themenläden und andere clubs: Wie man beim Kuchenessen ein ökologisches Bewusstsein entwickelt
Rettet die Nordseewale!
Jennifer Lopez ist sensibel, schüchtern und sparsam. Das steht als kleine Überschrift auf einer Modezeitung, die ich gestern Abend in einer Bar gemopst habe, in die ich mitunter zum nächtlichen Kuchenessen einkehre. Ich bin allerdings nicht ganz sicher, ob diese Zeitung in Wirklichkeit eine Satirezeitung ist, und zwar eine altmodische, die Satire auf die ursprünglichste Art definiert: etwas genau ins Gegenteil umkehren. Dann wäre Jennifer Lopez also eigentlich trampelig, vorlaut und verschwenderisch (passt doch viel besser!), unter Julia Roberts und Claudia Schiffer müsste stehen „Wer feierte die bescheuertere Hochzeit?“, die Schlagwörter unter Halle Berry lauteten „Unerotisch und angepasst“, und es gäbe ein paar nützliche Tipps für „Unsexy ins Büro“.
In dieser Kuchen- und Zeitungsbar habe ich schon die dollsten Dinger gelesen, während ich ein Stück „Tante-Käthe-Eierlikör-Torte“ oder „Pina-Colada-Kuchen“ reinspachtelte. Neulich zum Beispiel einen hübschen Artikel in der Motz. Ein Obdachloser schrieb, dass er immer ganz betrübt sei, wenn die Menschen die U-Bahnhöfe und -Waggons verschmutzten, denn schließlich lebe er dort und wolle es auch ein wenig gemütlich haben. Er schloss mit einem eindringlichen Appell: „Drum denke dran, wenn Du das nächste Mal U-Bahn fährst und eine leere Flasche einfach stehen lässt: Du befindest Dich in meinem Wohnzimmer!“
Recht hat er. Ich verstehe auch nicht, warum sich Menschen in der U-Bahn so merkwürdig benehmen. Man kann über siebzehn Stationen mit schniefender Nase und Mitleid erregendem Niesen der gleichen älteren Dame gegenüber sitzen, und sie bietet einem kein Taschentuch an. Wenn ich dieser Frau einen Gesellschaftsbesuch abstatten würde, dann hätte sie doch bestimmt sofort ein nach 4711 duftendes Tempo aus den Tiefen ihrer Oma-Handtasche für mich. Nur in der U-Bahn tut sie so, als ginge sie mein Schnupfen nichts an. Zur Strafe schleudere ich extra viele Bakterien in ihre Richtung.
Ein anderes Mal habe ich in der Kuchen- und Zeitungsbar in einer Frauenzeitung einen herzzerreißenden Artikel über kleine Nordseewale gelesen, die sich als „Beifang“ beim Fischen in den Netzen verheddern und jämmerlich ertrinken. Das solche Dinge passieren, wusste ich natürlich schon, aber ich habe nicht gedacht, dass das auch in der nahen Nordsee und mit kleinen Walen geschieht.
Das muss man sich mal vorstellen: Da tragen pelzgewandete, snobistische Hanseaten mit hässlichen Ohrenschutzbändern ihre Designer-Moonboots an der Sylter Küste von Hörnum spazieren, um später für Unmengen von Platinum-American-Express-Dollars im „Seepferdchen“ ein Stück frisch gefangenen Rotbarsch zu essen. Und genau wegen dieses Stücks Rotbarsch ist ein niedlicher kleiner Schweinswal direkt vor der Küste, sozusagen in Spaziergangs-Sichtnähe, elendig zugrunde gegangen. Ertrunken. Jede Stunde stirbt einer. (Seepferdchen gibt es übrigens auch nicht mehr viele.)
Aber was macht man, wenn man, agitiert bis über beide kampfeslustig hochgereckten Fäuste, nachts in der Kuchenbar sitzt und kleine Wale streicheln möchte, anstatt Tante Käthe aufzuessen? Glücklicherweise gibt es Telefon-Banking. Wenn man also die WWF-Kontonummer hätte, könnte man sofort den gesamten Bier-und-Kuchen-Etat zur Rettung der Nordseewale auf das erstaunte WWF-Konto transferieren. „Bitte geben Sie jetzt den vollen Eurobetrag ein.“ Ähem. 20. Und null Cent. Hoffentlich reicht das wenigstens für ein Walbaby.
Die als Modeillustrierte getarnte Satirezeitung mit dem Jennifer-Lopez-Cover hat kaum Tierthemen im Angebot. Nur hin und wieder sieht man ein paar tote um die Schultern von Claudia Schiffer oder Julia Roberts liegen (bei einer ihrer bescheuerten Hochzeiten zum Beispiel). Das hat aber, glaube ich, nichts mit dem WWF zu tun. Oder es ist so satirisch, dass ich es nicht verstehe. JENNI ZYLKA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen