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Der Indiana Jones der Anatomie

Ohne Lizenz zum Schneiden: Gunther von Hagens, Initiator von „Körperwelten“, droht in England eine Klage

Nachdem der Schauspieler Dustin Hoffman kürzlich in London die umstrittene Ausstellung „Körperwelten“ besucht hatte, gab er anschließend begeistert zu Protokoll: „Ich werde mit meiner ganzen Familie noch einmal kommen.“ Könnte sein, dass die Ausstellung dann schon abgesetzt ist – dem Initiator Gunther von Hagens droht in Großbritannien eine Geld- oder Gefängnisstrafe, weil er sich am Mittwochabend mit einer Live-Obduktion über ein Verbot der Regierung hinweggesetzt hatte. Zudem wurde dem 57-jährigen deutschen Professor keine Lizenz für Obduktionen in England erteilt.

Bei der PR-Veranstaltung für seine Ausstellung – der ersten öffentlichen Sektion in Großbritannien seit 170 Jahren – war vor laufenden Kameras und 650 Zuschauern die Leiche eines im Alter von 72 Jahren verstorbenen Deutschen seziert und ausgeweidet worden. Im Dienste der Wissenschaft und Aufklärung, versteht sich: „Die Demokratisierung der Anatomie und Gesundheitsaufklärung“ sei sein Ziel, so von Hagens’ stets gleich lautende Rechtfertigung für sein nekrophiles Treiben. Mit Forschungen zur dauerhaften Imprägnierung anatomischer Präparate hatte sich der Mediziner erstmals Ende der Siebzigerjahre einen Namen gemacht: Die so genannte Plastination macht Leichen jeder Art form- und handhabbar wie Wachspuppen.

Sein Verfahren hat der Anatom längst mit einem weltweit operierenden Dienstleistungsunternehmen für einschlägige Kunststoffe und Hilfsmittel versilbert. Sein „Institut für Plastination“ (IfP) hat rund 300 Mitarbeiter, einen Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen Mark und operiert in Heidelberg, China und Kirgisien. Dort verlieh ihm das Anatomische Institut der Staatlichen Medizinischen Akademie in Bischkek 1999 die Ehrenprofessur. Für das fertige Präparat einer menschlichen Leiche verlangt Hagens rund 25.000 Euro.

Wichtigstes Marketing-Instrument für das IfP ist die Ausstellung „Körperwelten“, deren Rohstoffe von Hagens vor allem aus den ehemaligen Sowjetrepubliken bezog. Nachdem im Jahr 2000 russische Zeitungen berichtet hatten, sibirische Ärzte hätten dem IfP 150 Gehirne und 50 Körper von Obdachlosen und Geisteskranken geliefert, kündigte von Hagens vorsichtshalber den entsprechenden Vertrag mit dem Anatomischen Institut der Universität von Nowosibirsk.

„Jede Gesellschaft hat ihre Tabus“, sagt der Visionär von Hagens: „Wenn wir die Tabus nicht brechen, kann sich die Gesellschaft nicht entwickeln.“ Seine handfesten kommerziellen Interessen freilich verbirgt der „Indiana Jones der Anatomie“ (BBC) nicht nur hinter der Behauptung, er wolle ärztliches Herrschaftswissen für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Zur Show gehört auch die Figur Gunther von Hagens selbst. Nicht ohne Kalkül wird er sich die typischen Attribute von Joseph Beuys anverwandelt haben – ohne Hut und Taschenweste tritt er nicht vor die Öffentlichkeit. Da er seine jüngste Obduktion in einer Kunstgalerie vorgenommen habe, stehe er auf juristisch „sicherem Boden“. Und über seine „Körperwelten“ sagte er 1999: „Es kommen mehr Besucher als zur documenta.“ Der präparierte Tote, der sein eigenes Gehirn in Händen hält – eine soziale Plastik? Die britische Presse sieht das anders und in von Hagens nur einen „seltsamen und unangenehmen kleinen Mann“. ARNO FRANK

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