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village voiceTerranova heißen jetzt Edition Terranova und sausen mit „Hitchhiking Nonstop With No Particular Destination“ durch die Pop-Welt

Daumen raus und rein ins Auto

Als der ganze Laden auseinander zu brechen drohte, wurde einfach auf Trotz geschaltet: Jetzt erst recht. So muss es zuletzt bei Terranova gewesen sein. Denn eigentlich wirkten sie immer als kompakte Einheit: Meister, Kaos und Fetisch, jeder von ihnen schien unersetzbar, schließlich ist die Arbeit in einer Band kein Fließbandjob. Nun sind Meister und Kaos weg und es geht trotzdem weiter. Mit neuem Personal, neuem Sound, neuem Label und neuem Namen.

Puh, kann man unter solchen Bedingungen wirklich eine anständige Platte hinwerkeln? Man kann. Der Plattentitel gibt gleich die neue Richtung vor, nämlich keine bestimmte: Per Anhalter dauernd unterwegs ins Irgendwo. Gut, man setzt sich tatsächlich nicht selbst ans Steuer, fährt nur mit, in einer dicken Achtzigerjahre-Kutsche. Doch bevor diese mit dem bedrohlich näher kommenden Electroclash-Bus kollidiert oder ihr einfach nur der Sprit ausgeht, steigt man lieber um und genießt weiter die Landschaft: Ah, Punkrock, hmm, New Wave, oho, No Wave, und sind das da vorne nicht Devo? Hi, Oldschool-Hip Hop, wie geht’s? „Hitchhiking Nonstop With No Particular Destination“ ist eine coole Platte, eine völlig unerwartete. Zuletzt hatte man bei Terranova immer das Gefühl, sie würden alles dafür tun, raus aus dem öden Berlin zu kommen, rein in die englische Style-und-Fashion-Landschaft. Sie produzierten sauberen Downbeat, umgaben sich immer mit den richtigen Gästen und legten auf den noch viel richtigeren Partys auf.

Edition Terranova dagegen haben alle Masterpläne hinter sich gelassen. Die richtigen Gäste haben sie aber immer noch: Cath Coffey, die ehemalige Sängerin der Stereo MC’s, Mike Ladd, eine schräge Figur aus dem HipHop-Business, und schließlich Ariane von den seligen Slits. Ladd und Ariane, das sind dann auch ungefähr die Pole, zwischen denen sich „Hitchhiking …“ abspielt, zwischen verdrehtem HipHop und kantigem, reggaeinduziertem New Wave. Wunderbar hingeschludert klingen die meisten Tracks, teilweise wie gejammt und gleichzeitig aufgezeichnet. Sing mal was! Leg los mit der Gitarre! Hier noch ein Synthie! Ja, gut so, passt, danke. „Ich habe Punk sehr ernst genommen“, sagt Fetisch in Jürgen Teipels „Verschwende Deine Jugend“. Das tut er immer noch. Edition Terranova scheinen am Ende doch angekommen zu sein in ihrem inneren Berlin, dort, wo alles noch aufregend ist und nicht nur so getan wird, als ob. Wo gerade erst der Punk bricht, aber man bereits ahnt, dass HipHop eine noch revolutionärere Musik sein könnte. Alle fahren mit der Bahn, Edition Terranova aber trampen. Es wird Zeit, dass das wieder Schule macht.

ANDREAS HARTMANN

Edition Terranova: „Hitchhiking Nonstop With No Particular Destination“ (K7/Zomba)

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