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Dieses Stück ist unsinkbar

Mit „Titanic“ an der Neuen Flora kann die Stage Holding keinen Schiffbruch erleiden. Zu wohl kalkuliert ist die Auswahl des Stücks und die technisch perfekte Inszenierung

von PETER AHRENS

Passend zum Sujet tauchen Menschen auf, die schon längst als versunken, mindestens als abgetaucht galten. Erika Berger zum Beispiel, die so genannte Sexpertin verblühter Tage. Sie wäre nach eigenem Bekunden nach der Premiere am liebsten auf die Bühne gestürmt, hätte, na klar, „den Darstellern die Kleider vom Leibe gezerrt und mitgenommen“, so angetan war sie von den Kostümen. Christoph Daum fand den Chor „mitreißend“, und dem Postmann Christoph Gottschalk „haben die Bauchmembrane gezittert, als das Schiff den Eisberg rammte“. Effe war auch da, und sogar Carlo von Tiedemann. Großes Theater. Seit Sonntagabend wird also in der Neuen Flora an der Holstenstraße Untergang zelebriert – technisch perfekt, mit allem Aufwand inszeniert, der irgend geht. Man darf erwarten, dass „Titanic“ in Hamburg länger läuft, als das Schiff dereinst geschwommen ist.

100.000 Karten sind nach Angabe der verantwortlichen Stage Holding schon verkauft. Eine Pleite, wie es der Vorgänger „Mozart“ der dadurch pleite gegangenen Stella erlebt hat, muss die Stage Holding wirklich nicht befürchten. Sie setzt mit ihren zwei neuen Produktionen auf Nummer sicher. „Mamma Mia“ im Operettenhaus bedient die mittlerweile gut verdienende Klientel, die in den 70er Jahren mit „Waterloo“ und „Fernando“ aufgewachsen ist. Und „Titanic“ ist allen noch dermaßen durch Big Hollywood präsent, dass hier auch nichts schief gehen kann. Die „Titanic“-Laufzeit ist ohnehin vorsichtig auf lediglich zwei bis drei Jahre kalkuliert.

Die Zeit der Jahrzehnte laufenden Musicals ist vorbei. Das weiß Stage-Chef Maik Klockow auch und ist von daher weit entfernt vom Größenwahn des vorn auf der Bühne verkörperten Titanic-Reeders, der sein Schiff durch unternehmerische Überschätzung in den Untergang treibt.

Die Musik und die deutschen Texte sind eher mittelprächtig, gerade zu Beginn extrem bemüht, manche der Singstimmen bestenfalls auch, doch das wird den Erfolg in Hamburg nicht schmälern.

Die Bühnentechnik reißt es raus, die diversen sich verschiebenden Ebenen von der Kommandobrücke oben bis zum Maschinenraum unten, die Stahlstreben, das riesige Bullauge, wo normalerweise ein Vorhang ist, die sich neigende Bühne, die das Sinken des Schiffs simuliert und dazu führt, dass sich auch die SchauspielerInnen an der Reling festhalten müssen, um nicht abzurutschen.

Die Kostüme, die direkt aus dem „My Fair Lady“-Verleih kommen könnten, tun ihr Übriges. Das ist alles dermaßen auf Effekt und Publikumswirkung wohl kalkuliert, dass keine Kultursenatorin der Welt etwas zu meckern haben dürfte.

Das ist kein Kopulationstheater, das ist gut gemachter Super-Mainstream. Ausgerechnet mit „Titanic“ ist der Musical-Standort Hamburg erst einmal vor dem Versinken in die Zweitklassigkeit gerettet worden. Und wie das Stück ausgeht, wird hier selbstverständlich nicht verraten.

Titanic läuft in der Neuen Flora dienstags, donnerstags, freitags und samstags jeweils um 20 Uhr, mittwochs um 18.30 Uhr, samstags auch um 15 Uhr und sonntags um 14 und 19 Uhr. Kartenpreise zwischen zwölf und 95 Euro.Infos unter www.stage-holding.de

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