: Bunt und blutleer
Wirklich stark nur in den chorischen Sequenzen: Das klassisch-romantische Ballett „La Bayadère“ von Ludwig Minkus an der Staatsoper
von LISA MONK
Am Ballett der Staatsoper wurde im neumeierschen Nest der Moderne ein klassisches Kuckucksei ausgebrütet. Mit der Premiere von La Bayadère schlüpfte ein orientalisch bunter Vogel, der sich als klassisches romantisches Ballett anschickt, zum beliebtesten Stück dieser traditionellen Gattung zu werden.
John Neumeier bestellte die Choreographie bei der Gastchoreographin Natalia Makarova, die das Ballett nach der ursprünglichen Fassung von Marius Petipa aus dem Jahr 1877 in Szene setzte. Petipa war von 1862 bis 1910 Maître de ballet am Hof des russischen Zaren in St. Petersburg. In dieser Zeit choreographierte er 54 Ballette, schuf 17 Neuinterpretationen und für 35 Opern die Tanzsequenzen.
Wie am Fließband produziert wirkt das Ballett in weiten Teilen und leider genauso die Musik von Ludwig Minkus, einem Zeitgenossen von Johann Strauß. Er schlägt immer wieder die ersten Takte eines Walzers an, flicht unpassende Marschrhythmen ein und lässt nahezu jeden Satz mit einem Tusch beenden.
In La Bayadère wird in Indien klassisches russisches Ballett zum Walzer getanzt. In drei Akten wird in der Kulisse Indiens die bewährte Mischung aus Liebe, Verrat, Tod und Wiedervereinigung im Jenseits getanzt. Die pompösen Bühnenbilder lokalisieren die Liebe zwischen dem Krieger Solor und der Tempeltänzerin Nikija an einen Tempel und den Hof des Maharadschas. Beide schwören sich ewige Liebe. Als aber der Maharadscha Solor als Belohnung für seine Kriegsdienste seine Tochter zur Frau geben will, kann er nicht nein sagen. Und bereut es bitter. Denn der Maharadscha und seine Tochter löschen diese Liebe aus, indem sie Nikija eine Schlange an den Hals schicken. Nikija stirbt, und Solor sieht sie im Opiumrausch bei jedem Schritt als Vision an seiner Seite. Als der Priester doch das erzwungene Brautpaar segnet, zerstören die Götter den Tempel. Später treffen sich die Seelen von Solor und Nikija in der Ewigkeit.
Dass so gut wie keine indische Geste auftaucht, kann von einem Ballett des 19. Jahrhunderts nicht erwartet werden. Schon einzufordern wäre allerdings von einer aktuellen Adaption mehr Virtuosität in den Bewegungen. Gerade die Liebesszenen wirken einfalls- und ausdruckslos.
Die Stärken dieses Balletts sind daher auch nicht die Soli, sondern die chorischen Szenen. In der berühmtesten, dem „Schattenreich“, betritt das Corps de ballet langsam aus der Rückwand mit ein und derselben Arabesque die Bühne und füllt sie in perfekter Synchronität. Ein intelligent konstruiertes Bild, in dem Solor seine Nikija 24-fach sieht. Da gelingt es, die Einheit der vielen Körper zu einem einzigen zu formieren.
Sonst waren wirklich lebendig – witzig, spritzig und erfrischend – nur die Wilden: eine Gruppe von Fakiren und halbnackter Buschleute sowie ein zum Leben erwachtes Bronze-Idol. Dem Reiz der Exotik waren Petipa und Makarova also durchaus aufgeschlossen, aber verführen ließen sie sich nicht.
Neumeier wollte mit dieser Einstudierung seiner Compagnie die Erfahrung eines klassischen russischen Balletts des 19. Jahrhunderts in den Leib geben. Und außerdem ist zu Weihnachten ein romantisches Kostümballett im Repertoire beim Publikum stets willkommen. Wie zwei Besucher es sagten: „Dünn, aber endlich mal wieder richtig schön romantisch und nicht so modern.“
nächste Vorstellungen: heute, 11., 13. + 17. Dezember, 19.30 Uhr, Staatsoper
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