Liedkultur statt Leitkultur: Abschlussfestival der Aktion „ZivilCHORage“
Schlager gegen Schläger
Als die Aktion „ZivilCHORage“ vor einem Jahr an die Öffentlichkeit trat, gab es neben Anerkennung auch Spott. Wortspielgeplagte Zeitgenossen rollten die Augen, fürchteten akustisch-korrekte Konzerte und fragten, ob aus des Kanzlers „Aufstand der Anständigen“ unbedingt auch ein Aufstand der Sangesfreudigen werden musste.
Die Antwort: Eindeutig ja. Wer eines der brechend vollen Konzerte miterlebt hat konnte eine besondere Stimmung spüren: Wir sind viele, wir haben Energie und wir kümmern uns um ein Thema, an dem man sowieso nicht vorbei kommt: rechte Gewalt.
Zentraler Bestandteil war das Vorstellen konkreter Projekte. Da allerdings hatten die OrganisatorInnen mancherorts Mühe, lokale Initiativen zu finden. In Bremen nicht. Dort unterstützte man unter anderem „Noteingang“ (Geschäftsleute kennzeichnen ihre Türen als offen für Verfolgte), „Medinet“ (medizinische Versorgung für Flüchtlinge) und „Refugio“, das in Findorff gelegene Rehabilitationszentrum für Folteropfer.
Jetzt ist die Aktion zu Ende und die Bilanz kann sich sehen lassen: 10.000 Euro an Projekt-Spenden durch neun Konzerte im nordwestdeutschen Raum, dazu kommt das Abschlussfestival am heutigen Samstag im Schlachthof (ab 19 Uhr, Eintritt frei). Und in Hannover geht die Sache weiter: Dort haben sich 22 Chöre zu „Lieder gegen den rechten Ton“ zusammen getan.
Den sich sowieso als politisch verstehenden Chören wie Oldenburger „Bundschuh“ oder Internationaler Buchtstraßenchor hat sich eine beachtliche Menge „normaler Chöre“ angeschlossen. So sind aus ursprünglich sieben gut zwei Dutzend teilnehmende Gruppen geworden. Sicher: „Die süßesten Früchte“ aus dem Repertoire eines beteiligten Popchores ist nicht unbedingt eine Antifa-Hymne – aber erlaubt zu texten: Auch Schlager helfen gegen Schläger. HB
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