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Passanten-TV vor Gericht

Journalist klagt gegen Dussmann. Das Kulturkaufhaus überwacht Bürgersteige mit Videokameras. Ganze Abschnitte der Friedrichstraße werden von privaten Kameras weiterer Anlieger beäugt

von THOMAS GOEBEL

Ein Berliner Journalist hat beim Amtgericht Berlin-Mitte Klage gegen den Kaufhauskonzern Dussmann eingereicht: Er fühlt sich durch dessen Videoüberwachung in seinen Rechten verletzt.

Videokameras im Eingangsbereich des „Kulturkaufhaus Dussmann“ in der Friedrichstraße filmten nicht nur Kunden, sondern auch die Passanten auf den umliegenden Bürgersteigen und Straßen, sagte Nils Leopold, Rechtsanwalt des Klägers. Der Journalist, der auf seinem Arbeitsweg täglich den Einzugsbereich der Kameras kreuzt, will Dussmann die Aufnahmen verbieten lassen.

Unterstützt wird er dabei von der Bürgerrechtsorganisation „Humanistische Union“ (HU), die in der Klage ein Problem von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen sieht. „Die systematische Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern beseitigt deren Recht auf die anonyme und ungestörte Nutzung städtischer Räume“, sagte der HU-Bundesvorsitzende Till Müller-Heidelberg. Die „mehr oder weniger sichtbaren Kameras“ verursachten „genau denjenigen Überwachungs- und Anpassungsdruck“, den das Bundesverfassungsgericht als „schädlich für die Demokratie“ bezeichnet habe.

Weder Dussmann noch der Anwalt des Konzerns wollen sich zu der Klage äußern. „Zu laufenden Verfahren geben wir grundsätzlich keinen Kommentar ab“, hieß es aus der Pressestelle. Laut Humanistischer Union hat der Dussmann-Anwalt dem Gericht mitgeteilt, die Videoüberwachung diene dem „Schutz vor terroristischen Angriffen“.

Kameras an privaten Gebäuden, die den öffentlichen Raum überwachen, sind in Berlin laut Eric Töpfer von der Technischen Universität Berlin (TU) kein Einzelfall. Wer beispielsweise von Unter den Linden zum Bahnhof Friedrichstraße laufe, werde auf dem östlichen Bürgersteig „fast flächendeckend gefilmt“, sagt der Wissenschaftler, der sich in einem Forschungsprojekt der TU mit Videoüberwachung befasst. In der nördlichen Friedrichstraße gebe es außerdem in jedem fünften Geschäftsraum eine Kamera, aber nur in jedem dritten dieser Fälle werde darauf hingewiesen.

Durch die Klage gegen Dussmann ist auch der Berliner Beauftragte für den Datenschutz auf die Kaufhauskameras aufmerksam geworden. „Eine flächendeckende Beobachtung von Straßenraum geht natürlich nicht“, sagt Anja-Maria Gardain, die Sprecherin des Datenschützers. Im Fall Dussmann will die Behörde in den nächsten Tage prüfen, wie weit die Kameras in den öffentlichen Raum hineinfilmen. In jedem Fall müssten die Bürger auf die Videoüberwachung hingewiesen werden.

Auch im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordetenhauses ging es gestern um Videoüberwachung: Nach einem Antrag von SPD und PDS soll die Polizei die Möglichkeit bekommen, Orte von öffentlichem Interesse durch Videokameras zu überwachen, wenn die Gefahr einer Straftat besteht.

Den Grünen geht der Entwurf zu weit: Sie wollen der Polizei die Kameras nur dann zugestehen, wenn eine schwere, zum Beispiel fremdenfeindlich motivierte Bedrohung besteht. Jeder Einzelfall müsse dem Innenausschuss vorgelegt werden. Außerdem soll die Polizei nach den Vorstellungen der Grünen die Videobilder nur während des Filmens betrachten, nicht aber aufzeichnen und speichern dürfen.

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