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E.T. und der Krieg

Die Ausstellung „Zwischen Himmel und Erde“ führt vier junge bosnische Künstler aus drei Religionsgruppen des Landes zusammen. Ein spannendes künstlerisch-politisches Projekt – nebst üppigem Rahmenprogramm

Ein Straßenschild im Spielzeug-Format, ein Flyer mit Porno-Bildchen, eine Kaugummi-Verpackung, Streichholzschachteln mit Küstenpanorama: „Das sind Vorstellungen, die ich gehabt habe.“

Anton Bosnjak ist Bosnier, folgte 1993 seiner geflohenen Mutter nach München und studiert derzeit an der Münchner Akademie der Künste. Die kleinen „Fundstücke aus der Vergangenheit“ hat er zu Buchstaben formiert, in durchsichtige Kunststoffplatten eingelassen und die Kunstoffplatten zu einem Telefonhäuschen montiert. Aus den Buchstaben ergibt sich der Satz „Telefonirati Kući“ – „nach Hause telefonieren“. E.T. goes zeitgenössische Kunst, und Bosnjak geht es darum zu zeigen, was Künstler mit bosnischer Vergangenheit heute mtachen – zehn Jahre, nachdem das Land ausschließlich im Zusammenhang mit Krieg und Zerstörung in den Schlagzeilen war.

„Zwischen Himmel und Erde“ heißt die Ausstellung, die heute in der Galerie der Hochschule für Künste in der Dechanatstraße eröffnet wird: Insgesamt vier bosnische Künstler zeigen ihre Arbeiten, alle wurden sie um 1970 geboren, alle leben seit mindestens 10 Jahre in Deutschland, und jeder von ihnen gehört einer anderent ethnischetn Gruppe an.

„Wir möchten die Vielfalt präsentieren und zeigen, dass wir wieder gemeinsam etwas erarbeiten können“ sagt Bildhauer Amir Omerovic, moslemischer Bosnier, der gerade sein Diplom an der HfK gemacht hat. Er ist Initiator der Ausstellung, lud den Installtionskünstler Anton Bosnjak (katholisch), den Maler Spomenko Skrbic (serbisch-orthodox) und den Fotografen Nino Pusija ein und sicherte sich die Unterstützung der HfK für sein künstlerisch-politisches Projekt.

Omerovic selbst zeigt in der Ausstellung Reihen kleiner Bronzefiguren, edle Gestalten, aber nie glatt: „Ich habe mich vom Comic beeinflussen lassen und versuche, Geschichten zu erzählen.“ Deutungsoffene Geschichten – auch wenn Omerovic seine Themen durchaus in der jüngeren bosnischen Geschichte gefunden hat. Ganz und gar abstrakt bleibt Spomenko Skrbic, der mit spannungsreichen, energiegeladenen Strichen auf unmittelbaren Ausdruck setzt: „Ich versuche nicht, etwas schön zu machen. Wichtig sind mir die Materialität von Farbe und unbehandelter Leinwand.“ Dem entgegen gesetzt arbeitet wiederum Nino Pusija, der seine Porträtfotografien mit Solarisation im Labor nachbearbeit und nur Menschen abgelichtet hat, die er „kennt“. Entstanden sind Fotos, denen man die liebevolle Vor- und Nachbereitung ansieht.

Der „Dialog der Kulturen“ (Omerovic) in der Ausstellung ist das Eine, das Andere ist, dass Omerovic mit der Ausstellung „etwas zurückgeben möchte für die Hilfe der Bremer während des Krieges in Bosnien und Herzegowina“. Und dafür hat er einiges ins Rollen gebracht: Nach den Eröffnungsreden von HfK-Rektor Peter Rautmann, Bürgermeister Henning Scherf und dem Botschafter der Republik Bosnien-Herzegowina, Nedeljko Despotović sind für heute abend eine Lesung der bosnischen Autorin Safeta Obhođaš, ein kulinarisch-musikalisches Fest und eine Party mit Balcan Beats in den Katakomben des HfK-Gebäudes geplant. Am Samstag, 23.11., laufen im Kino 46 die Filme „Munje“ (18.30 Uhr) und „No Man‘s Land“ (20.30 Uhr), am Sonntag, 24.11., startet um 11 Uhr eine Diskussion zum Thema „Kunst als Friedensbringer oder als Teil der Barbarei?“ mit Hans Koschnik, Zoran Terzić, Aleksandra Jovanić und Jutta Rübenacker. Klaus Irler

Bis zum 8.12. Öffnungszeiten: Mo-Fr 16-20 Uhr, Sa und So 11-16 Uhr

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