: Jesus, it‘s a Sony
Die Eigenproduktionen von ProSieben sind selten erfolgreich. „Das Jesus Video“ (20.15 Uhr) überzeugt immerhin beim Product Placement
von CHRISTIAN BUSS
Geht es den Menschen schlecht, suchen sie Erfüllung im Glauben. Die Tristesse des irdischen Daseins lässt sich eben nur überstehen, indem man sich gelegentlich in religiöse Verzückung stürzt. Da erscheint einem dann schon mal Jesus – krisengeschüttelte Medienmanager sind da nicht anders als der Rest der Menschheit.
So kündigte Pro-Sieben-Geschäftsführer Nicolas Paalzow unlängst an, aufgrund der anhaltenden Werbeflaute in Zukunft bei der Eigenproduktion von Spielfilmen den Gürtel erheblich enger schnallen zu wollen – doch heute Abend läuft erst mal ein exzeptionell teurer Zweiteiler, in dem es um ein paar verwackelte Camcorder-Aufnahmen geht, die Jesus Christus auf seinem Totenbett zeigen.
Der in Israel spielende Wüstentrhiller nach dem Bestseller von Andreas Eschbach wurde zum Großteil in Marokko gedreht, wo die Kirch-Gruppe schon zuvor einige Bibelstoffe verwurstet hat. Trotz der günstigen ökonomischen Konditionen, die Produzenten in dem nordafrikanischen Land vorfinden, sollen sich die Kosten auf satte 4,5 Millionen Euro belaufen – das Dreifache von dem Etat jener konventionellen Pro-Sieben-Movies, die Paalzow zukünftig nicht mehr in Auftrag geben will. Der Jesus-Schocker legt einmal mehr die Vermutung nahe, dass die wichtigen Entscheidungen im Metier mehr auf Glaubenskriterien denn auf Sondierung der Faktenlage basieren. Denn es kommt in heutigen Zeiten ja schon dem Hoffen auf ein Wunder gleich, wenn sich ein Sender von einem im Alleingang produzierten Mammutmehrteiler eine Quote verspricht, die all den Aufwand finanziell rechtfertigt. Der Schwestersender Sat.1 zum Beispiel hat für seine Ereignisfilme – von „Vera Brühne“ bis „Der Tanz mit dem Teufel“ – viel Medienresonanz erhalten, aber trotzdem nur mäßige Zuschauerzahlen erreicht. Auch Pro Sieben selbst konnte schon solch trübe Erfahrungen sammeln: Das BKA-Thrillerdrama „Operation Rubikon“ fuhr im Frühjahr verheerende Quoten ein.
Werbepausen füllen
Falls die Programmgewaltigen etwas aus diesem Desaster gelernt haben, dann leider nur dies: Wer das Publikum mit einem Mehrteiler bei der Stange halten will, muss der Handlung auch noch die letzten Funken Intelligenz und Dynamik austreiben. Deshalb wurde das „Jesus Video“ von Regisseur Sebastian Niemann („Seven days to live“) als Dauerkanonade aus Stunts und Effekten angelegt. Die unmotivierten Fassadenklettereien und wenig funkelnden Feuerwerke sorgen für ein beruhigendes Gleichmaß. So sieht wohl der optimale Film aus, um die Pausen zwischen den Werbeblöcken zu füllen, denn der Zuschauer kann sich ziemlich sicher sein, dass es nach der Reklame so weitergeht, wie es begonnen hat.
Überhaupt wird man das Gefühl nicht los, dem perfektesten Product-Placement der Fernsehgeschichte beizuwohnen. Die Manager des Elektronikherstellers Sony dürften jedenfalls höchst zufrieden sein über den Umstand, dass sich der Plot des Dreistundenreißers im Grunde um einen hochgerüsteten Camcorder aus ihrem Hause dreht: Ein Zeitreisender soll mit dem Gerät den Heiland aufgenommen und es dann versteckt haben, und nun will ein deutscher Archäologiestudent (eigentlich zu schade für diesen Film: Matthias Koeberlin) das Gerät samt Jesus-Konterfei irgendwo aus den staubigen Kulturdenkmälern Israels zutage fördern. Ein Sony-Camcorder, der über 2.000 Jahre rostfrei vor sich hin staubt und dann noch tipptoppe Bilder des Messias liefert, muss nun wirklich ein Wunderwerk sein. Und von derart brachialer Produktpräsentation könnten selbst noch die Reklamestrategen aus James Bonds Stall lernen. Für den von der Werbeflaute geplagten Pro-Sieben-Chef Paalzow tun sich da natürlich ganz neue Verdienstmöglichkeiten auf.
Die Marketingmittel wurden also für „Das Jesus Video“ konsequent ausgeschöpft. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die Bearbeitung des Romans: Von Andreas Eschbachs Buchvorlage ist leider nicht viel übrig geblieben. In dem Wälzer gibt es ungefähr so viele volkswirtschaftliche und philosophische Exkurse wie in Melvilles „Moby Dick“ zur Walfangtechnik. Doch nach der mitleidlosen Formatierung für das Privatfernsehen entspricht der metaphysische Mehrwert der Geschichte nun einer Sendung, in der die Pro-Sieben-Dampfpredigerin Arabella Kiesbauer über Religionsfragen sinniert.
(Teil 2: Fr., 6. 12., 20.15 Uhr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen