: Geradliniger Typ
Morgen im Click: Vom Neue Deutsche Welle-Revival weitgehend unbeeindruckt, ist deren Wegbereiter Thomas Fehlmann inzwischen bei einnehmendem Dub Techno angekommen
von JULIAN WEBER
Einer fehlt noch: Der Fehlmann, Thomas. Freier Handlungsreisender in Sachen Klang, lange schon unterwegs. So manchem neuen Ding hat er als Musiker oder Produzent beigewohnt, manchmal auch unbemerkt. Und das, obwohl er eigentlich überall als geradliniger Typ charakterisiert wird. Wie ein gutes DJ-Set: fließende Übergänge, wenige Geschmacksverirrungen. Nun aber ist Fehlmann mit seinem aktuellen Album Visions of Blah bei Dub Techno angekommen. Zeit also, geräuscheschluckende Teppiche auszurollen und Spliffs zu bauen.
Zu Beginn seiner Karriere, im Rock‘n‘Roll-Schwindeljahr 1976, zog es den gebürtigen Schweizer nach Hamburg. Der Liebe wegen. Nebenbei machte Fehlmann die HfbK unsicher, wo er zusammen mit dem großen schrägen Holger Hiller die Kunsthochschulband Palais Schaumburg gründete. Fehlmanns Erkennungszeichen waren damals Lodenjäckchen, die blecherne Trompete und der narkotisierende Sog des Korg MS-20-Synthesizers. Zahlreiche Alben entstanden, manche sind stilprägend geworden.
Und Fehlmann knüpfte eifrig Kontakte, zum Beispiel nach England zu Mute Records. „Punk wurde der Seitenscheitel gezogen“, wie seine Homepage gewohnt lapidar über diese Zeit informiert. Zum großen NDW-Revival hat er höchstens noch obskure Fußnoten parat. Bei den Aufnahmen zu Detlef Diederichsens Soloalbum Volkskunst aus dem Knabengebirge ist er als Produzent aufgeführt.
Produzent ist Fehlmann bis heute geblieben. Nach dem Ende von Palais Schaumburg zog es ihn 1985 nach Berlin, in die wavige Stadt. Acid House sei Dank gründete er ein eigenes Label –Teutonic Beats. Er gab dem elektronischen Nachwuchs eine Chance. Während der den Grundstein für die strikt gerade donnernde Bassdrum legte, chillte Fehlmann in damals noch völlig unverdächtigen Ambient-Räumen.
Bei einem Londonbesuch lernte Fehlmann gar Alex Patterson von The Orb kennen, den König des frei fließenden Ambientsounds. Und von diesem wurde er zum „floating member“ von The Orb ernannt. Das hinderte Fehlmann nicht daran, monströse Remixe zu machen und den in Berlin einsickernden Brothers aus Detroit unter die Arme zu greifen. Fehlmann produzierte unter anderem Juan Atkins, Robert Hood, Blake Baxter, ein kickendes Who-is-who des Techno. Zu Hause bei Robert Hood entdeckte Fehlmann auch, dass all die Musik mit einem Vierspurgerät, einer 909-Drummachine und einem Synthesizer auf einem Bügelbrett entstand. „Mein Schlüsselerlebnis“, versichert er.
Die letzten Jahre verbrachte Fehlmann als assoziiertes Mitglied beim Berliner Ocean Club. Zusammen mit Gudrun Gut produziert er die wunderbare Radiosendung gleichen Namens und deejayt des Nachts zwischen alten und neuen Lieblingsliedern, was heißen kann: Deep House oder Beatles. Oder Meeresforschung. Es geht ums „auf- und abtauchen“. Sein Studio in Berlin-Charlottenburg schwebt immerhin: Den Nachbarn zuliebe ist es vom Boden und den Wänden getrennt. So kann er völlig unbemerkt Musik machen.
Thomas Fehlmann, live, (plus Carsten Jost): morgen, 23 Uhr, Click (Nobistor 24)
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