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Alle Arbeitslosen bekommen ein Profil

Das Profiling soll Arbeitslosen schneller einen Job bringen, weil mit einer genaueren Chanceneinschätzung passender vermittelt werden kann. Doch wenn es keine offenen Stellen gibt, nützen alle Maßnahmen des Arbeitsamts wenig

Wer arbeitslos wird, wird profiliert. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist die Durchführung eines so genannten Profilings für jeden neuen Arbeitslosen obligatorisch. Mit dieser individuellen Chanceneinschätzung sollen Stärken und Schwächen von Arbeitslosen festgestellt werden. „Ziel ist, die Bewerber mittels einer schnellen und passgenauen Vermittlung wieder in Beschäftigung zu bringen“, heißt es beim Landesarbeitsamt.

Zu den Inhalten des Profilings gehören die Feststellung von beruflichen und persönlichen Merkmalen wie Kenntnisse, Qualifikationen, Aktualität dieser Kenntnisse, Berufserfahrung, Weiterbildungsbereitschaft. Das Profiling wird vom Arbeitsamt oder von Weiterbildungsträgern durchgeführt, die dafür vom Arbeitsamt bezahlt werden. In Berlin haben bislang mehrere zehntausend Menschen an den entsprechenden Kursen teilgenommen.

„Das alles ist nicht wirklich neu“, sagt Manfred Roosch, Fachgebietsleiter beim Landesarbeitsamt. Schon früher seien Arbeitslose nach ihren Chancen und Fähigkeiten eingeschätzt worden, das Profiling systematisiere diesen Vorgang nur. Meistens dauern die Profiling-Kurse zwei Wochen, inbegriffen ist dabei auch ein Bewerbungstraining.

Mitunter werden die Arbeitslosen verwechselt und dem falschen Kurs zugewiesen. Dann sitzt etwa ein Akademiker in einem Kurs, in dem der Trainer zu Beginn die Frage stellt, wer seine Adresse schreiben könne oder schon einmal eine Zeitung gelesen habe. Für Roosch ist das „ein klassisches Massenproblem“. Bei den Fallzahlen, die ein Arbeitsvermittler zu bearbeiten habe, könnten in „Einzelfällen“ Fehler gemacht werden. Jedenfalls hätten sich mit der Einführung des Profilings die Beschwerden von Arbeitslosen beim Amt nicht gehäuft.

Dass zur Einschätzung des persönlichen Profils der Arbeitslosen auch ihr äußeres Erscheinungsbild zählt, findet Roosch selbstverständlich. Viele Arbeitgeber hätten eine genaue Vorstellung davon, wie ihr Bewerber aussehen soll. „Manch einer sagt, er brauche keinen, der drei Ringe in der Nase hat.“ Arbeitslose müssten auch dafür sensibilisiert werden.

Eine Bilanz des bisherigen Profilings lässt sich nach Ansicht des Fachgebietsleiters aber nicht ziehen. „Das kann man nur im Gesamtzusammenhang aller Maßnahmen des Arbeitsamtes betrachten.“ Außerdem nütze das beste Profiling nicht, wenn es kaum Angebote an offenen Stellen gibt. Zurzeit sind in Berlin rund 290.000 Menschen arbeitslos gemeldet; rund 8.000 offene Stellen wurden den Arbeitsämtern angezeigt. Roosch: „Das A und O ist die wirtschaftliche Entwicklung der Region.“

RICHARD ROTHER

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