piwik no script img

Selbstjustiz im Schurkenstaat

In seinen jüngsten „Batman“-Folgen hat der Comiczeichner Frank Miller den Superhelden zum Einzelkämpfer gegen die US-Regierung gemacht – vor der Folie des 11. 9. ein prekärer Zug

von OLIVER KÖHLER

Als der US-amerikanische Autor Bret Easton Ellis kurz nach den Anschlägen in New York und Washington letztes Jahr um einen Kommentar gebeten wurde, war er reichlich erschüttert. Immerhin hatte er mit seinem Roman „Glamorama“ drei Jahre zuvor die Ära der New Economy ins Zeitalter des Terrors münden sehen. In dem Moment, als der zweite Flieger in den Nordturm des WTC raste, war aus etwas, das er für trivial gehalten hatte, bitterer Ernst geworden.

Für den Comicautor und -zeichner Frank Miller stellte die Situation offenbar kein so großes Dilemma dar. Auch er hatte vor 15 Jahren in seinem monumentalen Batman-Comic „Der dunkle Ritter kehrt zurück“ mit grafischer Genauigkeit einiges von dem vorausgenommen, was sich am 11. September ereignete: unter anderem, was passieren würde, wenn ein Flugzeug in ein Hochhaus raste. Doch im Gegensatz zu Ellis, der kein neues Buch zu präsentieren hatte, war Millers neuester Comic „Der dunkle Ritter schlägt zurück“ gerade auf dem Weg in die Läden. Kein normales Werk, sondern die Fortsetzung ebendieses Batman-Epos mit den abstürzenden Fliegern. Zu allem Überfluss hatte Miller den einstigen „Caped Crusader“ auch noch zu einem alten, verbitterten Einzelkämpfer gegen Verbrechen und Staat gemacht. Kurzum: Er hatte Batman seine Legitimation als Superheld genommen und in eine Art Guerillero verwandelt. Nur wird dieses Wort im Zuge der neuen Antiterrorsemantik heute immer häufiger durch Terrorist ersetzt.

Bei der Suche nach Vorbildern musste Miller aber nicht so weit suchen wie Tora Bora oder in Bin Ladens Versteck. Der Batman, den er zusammen mit Lynn Varley für 2002 entworfen hat, schuldet sein Dasein vielmehr jener Art Held, die der US-Schriftsteller Henry Thoreau in seinem Essay „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ vor Augen hatte; der, der „dem Staat mit seinem Gewissen dient“ und dafür „von dem Staat als Feind behandelt“ wird. In einem Interview nach dem 11. September 2001 musste Miller dementsprechend dem Vorwurf, sein neuer „Batman“ sei ihm extrem(-istisch) geraten, begegnen: „Natürlich ist er nicht bereit, unschuldige Menschen zu töten, um seine Ziele zu erreichen. Für mich ist er so etwas wie der Terrorist auf unserer Seite, dessen Motto es ist, Furcht in die Herzen der Schurken zu treiben.“

Weshalb sich Batman in einer gesetzlichen Grauzone befindet, hängt deshalb mit der Frage zusammen, wen Miller als Schurke definiert. Über die Antwort wäre George W. Bush allerdings kaum erfreut: Wie im ersten Band „Die Rückkehr des schwarzen Ritters“ ist es unter anderem die Regierung, die für schuldig befunden wird. Nur: Wo Reagan und seine Doktrin in „Rückkehr“ als Feinde ausgemacht wurden, so scheint die jetzige Variante erstaunlich nah der heutigen Realität entlehnt: Inzwischen ist aus den USA ein Polizeistaat geworden, der von dem Konzern und gleichzeitigen Mafiasyndikat L.E.X. gesteuert wird. Aus dem US-Präsidenten wiederum machte Miller kurzerhand die virtuelle Marionette einer riesigen Medienillusion.

Und was ist aus den anderen Superhelden geworden? Superman zum Beispiel? Nach wie vor steht er als Protofaschist im Dienste der US-Regierung. Auch deswegen enthält Millers Konstruktion so viel Zündstoff: Die Verwandlung von Batman in einen Antisuperhelden und seine Darstellung der Regierung als eine Macht, die sich mit Hilfe von Supermans übermenschlichen Fähigkeiten durchsetzt, verweist als indirekte Anspielung auf eine These des US-Superheldenforschers Robert Jewett, dem seine Heimat inzwischen wie ein riesiges, reales Superheldentheater vorkommt.

In seinem Buch „The Myth of the American Superhero“ erläutert der Autor unter anderem, wie sich die US-Regierung auf Superheldenmythen stützt, um ihre Politik zu legitimieren. Es war kein Zufall, dass sich Bush und Konsorten geschmeichelt gefühlt haben sollen von dem Spiegel-Cover, das sie als Rambo, Batman oder Conan, der Barbar karikierte. Das Problem liege darin, so Jewett, dass Superhelden meist die demokratische Ordnung unterwandern müssen, um das Böse zu bekämpfen. Analog dazu spricht aus der superheroischen Rhetorik von George W. Bush die Gefahr, dass undemokratische Vorstellungen in seine Politik eingehen.

In der gerade auf Deutsch erschienenen dritten Folge von „Der dunkle Ritter schlägt zurück“ nimmt Miller in einer Szene explizit Bezug auf die Ereignisse des 11. September. Nach einem Anschlag auf Metropolis, das ähnliche Ausmaße wie Manhattan erreicht, wirft sich die Hellseherin Saturn Girl vor, nichts davon gewusst zu haben. Getröstet wird sie von Batmans Weggefährten Robin mit dem Satz, dass selbst Superman nichts daran hätte ändern können. Ein Hinweis also, dass sich auch Superhelden der Realität fügen müssen? Wie Frank Miller sagt, sind „Superhelden Teil unserer Weltanschauung. Sie funktionieren aber nur als Metapher und nicht als reelle Wesen. So jemand wie Batman würde auch niemals in der realen Welt funktionieren können. Ich glaube, er wäre ziemlich schnell mausetot.“

Die drei Teile der „Batman“-Miniserie „Der dunkle Ritter schlägt zurück“ sind auf Deutsch bei Panini erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen