piwik no script img

Vor dem Magister die Revolution

Ein Frankfurter Student ist Sprecher der MPCI-Rebellen der Elfenbeinküste bei den stockenden Friedensverhandlungen mit der ivorischen Regierung. Der 30-jährige Sidiki Konaté verkörpert eine neue Generation, die Afrikas alte Politiker hinwegfegen will

aus Lomé HAKEEM JIMO

Die beiden sitzen im 35. Stock und lachen. Nur weil sie ein paar Jahrzehnte jünger sind als Togos Präsident, müsse er sie nicht gleich mit „meine Kinder“ ansprechen, amüsieren sich die beiden Vertreter der Rebellen der Elfenbeinküste. Der eine ist schon über dreißig und ist Oberst – so jedenfalls nennen ihn seine Leute. Der andere heißt Sidiki Konaté und ist mit seinen 30 Jahren ein Wortführer der ivorischen Rebellenbewegung MPCI (Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste), die den Norden des westafrikanischen Landes kontrolliert und seit sechs Wochen in Togo mit der ivorischen Regierung verhandelt.

Vor der Rebellion in seiner Heimat studierte Sidiki Konaté Politologie in Frankfurt. Jetzt sitzt er in Lomé vor der versammelten Presse und verliest das neueste Kommuniqué der MPCI. Ein Dutzend Journalisten aus der Elfenbeinküste hören zu, ein paar togoische Korrespondenten für internationale Medien. Nur ein Weißer lässt sich blicken – ein Beobachter der UNO. Mit monotoner Stimme verlautbart Sidiki alte Forderungen. Als er das Podium verlässt, entkrampfen sich seine Hände wieder.

Ganz geheuer ist ihm der Rummel nicht. „Ich lebe gerne in Deutschland und vermisse meine Freundin“, sagt der Rebellensprecher. „Aber sie versteht, warum ich hier bin. Sie hat davor Respekt. Nach alldem hier gehe ich auf jeden Fall zurück nach Frankfurt.“ Auf Deutsch wirkt er schüchterner als auf Französisch. Ohne seinen Drei-Tage-Bart würde er noch jünger wirken. Nur sein Bauch macht diesen Eindruck sofort zunichte.

Sieben Jahre lang lebte Sidiki Konaté in Deutschland. Ein paar Scheine fehlen noch, dann ist der Magister dran. Über die politische Konstruktion der EU kann der 30-Jährige sich vorstellen, seine Abschlussarbeit zu schreiben. Stattdessen ereilte ihn vor rund einem Monat in Deutschland der Anruf seines Freundes Guillaume Soro, Generalsekretär der ivorischen Rebellen. Die beiden kannten sich aus Studentenzeiten in Abidjan. Beide waren in einer radikalen Studentengewerkschaft führend aktiv. Sidiki ging 1995 nach Deutschland und gründete die Studentenorganisation „SOS – Struggles of Students“, die verfolgten Studentenführern weltweit hilft – im Notfall auch mit Evakuierung, unterstützt von der „Hamburgischen Stiftung für politisch Verfolgte“. Als Guillaume Soro als politischer Chef des Aufstandes in der Elfenbeinküste in Erscheinung trat, wurde Sidiki sein Europa-Sprecher.

Man versteht, warum. Sidiki hält kein Blatt vor den Mund, spricht undiplomatisch. „Präsident Gbagbo muss weg und eine neue Verfassung muss her – über alles andere können wir reden“, sagt er über die Elfenbeinküste – ob er Journalisten vor sich hat oder den Vermittler, Togos Präsidenten Gnassingbé Eyadéma.

Vielleicht ist das der eigentliche Unterschied zwischen der alten Garde Afrikas und den Jungen. Jugendliche überall in Afrika empfinden Verachtung für die alten Eliten. Korruption, Unterentwicklung, Ineffizienz – für alles werden die Generationen davor verantwortlich gemacht: Gbagbo genau wie Eyadéma. Als Gastgeber der ivorischen Friedensgespräche hat sich der 67-jährige togoische Präsident wenig Freunde gemacht. Eyadéma, „Vater der Nation“, wie er sich von seinen togoischen Untertanen nennen lässt, hat Ausgehverbot erteilt. Rebellen und Regierungsvertreter wohnen zusammen im riesigen „Hotel 2. Februar“, und der Rebellenoberst und Sidiki Konaté müssen wie Kinder jedesmal um Erlaubnis beim Wächter am Fahrstuhl fragen, wenn sie vor die Tür gehen wollen.

Direkt sprechen Rebellen und Regierungsvertreter nicht miteinander. „Jeden Tag stehen wir um sechs Uhr auf“, schildert Sidiki Konaté den Tagesablauf. „Dann setzen wir uns zusammen und warten, bis der Anruf von Eyadémas Präsidentenpalast kommt. Das ist völlig spontan. Ja, so wie diese Friendensverhandlungen gelaufen sind, konnte es kaum funktionieren.“ Sidiki spricht bereits im Imperfekt über die Friedensverhandlungen. Dabei laufen sie noch.

Die Weltanschauung von Sidiki Konaté zeugt vom Willen, Afrika eine Chance zu geben. Er fordert wahre Demokratie und echte Entwicklung. Vielleicht wird er seine Gesinnung beim ersten Genuss von Macht ablegen – wie schon andere Umstürzler vor ihm. Aber noch, sagt er, er strebe keine Karriere an. „Deutschland gefällt mir sehr gut. Frankfurt ist meine Stadt“, betont der Rebell. „Ich kann mir auch gut vorstellen, für ziemlich lange in Deutschland zu leben – und von dort etwas für die Elfenbeinküste zu tun.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen