: Filzen für Anfänger
Bergedorfer Jugendhilfe wird nun erst mal doch nicht freundschaftlich umverteilt:Protest bewegte CDU und Schill-Partei zum Aufschub ihrer Pläne
Eigentlich wollten Politiker von CDU und Schill-Partei die Gelder für Jugendarbeit in Bergedorf nach ihren ganz persönlichen Vorstellungen – und Freundschaften – umverteilen. Doch das ist vorerst vom Tisch: 300 Kinder, Jugendliche und Eltern haben bei der Sitzung des Jugendhilfeausschusses im Bergedorfer Rathaus am Dienstagabend ihren Protest gegen die Umverteilung deutlich gemacht. Sie haben die Politiker zumindest davon überzeugt, sich vor einer Entscheidung sachkundig zu machen und mit den Trägern zu sprechen.
Grundproblem ist, dass der Senat für 2003 das Geld für Kinder- und Jugendarbeit um drei Prozent gekürzt hat. Die Bezirke haben das umzusetzen. Vor diesem Hintergrund der „nicht auskömmlichen Mittel“ hatte das Jugendamt Bergedorf eine Verteilung vorgeschlagen, die allen Einrichtungen eine Weiterarbeit auf ähnlichem Niveau wie bisher ermöglicht hätte. Das sollte eigentlich in der Jugendhilfeausschuss-Sitzung am 26. November beschlossen werden.
Doch es kam anders. CDU und Schill-Partei schwebte nämlich eine radikale Umgestaltung der offenen Kinder- und Jugendarbeit vor: Der Mädchentreff sollte nur noch Geld bekommen, wenn er sich für Jungs öffnet, und das selbst verwaltete Jugendzentrum sollte 36 Prozent seines Etats abgeben und damit dann nur noch die reinen Betriebskosten erhalten. Die Etats vom Jugendzentrum des Sportvereins und vom katholischen Jugendhaus hingegen sollten ordentlich aufgestockt werden. Pikant: Zwei Mitarbeiter dieser Einrichtungen sitzen auch im Jugendhilfeausschuss und erhöhen sich somit selbst die Zuschüsse.
Michael Böckenholt vom Jugendzentrum Vierlande sieht außerdem eine ideologische Motivation, in die Jugendarbeit einzugreifen: „CDU und Schill-Partei sind gar nicht bereit, sich mit Mädchenarbeit und deren Trägern auseinander zu setzen. Sie wollen Mädchenarbeit politisch verhindern.“
Die von CDU und Schill-Partei ungeliebten Jugendeinrichtungen sammelten Unterschriften gegen die Umverteilung und luden die Ausschussmitglieder ein, sich die Arbeit vor Ort anzusehen – doch niemand kam. Angeblich gebe es keinen Informationsbedarf. „Da urteilt einer über meine Arbeit, ohne überhaupt da gewesen zu sein, das macht mir Angst,“ so eine Sozialarbeiterin.
Nach der vorgestrigen Ausschusssitzung sollen die Gelder nun erst einmal fließen: Bis zum 30. Juni 2003 nach dem vom Jugendamt vorgeschlagenen Verteilungsschlüssel. In der zweiten Jahreshälfte gibt es dann noch einmal mindestens 80 Prozent, die restlichen 20 Prozent stehen unter Verteilungsvorbehalt. Im Januar wird es eine öffentliche Anhörung der Träger geben. Danach wird über den Rest des Geldes entschieden. HELGA JAHNKE
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