: berliner szenen Schöne Berliner Musike
Schneidersitze galore
Wieso noch kein Musiklabel darauf gekommen ist, sämtliche U-Bahn- und U- Bahnschacht-MusikerInnen als „Sehn se – dit is Berliner Musike“-Sampler zu veröffentlichen. Ach, ich weiß schon warum: Wahrscheinlich würde sich so ein Sampler noch schlechter verkaufen als die neue Oli-P-CD. Früher gab es zumindest noch ab und an lustige, filzhaarige HausbesetzerInnen, die mit Handpuppen zu „Ich hab ein Haus, ein instandbesetztes Haus, ein Äffchen und ein Pferd …“ herumwackelten oder eine Swing-Truppe samt Standsnare und Kontrabass. Vielleicht kommt es mir allerdings auch nur im Nachhinein lustig vor.
Einer der momentan rührendsten Musiker steht jedenfalls vor der Domäne am Halleschen Ufer, ein kleiner, mittelalter Mann. Er hat seine Gitarre an einen niedlichen Pignose-Verstärker angeschlossen, auf einen Zettel mit dicken Filzstift „Kein Krieg wegen paar Dutzend Verrückte!“ gekrakelt und spielt dazu „Streets of London“. Hätte mich neulich fast daneben gesetzt, im Schneidersitz, versteht sich, um an den richtigen Stellen „come I take you by the hand …“ zu summen. Dann wollte ich aber doch lieber die Fototapete nach Hause bringen.
Natürlich hatte ich nicht die mit dem großen, roten Pferd (nennt man „Fuchs“) genommen, das seine Blesse (kenn mich ganz schön aus!) über die untere Stalltür direkt in das Objektiv reckt. Auch nicht den Südsee-Strand. Habe diesen Südsee-Hype eh nie verstanden und das Gefühl, dort lägen den ganzen Tag bekiffte europäische Hippies mit ihren Akustikgitarren rum. Sondern schön die mit Nordsee drauf, Wind, Möwen, Dünen. Werde noch etwas Teer und Öl in einer Landart-Actionpainting-Session darauf klatschen, und die Illusion ist perfekt. JENNI ZYLKA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen