: Die Eingecremte
36 Jahre öffentliches Vorzeige-Dasein haben ihre Spuren hinterlassen. Bei Uschi Glas selbst, und erst recht im Auge des Betrachters. Jetzt hat sie auch noch festlich, lieb und mild eine Weihnachts-CD besungen. Die Würdigung einer Lebensleistung
von MARTIN WEBER
Es ist in der Regel alles andere als einfach, wenn Frauen im fortgeschrittenen Alter noch einmal gebären. Es sei denn, man heißt Uschi Glas und ist 58 Jahre alt – dann ist die Sache mit der Niederkunft ein Klacks. Zumal dann, wenn die Geburt rein musikalischer Natur ist. „Singen war immer mein Baby, das ich mit mir herumgetragen habe. Jetzt ist die Zeit reif, dass ich mich das traue.“ Ort des freudigen Ereignisses: ein Studio in München, Name des niedlichen kleinen Rackers: „Uschi Glas singt die schönsten Weihnachtslieder“. Alles in allem: ein Prachtkerl.
Klar, dass die gebürtige Niederbayerin auf dem Cover des Tonträgers das macht, was sie – nicht nur zur Weihnachtszeit – am besten kann: festlich, lieb und mild glänzen. Neben beliebten Klassikern („Oh Tannenbaum“) gibt sie auch ein urbayrisches Stück zum Besten: „Es wird scho’glei dumper“. Versteckte Kritik an der rot-grünen Regierungskoalition? Die bekennende Helmut-Kohl-Spenderin machte nie einen Hehl aus ihrer CSU-Sympathie. In christlichen Parteien gelten Ideale wie Ehrenwort und Haus und Herd eben noch was.
Als Zugabe für die kluge Hausfrau – und den emanzipierten Mann – gibt’s denn auch im Booklet eine Bedienungsanleitung für erfolgreiches Backen à la Uschi Glas. Einmal so naschen und knuspern wie die Frau, die man mit Fug und Recht als die Oberkellnerin der Serienkost bezeichnen kann.
Uschi Glas war in ihrem Berufsleben schon „Tierärztin Christine“ und Bankerin („Zwei Münchner in Hamburg“), sie gab in einer dreiteiligen Sat.1-Filmreihe die Staatsanwältin und die serielle Kiesgrubenbesitzerin in „Anna-Maria – Eine Frau geht ihren Weg“. Am besten und glaubwürdigsten aber war Uschi Glas, wenn sie ihr privates Leben ohne Not und mit voller Absicht höchstselbst in die Öffentlichkeit zerrte. Hart und reich an Hindernissen war der Weg, aber Uschi Glas hat’s geschafft. Schon lange.
Sie hat geputzt, gewaschen, gebügelt und nie geklagt, sie hat ihrem Produzenten-Ehemann Bernhard Teewag den Rücken freigehalten, war ihm treu bis zur Unkenntlichkeit und zog en passant noch drei Kinder groß. In ihrer besten Rolle spielte und spielt Uschi Glas immer Uschi Glas, da ist sie ganz und gar sie selbst und von vorne bis hinten und zurück vollinhaltlich einig mit sich und ihrer Welt.
Uschi Glas, daran besteht kein Zweifel, ist die Inge Meysel der Anti-68er-Generation. Und jetzt also: traditionelles, festives Liedmaterial. Weihnachtslieder. Selbstverständlich nur die schönsten. Und Backen. „Spitzbuben“ heißen die Lieblings-Plätzchen von Uschi Glas, und mit 180 Gramm Zucker, zwei Päckchen Vanillinzucker und Aprikosenkonfitüre ist man im Naschwerk-Rennen. Potzblitz, Donner und Granaten!
Wo doch jeder weiß und sieht, dass Uschi Glas, biologisch fast 60, optisch im Körper einer 35-Jährigen lebt. Höchstens. Naschwerk ist da fast immer tabu, Hüftgold schlecht fürs Image.
Hart gegen sich selbst musste Uschi Glas stets sein, streng an sich und gegen die Natur arbeiten. Der Teint. Die Falten. Das Leben ist für Uschi Glas eins der schwierigsten. Um 6.30 Uhr ist die Nacht rum, erzählte sie einst dem Tagesspiegel, zu dieser gänzlich unchristlichen Zeit beginnt der Kampf gegen ihren ärgsten Feind: die Zellulitis. Ab halb sieben wird zurückgeschrubbt. Mit einer wunderbaren Schweinsborstenbürste! Seit Sommer 2001 übrigens nicht nur in der heimischen Dusche, sondern auch im Farbfernsehen, auf dem Verkaufskanal Home Shopping Europe. Dort vertreibt Uschi Glas ihre eigene Kosmetiklinie „hautnah“ und quatscht sich in schöner Regelmäßigkeit um den Restverstand. Remover Pads, Velvet Optimizer und Hair Care Conditioner werden feilgeboten, und nicht selten gelingen Uschi Glas dabei goldene Sätze. „Mit der Creme kann man das enträtseln“, sagt sie. Oder: „So wird die Faltentiefe angehoben und die Feuchtigkeit gebunden.“
Gründe für diesen herrlichen Quatsch gibt’s natürlich reichlich. Ihr Bernie hat sie bekanntlich verlassen und poussiert seit der Trennung lieber mit einer Imbissverkäuferin herum, hat sie gewuppt, und so muss Uschi Glas selbst sehen, dass genug Geld für Miete und Mohnbrötchen übrig ist. Wir erinnern uns: Selten hat man mit so viel Wohlwollen betrachtet, wie die Trockenhaubenfachzeitschriften Bunte und Gala ihrem Informationsauftrag nachkamen und nach der Trennung von Uschi und Bernie die Angelegenheit ins rechte Klatschlicht rückten. Deshalb heißt es jetzt: Dem untreuen Immer-noch-Gatten zeigen, dass sich eine wie die Uschi nicht unterkriegen lässt. Der moderne Dreikampf der gehörnten, selbstbewussten Frau: Tiegel verkaufen, Weihnachtslieder singen, Plätzchen backen.
„Ich muss jetzt erst einmal lernen, mein Leben neu zu gestalten“, sagt Uschi Glas, „Liebe ist das Wichtigste. Liebe ist überall.“ Mit diesen vom Munde abgesparten Lebensweisheiten geht sie gerne hausieren. Beim Frauenversteher Beckmann etwa. Oder bei „Kerner“, dem Sitzprediger der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Der ist, darin Uschi Glas nicht unähnlich, ebenfalls tipptopp eingekremt.
„Wo die Liebe regiert, hat der Wahnsinn keine Chance“, sang die ebenfalls betrogene Ehefrau Ireen Sheer beim letzten Grand-Prix-Vorentscheid und widmete den Schlager ihrer Leidensschwester. Was die universelle Gesamt-Uschi angeht, ist das vor allem eins: glatt gelogen.
„Uschi Glas singt die schönsten Weihnachtslieder“. edel-records
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