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Grünes Chaos auch in Berlin

Nach dem Parteitag in Hannover erreicht die Führungskrise auch die Berliner Grünen. Überraschend kündigt der Charlottenburger Thomas Birk an, gegen Landeschef Till Heyer-Stuffer zu kandidieren

von UWE RADA

Nach dem Aus für die Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn hat die Führungskrise der Grünen auch den Berliner Landesverband erreicht. Überraschend kündigte gestern der Charlottenburger Bezirksverordnete Thomas Birk gegenüber der taz an, gegen den bisherigen Landesvorsitzenden Till Heyer-Stuffer kandidieren zu wollen. Birk sagte wörtlich: „Ich gehe in die Bütt.“

Birks Ankündigung ist auch eine Reaktion auf Heyer-Stuffers Haltung zur grünen Gretchenfrage der Trennung von Amt und Mandat. „Auf dem Berliner Parteitag vor zwei Wochen hat Heyer-Stuffer keinen Kompromiss gesucht, sondern taktiert“, sagte Birk. Mit 71 zu 69 hatten sich die Landesdelegierten gegen einen Kompromiss ausgesprochen, der Roth und Kuhn einen Verbleib an der Bundesspitze der Partei ermöglichte. Damit folgte der Landesverband, wenn auch nur knapp, der Position Heyer-Stuffers. Die zweite Landesvorsitzende Regina Michalik hatte sich dagegen für die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat ausgesprochen. Nach der Abstimmung hatte sie angekündigt, beim nächsten Landesparteitag am 15. Februar nicht wieder für das Amt antreten zu wollen.

Während Heyer-Stuffer das Ergebnis des grünen Bundesparteitags in Hannover gestern begrüßte, zeigte sich die Berliner Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz enttäuscht. „Berlin ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Trennung von Amt und Mandat negativ auf die Arbeit des Landesvorstands auswirkt.“ Klotz hatte sich wie Michalik und Birk für eine Öffnung der grünen Spitzenfunktionen auch für Mandatsträger ausgesprochen.

Mit Birks Kandidatur haben die Berliner Grünen nicht nur ein doppeltes Führungsproblem. Schließlich hat sich für die vakante Stelle von Regina Michalik bislang noch keine neue Kandidatin beworben. Auch der Ton im Berliner Landesverband ist inzwischen rauer geworden. Hauptziel der Kritik ist dabei nicht der Parteilinke Christian Ströbele, sondern sein Bundestagskollege Werner Schulz, der ebenso wie Ströbele für die weitere Trennung von Amt und Mandat ist und auf dem Parteitag die grüne Führungsspitze mit den Worten „Die Partei will geführt, nicht beherrscht werden“ angegriffen hatte.

Dafür hatte sich Schulz nicht nur eine wütende Replik von Verbraucherschutzministerin Renate Künast eingehandelt. Künast sagte in Hannover, sie wolle sich von Schulz nicht alles kaputtmachen lassen. Auch der neue Kandidat für den Berliner Landesvorsitz ließ an Schulz gestern kein gutes Haar. „Schulz soll aufpassen, dass er enttäuschte Ambitionen nicht mit Satzungsfragen vermischt“, sagte Thomas Birk in Anspielung auf Schulz’ gescheitertes Vorhaben, Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion zu werden.

Birks und Schulz gegensätzliche Position spiegelt sich auch im Abstimmen der jeweiligen Kreisverbände wider. Während Schulz’ Pankower Verband weitestgehend gegen einen Kompromiss für Roth und Kuhn stimmte, votierten die Charlottenburger und Wilmersdorfer geschlossen dafür.

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