piwik no script img

Alles wie geschmiert in Äquatorial-Guinea

Im Land mit dem höchsten Wirtschaftswachstum der Welt ruft der Präsident zu den Wahlurnen. Ölkonzerne haben Milliarden investiert, aber die Bevölkerung profitiert davon nicht, und Politik bleibt eine Familienangelegenheit

BERLIN taz ■ Wenn Teodoro Obiang Nguema auf internationalen Konferenzen seine Tabellen auspackt, dürfen andere Staatschefs neidvoll erblassen. Das Bruttoinlandsprodukt seines Landes hat sich in zehn Jahren verdreißigfacht und wuchs 2001 um 62,5 Prozent. Das winzige Land zwischen Gabun und Kamerun, dessen Hauptstadt auf der Nigeria vorgelagerten Insel Bioko liegt, ist wegen seiner gigantischen Ölfelder im Meer der Geheimtipp der internationalen Ölindustrie, die in den letzten fünf Jahren über 5 Milliarden Dollar dort investierte; bis 2005 sollen diverse US-Ölkonzerne und die französische TotalFinaElf die Förderung auf 500.000 Barrel Rohöl pro Tag verdoppeln. Dann wäre Äquatorial-Guinea der drittgrößte Ölproduzent Schwarzafrikas, gleich hinter Nigeria und Angola.

Da Äquatorial-Guinea keine Kriegsschäden hat wie Angola und mit offiziell 1.014.999 Einwohnern weniger als 1 Prozent der Bevölkerung Nigerias, müssten seine Bewohner also im Überfluss schwimmen. Das Pro-Kopf-Einkommen stieg seit 1995 von unter 500 auf über 4.000 Dollar. Aber noch immer können laut UNO zwei Drittel der Bevölkerung ihre elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen.

Die ausländischen Ölfirmen fliegen bevorzugt ihre eigenen Landsleute als Angestellte ein, und während in der Hauptstadt Malabo Luxusvillen aus dem Boden schießen, fällt in normalen Wohnvierteln schon mal ein Vierteljahr lang der Strom aus und viele Menschen leben in Unsicherheit, weil die Regierung von der blühenden Grundstücksspekulation profitieren will und die Enteignung von Grundbesitz erleichtert hat. Beim letzten Black-out in Malabo verhafteten die Sicherheitskräfte haufenweise Oppositionelle und verurteilten 68 von ihnen wegen „Hochverrats“ zu langen Haftstrafen. Die Landbevölkerung lebt ohnehin im Elend.

Mit seiner Bilanz kann Präsident Obiang also kaum glänzen, wenn er sich am Sonntag zur Wiederwahl für weitere sieben Jahre stellt. Der Präsident, der 1979 seinen Onkel Francisco Macias Nguema wegputschte und sich 1996 zum ersten Mal wählen ließ – mit 98 Prozent –, kann höchstens alte Versprechungen wiederholen. „Wir müssen jetzt an die Zukunft denken“, sagte Premierminister Candido Mutatema Rivas kürzlich. „Wir betonen den Kampf gegen die Armut, Eigenversorgung mit Lebensmitteln, Impfprogramme für Kinder und Zugang zu Trinkwasser.“

Zugleich sagt die Regierung, sie habe so viel Geld, dass sie mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht zusammenzuarbeiten brauche. Besonders verärgert war Präsident Obiang, als der IWF im Frühjahr wissen wollte, auf welchen ausländischen Banken denn die Öleinnahmen Äquatorial-Guineas liegen. Das gehe niemanden etwas an, erklärte der Staatschef.

Politik in Äquatorial-Guinea ist eine Familienangelegenheit. Obiangs erste Ehefrau Constancia leitet die Frauensektion der Regierungspartei, sein Sohn Gabriel Obiang die Jugendsektion. Gabriel ist außerdem Ölminister, und sein älterer Bruder Teodoro ist Umweltminister sowie Wahlkampfleiter des Vaters. Dessen Bruder Antonio führt den Geheimdienst. Im engeren Umfeld des Präsidenten gibt es außerdem 10 Generäle und 20 Oberste für eine Armee von immerhin 4.000 Mann, der Obiang allerdings so wenig traut, dass er sich mit einer Leibgarde aus Marokkanern umgeben hat.

So reduziert sich die Politik oft auf Familienstreit – und kriminelle Affären. Zum Beispiel, wenn Präsidentensohn Teodoro sich in den USA mit 11 Millionen Dollar in bar verhaften lässt. Oder wenn ein Parlamentarier auf dem Flughafen von Madrid mit 20 lebenden Affen im Gepäck geschnappt wird.

Die radikale Opposition, zusammengeschlossen im „Nationalen Widerstand von Äquatorial-Guinea“ (Renage), ist überzeugt davon, dass Präsident Obiang einen Teil der Öleinnahmen zum Schmieren einsetzt. Im Juli seien, so Renage, umgerechnet 4,5 Millionen Euro nachts nach Gabun geflogen worden, als der dortige Präsident gerade die entsprechende Summe verlegt hatte. Seitdem hält sich Obiang für ein diplomatisches Schwergewicht.

Wer bei den Wahlen am kommenden Sonntag teilnimmt, erhält umgerechnet 75.000 Euro in bar, weshalb es immerhin vier Gegenkandidaten gibt – allerdings nicht von Renage, die zum Boykott aufruft. Oppositionelle vermuten auch, dass die Volkszählung von 2001 dem Wahlbetrug dienen sollte. Die ermittelte Zahl von 1.014.999 Einwohnern ist fast doppelt so hoch wie die bis dahin gängigen Schätzungen. Die Regierung machte dafür ganz ernsthaft die Verbesserung der Lebensqualität verantwortlich. DOMINIC JOHNSON

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen