Sinfonie der Tausend getoppt

Kinderkonzert der Musikschule Bremen bekehrt selbst eingefleischte MTV-Hörer zur klassischen Musik und lehrt Erwachsene, den Nussknacker neu zu hören

Am Sonntag Mittag fand das alljährliche Kinderkonzert der Musikschule Bremen statt. Deren Leiter Heiner Buhlmann hatte für Kinder die Geschichte vom Nussknacker ausgewählt. Das Jugendsinfonieorchester Bremen-Mitte und die Jugendsinfonietta Bremen spielten dazu aus Tschaikowskys Ballet.

Wie die Kleinen das fanden, war zu erleben: Konzentriertes Zuhören mündete in begeisterten Applaus – selbst bei jenen, deren Lieblingssender MTV ist. Langeweile kam nicht auf, denn Buhlmann zeigte, was Musik mitteilen kann. So war zu lernen, wie es sich anhört, wenn ein Weihnachtsbaum durchs Dach wächst, wie Schokolade tanzt und wie es klingt, wenn Mäuse und Lebkuchenmänner sich eine erbitterte Schlacht liefern.

Da Mitmachen die Sinne weitet, wurden auch schmissige Weihnachtslieder dazwischen geschoben. Ein lautstarker Zuschauerchor, der überraschenderweise doch noch auf Kenntnisse abendländischen Kulturgutes zurückgreifen konnte, mit Orchesterbegleitung: der Effekt war überwältigend, Mahlers Sinfonie der Tausend war getoppt.

Auch den Erwachsenen machte das Konzert, anders als die üblichen pädagogisch inspirierten Darbietungen von Klassik, ausgesprochen gute Laune. Denn Buhlmann ließ auch den erfahrenen Musikkonsumenten im altbackenen Nussknacker Neues hören. Was nicht nur daran lag, dass Tschaikowsky von Teenagern gespielt deutlich rauer klingt als in der heimischen Stereoanlage. Frohgemut stimmt auch, dass es offenbar doch Chancen gibt, den angegrauten Kreis von Konzertbesuchern durch neue Interessenten aufzufrischen. Gute Laune machte auch, das Gefühl zu haben, mit dem Auftritt der beiden Jugendorchester den Abschluss eines gelungenen pädagogischen Prozesses gesehen zu haben.

120 Youngsters mit recht unterschiedlichen spieltechnischen Fertigkeiten arbeiten hier mit Elan konzentriert zusammen. Nicht alle dürften unbedrängt von den Eltern dazugestoßen sein. Mancher mag sein Instrument schon als hinderliche Last empfunden haben.

Das Orchester scheint jedoch wie eine geölte Motivationsmaschine zu wirken, weckt Lust am Zusammenspiel, stärkt Verantwortbewusstsein und soziale Kompetenz – gerade weil die Aufgabenstellung anspruchsvoll ist. Der Genuss am Mitspielen spiegelt sich ebenso im zufriedenen Lächeln über das Gelingen einer heiklen Passage wie im breiten Grinsen bei einem nicht zu verheimlichenden Missgriff.

Die gute Laune wird allenfalls von der Furcht getrübt, dass Veranstaltungen dieser Art nur dann dauerhaft und breit wirken können, wenn musische Erziehung in Bremens öffentlichen Schulen konsequenter und lustvoller ins Bildungskonzept einbezogen würde. Mario Nitsche