Alarm und Verkehrschaos bei geheimer Mission

Die UN-Waffeninspektoren nehmen ihre Arbeit auf. In den nächsten Tagen sollen sie mehrere hundert verdächtige Objekte untersuchen

KAIRO taz ■ Der erste Tag der UN-Waffeninspektoren begann chaotisch. Zwei Konvois weißer UN-Fahrzeuge verließen in den frühen Morgenstunden das UN-Hauptquartier am Rande Bagdads. Sie brausten mit hoher Geschwindigkeit ihren ersten geheimen Zielen entgegen, während eine Reihe motorisierter Journalisten und Kamerateams die Verfolgung aufnahm und die irakischen Fahrer dazu antrieb, mitzuhalten. Die irakische Verkehrspolizei, die das Ziel der Inspektoren natürlich nicht kannte, hatte Mühe, des Verkehrschaos Herr zu werden. Und als würde eine Jagd zwischen Inspektoren und Journalisten nicht ausreichen, wurde in der irakischen Hauptstadt auch noch Luftalarm ausgelöst. Die Behörden behaupteten später, ein US- oder britisches Flugzeug wäre in den Luftraum eingedrungen.

Tatsächlich war am Himmel über Bagdad ein Kondensstreifen auszumachen. Doch sowohl das US-Militär als auch die britische Luftwaffe stritten ab, irgendetwas mit dem Vorfall zu tun gehabt zu haben. Kolportiert wurde gestern auch das Grücht, dass Inspektoren sich verfahren hätten und nicht nach dem Weg fragen konnten, weil das Ziel schließlich geheim bleiben sollte.

Unterdessen begannen die Inspektoren an zwei verschiedenen Orten mit ihrer Arbeit. Der erste Konvoi hatte sich zu einem Lagerkomplex im Norden der Stadt begeben. Nach anfänglicher Verwirrung wurden Journalisten, offensichtlich auf Wunsch der Inspektoren, von der irakischen Polizei zurückgedrängt. Die Inspektoren verschwanden im Innern des Gebäudes und erklärten ihre erste Durchsuchung nach drei Stunden für beendet. Ein andere Gruppe von Inspektoren war unterdessen mit sechs Fahrzeugen zu einer Grafitfabrik südwestlich von Bagdad gefahren. Auch in diesem Falle mussten die Kameras draußen bleiben.

UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich zufrieden mit dem Beginn der Inspektionen und betonte, ein Krieg sei vermeidbar, wenn die irakische Regierung ohne Einschränkungen kooperiere. In den nächsten Tagen sollen die Inspektoren mehrere hundert verdächtige Objekte untersuchen. Vor allem zu Beginn wird erwartet, dass sie jene Installationen unter die Lupe nehmen, die von den ehemaligen UN-Waffeninspektoren der Unscom vor deren Abreise 1998 „neutralisiert“ worden waren. Dort könnten sie etwa die früher installierten Beobachtungskameras reaktivieren. Bis Jahresende soll die Zahl der Inspektoren auf 100 aufgestockt werden.

Über dem Irak hängt nun ständig das Damoklesschwert des „schwerwiegenden Verstoßes“, der laut UN-Resolution 1441 zu „ernsthaften Konsequenzen“, also einem Militärschlag, führen könnte. Alles hängt jetzt davon ab, wie der oberste Waffeninspektor Hans Blix nach New York berichtet und wie dann der UN-Sicherheitsrat gegebenenfalls einen „schwerwiegenden Verstoß“ definiert.

Mögliche Auslöser für einen Krieg sind überall im Zeitplan der Inspektionen eingebaut. Nächster wichtiger Stichtag ist der 8. Dezember, wenn der Irak laut UN-Resolution eine vollständige Liste seiner Massenvernichtungswaffen abliefern muss. Streitet die Regierung in Bagdad, wie bisher, den Besitz dieser Waffen ab, würde das zumindest von den Sicherheitsratsmitgliedern USA und Großbritannien höchstwahrscheinlich bereits als „schwerwiegender Verstoß“ angesehen; beide Länder behaupten, sie hätten Geheimdienstinformationen, die das Gegenteil beweisen. Chefinspektor Blix hat erklärt, er wolle von irakischer Seite überzeugende Beweise sehen für den Fall, dass die Regierung in Bagdad bei ihrer Behauptung bleibe, dass sie keine Massenvernichtungswaffen besitzt.

Sollten die Inspektoren in den nächsten Wochen tatsächlich Hinweise auf diese Waffen finden, hinge alles davon ab, wie schlüssig diese sind. Sollte es irgendwelche Zweifel geben, wäre das letzte Wort im Sicherheitsrat noch nicht gesprochen. Ein anderer Casus Belli könnte eintreten, wenn die Waffeninspektoren erklären, dass sie in ihrer Arbeit behindert werden. Auch dann würde aber die Diskussion starten, wie groß die Behinderung sein muss, um einen „schwerwiegenden Verstoß“ darzustellen. Möglich ist natürlich auch, dass die Inspektoren bis zu ihrem ersten Bericht nach 60 Tagen keinen Hinweis auf Massenvernichtungswaffen gefunden haben und nicht behindert worden sind. Entweder besitzt der Irak dann tatsächlich keine Waffen, oder er hätte sie einfach nur gut versteckt. Bis zu einem Jahr könnte es dauern, bis die Inspektoren ihre Arbeit beendet haben, hat nun noch einmal Kofi Annan erklärt.

Ob das überall am Golf mobilisierte US-Militär indes so viel Geduld hat, ist fraglich. Während die Waffeninspektoren im Irak ihre Arbeit machen, zieht Washington in der Region weitere Truppen zusammen. KARIM EL-GAWHARY