: Langlebige Frührente
SPD weist grünen Vorstoß für erschwerten Vorruhestand zurück. Union kann sich mit schmaler Rente anfreunden
BERLIN taz ■ Kaum wurde die Reformkommission unter dem Wirtschaftsexperten Bert Rürup aus der Taufe gehoben, ist die Rentendebatte schon wieder voll entbrannt. Auf Widerstand beim Koalitionspartner SPD, aber auf Zustimmung bei der CDU stieß gestern ein Vorschlag der grünen Finanzexpertin Christine Scheel, an Frührentner deutlich weniger Rente auszuzahlen und damit einen Anreiz für einen längeren Verbleib im Arbeitsleben zu schaffen. Wer derzeit vor dem gesetzlichen Rentenalter von 65 Jahren in den Ruhestand gehen will, muss für jedes eingesparte Arbeitsjahr eine Renteneinbuße von 3,6 Prozent hinnehmen.
Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) konnte sich für den Vorschlag gestern nicht erwärmen. Eine Ministeriumssprecherin verwies darauf, dass das Alter, in dem die volle Rente gezahlt wird, bereits von 63 auf 65 Jahre angehoben wurde. Das habe dazu geführt, dass bei der Altersrente das durchschnittliche Eintrittsalter im Jahr 2001 mit 62,4 Jahren um 0,4 Jahre höher lag als im Jahr zuvor. Statt die Abschläge zu erhöhen, müsse man bei den Unternehmern ein Bewusstsein schaffen, Arbeitnehmer über 50 nicht mehr in die Frührente zu schicken. Inzwischen beschäftige jedes zweite Unternehmen keine Arbeitnehmer mehr, die älter als 50 Jahre sind.
Der Linie der Ministerin folgt auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). „Ich wundere mich, dass dieser Vorschlag von einer Frau kommt“, sagte BfA-Sprecher Rainer Helbing zu Scheels Idee. Weil Frauen eine längere Lebenserwartung hätten, würden sie von einer solchen Regelung besonders benachteiligt.
Dagegen begrüßte Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz (CDU) den Vorschlag Scheels, die Anreize für einen vorzeitigen Ruhestand zu verringern. „Wir müssen dafür sorgen, dass der Trend zur Frühverrentung gestoppt und umgekehrt wird“, sagte Merz. Er warf der Koalition allerdings eine widersprüchliche Politik vor, weil sie die Frühverrentung durch das „Brückengeld“ nach dem Hartz-Konzept weiter fördere. Dieser Zuschuss soll Arbeitslosen vom 58. Lebensjahr bis zum Renteneintritt mit 60 gezahlt werden. Dieses „Brückengeld“ sei tatsächlich ein „Systembruch“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, der taz. Deshalb habe man es auch zeitlich befristet. Für die Zukunft forderte sie eine „Kultur der Altersteilzeit“. Statt ihre Beschäftigten die letzten sechs Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter in Teilzeit zu beschäftigten, ließen die Betriebe ihre Angestellten drei Jahre lang voll arbeiten und schickten sie dann in den Vorruhestand.
Zugleich begrüßte Dückert den Vorschlag ihrer Parteifreundin Scheel, die Abschläge bei den Frührenten zu erhöhen. Alles andere sei ungerecht gegenüber jenen, die bis zum vollen Rentenalter im Berufsleben bleiben.
STEPHANIE VON OPPEN
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