Aufatmen zur Mittagszeit

Keine kostspielige Neuwahl des Abgeordnetenhauses wegen CDU-Querelen in Steglitz-Zehlendorf: Verfassungsgericht weist die Klage von zwei ausgebooteten Abgeordneten als unbegründet zurück

von STEFAN ALBERTI

Der Termin stand schon fest. Am 23. Februar hätte Berlin erneut das Abgeordnetenhaus gewählt. Gestern Mittag konnte Vizewahlleiter Horst Schmollinger dieses Datum streichen und sich auf ruhige Weihnachten freuen: Keine Neuwahl wegen formaler Fehler nach CDU-Querelen in Steglitz-Zehlendorf, urteilte das Verfassungsgericht. „Wir hatten schon strategische Vorbereitungen getroffen, sonst wäre die Zeit zu knapp geworden“, sagte Schmollinger der taz. 3,7 Millionen Euro hätte der erneute Urnengang gekostet. Die früheren CDU-Abgeordneten Marcus Mierendorff und Ulrich Manske hatten gegen die Gültigkeit der Wahl vom Oktober 2001 geklagt.

„Als unbegründet zurückgewiesen“ – als diese Worte zu Beginn der Urteilsverkündung gestern Mittag fielen, atmete im Gerichtssaal nicht nur Schmollinger auf. Vorbei auch die Schreckensvision des CDU-Landesverbands, alle seine fünf Mandate im Bezirk zu verlieren, darunter das von Landeschef und Parlamentsvizepräsident Christoph Stölzl. Das hatte als Alternative zu einer Neuwahl gegolten.

Hintergrund des Verfahren ist ein jahrelanger Streit bei der Steglitz-Zehlendorfer CDU und vor allem beim größten Berliner Ortsverband der Union in Dahlem. Mierendorff und Manske waren bei einem Kreisparteitag als Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl nominiert worden. Nachdem das CDU-Bundesschiedsgericht jedoch diesen Parteitag für ungültig erklärt hatte, stellte eine neue Versammlung kurz vor der Wahl eine neue Bewerberliste auf – ohne Mierendorff und Manske.

Das geschah zwar bei der CDU mit klarer Mehrheit. Rein rechtlich aber lagen der Wahlleitung nun zwei Listen vor, weil die Union die erste Liste nicht formal korrekt zurückgezogen hatte. Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás hatte sich darauf am Mehrheitswillen des Parteitags orientiert und die neue Liste akzeptiert. „Wir haben uns zugegebenermaßen über die Formalien hinweggesetzt“, hatte Schmidt von Puskás eingeräumt.

Das war dem Verfassungsgericht gestern etwas zu lax. „Wahlrecht ist im wesentlichen Formalrecht“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Storost. Den Klägern half das nicht weiter, weil laut Urteil keine der beiden Listen hätte zugelassen werden dürfen. Mierendorff und Manske wären also in jedem Fall draußen gewesen. Storost machte zwar klar, dass der Wahlleiter die zweite Liste zu Unrecht zuließ. Das Gesetz aber gebe es nicht her, einem Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl allein aus diesem Grund stattzugeben.

CDU-Sprecher Matthias Wambach, wie auch Mierendorff, äußerten sich zufrieden über das Urteil. Mierendorff gab an, ihm sei es darum gegangen, die Rechtmäßigkeit zu prüfen. Erst in zweiter Linie habe er sich ins Parlament klagen wollen.

Im Gerichtssaal war vor der Urteilsverkündung viel von Verhältnismäßigkeit zu hören gewesen: Eine teure Neuwahl wegen eines Formfehlers? Dass könnte Parteien ermuntern, bewusst einen Fehler in ihre Kandidatenliste einzubauen, um eine Wahlniederlage später bei besseren Umfragewerten kippen zu können.