Wenn die Eltern protestieren, sind wir dabei.“

von KAIJA KUTTER

Der Hamburger Senat hat das Kita-Gutscheinsystem verabschiedet. Anschließend offerierte Senator Rudolf Lange (FDP) der Presse nicht etwa den dazugehörenden Gesetzentwurf, sondern einen bunten Flyer für Hamburgs Eltern mit der Nummer eines „Roten Telefons“ (428 63 - 34 91), an dem ab sofort alle Fragen zum für den 1. August geplanten Systemwechsel beantwortet werden.

„Natürlich kann Ihr Kind auch in der Kita bleiben, mit der Sie jetzt schon zufrieden sind“, schreibt Lange in dem Werbezettel. Dabei hat er wohl das Kleingedruckte in seinen eigenen Bewilligungskriterien vergessen. Denn eine „Anschlussbewilligung“ gibt es nur für Berufstätige. Nicht „in der Kita bleiben“ können beispielsweise Kinder von MigrantInnen mit Integrationsbedarf, Kinder von Eltern, die in Erziehungsurlaub gehen und Kinder von Arbeitslosen.

Für letztere Gruppe wurde gerade noch ein Zugeständnis gezimmert. Arbeitslose bekommen „Priorität 2“ und somit sicher den Gutschein, sobald sie wieder einen Job haben. „Das ist noch keine Garantie für den alten Platz. Dies müsste man mit der Kita-Leitung gesondert absprechen“, sagt Bernd Heinrich, der gestern im Kita-Amt das Rote Telefon bewachte. Außerdem gilt dies nur für Arbeitslose, deren Kind schon mal in einer Kita war und diese wegen des elterlichen Job-Verlusts räumen musste, nicht aber für Eltern, die längere Zeit nicht berufstätig waren. Abgesehen vom pädagogischen Schaden dieses „Kita-Hoppings“ ist die Sache finanziell brisant. Das Arbeitsamt zahlt nur Arbeitslosengeld, wenn die Kinderbetreuung garantiert ist.

Laut Lange können sich ab heute alle Eltern bei den Kita-Sachgebieten in den Bezirken für einen Gutschein anmelden, für den es eine „Rangreihung nach Antragseingang“ gibt; die bisherige Bevorzugung Alleinerziehender und armer Familien fällt weg. Darauf angesprochen sagte Lange, dass auch das neue System „Detailungerechtigkeiten“ nicht ausschließe. Als „Erfolg“ wertete er die Absenkung der Elternbeiträge um rund zehn Prozent, weil das Kindergeld nicht mehr angerechnet wird. Dies werde durch „Effizienzgewinne“ des neuen Systems refinanziert.

Nach Schätzung von „FamilienPower“ ist dies untertrieben. „Hamburg wird 30 Millionen Euro zusätzlich einnehmen, weil arme Leute die Plätze für Höchstsatzzahler räumen“, sagt der Vorsitzende Matthias Taube. Er wirft Lange vor, ein System zu verantworten, „dass er selbst nicht versteht“.

SPD-Politiker Thomas Böwer sprach von einem „schwarzen Tag“ für Hamburgs Familien. Da der Senat den Platzausbau „auf St. Nimmerlein“ verschiebe, verteile er nur „den Mangel um“. Verlierer seien unter anderen „Kinder aus sozialen Brennpunkten, deren Bildungschancen sinken, weil Ganztagsplätze an den Stadtrand abwandern“.

Carritas-Chef Norbert Kessler kündigte Widerstand gegen die Bewilligungskriterien an. Die Träger seien in dieser Frage „sozialanwaltschaftliche Lobbyisten“ der betroffenen Familien.

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