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Streng bewachte Geldsäcke

Nicht einmal vierzig Milliarden Euro kostet die EU-Erweiterung in den ersten drei Jahren. Dennoch feilscht Deutschland bis zum letzten Cent

aus Kopenhagen DANIELA WEINGÄRTNER

Mit der Aussicht, den größten Adventskalender der Welt bestaunen zu dürfen, lockt die dänische Ratspräsidentschaft ihre Gäste nach Kopenhagen. Jeden Morgen um fünf soll sich eine Tür an der Rathausfassade öffnen, dahinter verbergen sich Weihnachtstraditionen der 15 EU-Staaten und der 10 Kandidatenländer. Warum dieses Ereignis allmorgendlich lange vor Sonnenaufgang stattfinden muss, bleibt das Geheimnis der Gastgeber. Sie gehen wahrscheinlich davon aus, dass in der harten Endphase der Finanzverhandlungen ohnehin an Schlaf nicht mehr zu denken ist.

Bevor sich die Staatschefs in Kopenhagen dem heiklen Thema Geld widmen, haben sie eine lange Tagesordnung abzuhaken. Verkehrskommissarin de Palacio verlangt, dass die Regierungen einen Bann über einwandige Öltanker verhängen. Sie sollen künftig nicht mehr in Häfen der EU einlaufen dürfen. Eine Regelung wird auch zum Alpentransit für Lkws erwartet, den Österreich drastisch einschränken will.

Vor allem aber soll der Kandidatenstatus der Türkei geklärt werden. Deutschland und Frankreich haben angeregt, einen weiteren Fortschrittsbericht der EU-Kommission im zweiten Halbjahr 2004 abzuwarten und – falls er positiv ausfällt – zum 1. Juli 2005 die Verhandlungen aufzunehmen. Beim Außenministertreffen am Dienstag in Brüssel sagte Joschka Fischer, dieser Plan werde von den meisten anderen Regierungen gutgeheißen.

Ihr ehrgeiziges Ziel, alle strittigen Finanzfragen vor dem Gipfel zu klären, mussten die Dänen spätestens am Montag dieser Woche begraben. Da zog die polnische Delegation einen Katalog mit zwanzig offenen Forderungen aus der Tasche – eine Taktik, die den dänischen Außenminister sichtlich aus der Fassung brachte. „Wir wollen Polen in der Gemeinschaft, aber wenn Polen kein Teil der Union sein will, muss ich das einfach akzeptieren“, sagte Per Stig Möller als unverhohlene Drohung in Richtung des größten Kandidatenlandes.

Joschka Fischer zeigte beim Außenministertreffen am Dienstag in Brüssel viel Verständnis für die heftige Reaktion seines dänischen Kollegen: „Minister Möller hat in den letzten Wochen harte Arbeit geleistet. Man muss verstehen, dass er nun verhandlungstaktisch etwas rabiater argumentiert.“ Es werde aber in Kopenhagen ganz sicher ein Kompromiss gefunden zwischen „dem nicht vorhandenen Geld und der Größe der historischen Aufgabe“.

Die dänischen Verhandlungsführer hatten zunächst weitere finanzielle Zugeständnisse gemacht, um doch noch alle zehn Kandidaten zu einer Einigung vorab zu bewegen. Sie boten eine Milliarde Euro mehr an, als im Oktober beim Gipfel in Brüssel vereinbart worden war. Sprecher mehrerer Mitgliedsstaaten hatten in den vergangenen Tagen betont, dass Dänemark diesen Vorschlag nicht mit den anderen Staaten abgestimmt hatte.

Während die Außenminister am Dienstag wenig Neigung erkennen ließen, das Angebot von Ende Oktober nachzubessern, zeigte sich Haushaltskommissarin Michaele Schreyer ungewöhnlich freigebig. „Bei allem Feilschen sollte niemand aus den Augen verlieren, dass es um die Wiedervereinigung des europäischen Kontinents geht. Eine bessere Investition in unsere gemeinsame Sicherheit gibt es nicht“, sagte sie. Der von Dänemark angeregte Nachschlag von ein bis zwei Milliarden bewege sich immer noch unterhalb der in Berlin 1999 vereinbarten Obergrenze für die Erweiterung, meint die deutsche Kommissarin. Und EU-Kommissionspräsident Romano Prodi stellte sogar fest, es sei „keine schlechte Sache“, die 1999 beschlossene Summe von 42 Milliarden Euro auszugeben.

Auch Erweiterungskommissar Günter Verheugen spricht sich inzwischen dafür aus, die in Berlin vereinbarten Mittel an die neuen Mitgliedsländer zu zahlen. Was die Erweiterung tatsächlich kosten wird, dürfte auch dann noch nicht klar sein, wenn in Kopenhagen am Freitag oder Samstag ein Endergebnis der Verhandlungen auf dem Tisch liegt. Je nach Zielrichtung rechnen die Mitgliedsländer nämlich entweder in Bruttozahlen – nennen also die aus dem EU-Haushalt in die neuen Länder fließenden Summen – oder in Nettozahlen, wobei vom Bruttobetrag die Mitgliedsbeiträge der Neuen abgezogen werden.

Deutschland, das am meisten in den EU-Haushalt einbezahlt und deshalb indirekt den größten Teil der Erweiterungskosten trägt, beziffert die Bruttokosten der bisher größten Erweiterung auf über 40 Milliarden Euro für die Jahre 2004 bis 2006. Der dänische Nachschlag kostet nach dieser Finanzlogik 2,6 Milliarden.

Wenn man aber nicht die Verpflichtungen, sondern die tatsächlich fälligen Zahlungen berechnet, kommt man nur auf 24 Milliarden für drei Jahre und einen „dänischen“ Zuschlag von einer Milliarde. Zieht man davon die Mitgliedsbeiträge der zehn Neuen für drei Jahre ab, bleiben zehn bis zwölf Milliarden an reiner Nettobelastung übrig.

Heute Abend, gegen 18 Uhr, beginnt im Kopenhagener Bella Center der EU-Gipfel, 24 Stunden später soll er zu Ende sein. Dann wird sich zeigen, wer sich bei der Finanzierung der Osterweiterung durchgesetzt hat, die „Hüter der Geldsäcke“, wie Joschka Fischer die Finanzminister am Dienstag betitelte, oder diejenigen Staatschefs, die den historischen Moment nicht durch kleinliches Gefeilsche verderben wollen.

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