: Global schlafen
Das Kunstfestival „Und ab die Post“ findet jetzt im Bunker an der Reinhardtstraße statt. Dort haben die Exponate vor allem mit der massiven Betonarchitektur zu kämpfen
Das Festival der Neuen Kunst „Und ab die Post“ hat ein neues Domizil gefunden, den seit sieben Jahren leer stehenden Bunker in der Reinhardtstraße. Die Nippon Development Corporation hat den massiven Betonklotz gekauft, um ihn ab dem nächsten Frühjahr zu sanieren und als eine ungewöhnliche wie dauerhafte Stätte junger Kunst zu etablieren. Ohne einen Cent öffentlicher Zuschüsse.
Die Dominanz des Bauwerkes hat jetzt schon Künstler herausgefordert, die Statik des Raumes aufzubrechen, die Grenzen von innen und außen zu durchbrechen. Dabei stellt das treffend betitelte Festival „Insideout – undabdiepost2002“ Berliner Kunst neuen Arbeiten aus Prag und New York gegenüber. Die insgesamt 18 eingeladenen KünstlerInnen zeigen, wie eng die Welt eine Dekade nach Ende des Kalten Krieges auf dem Gebiet der Kunst zusammengerückt ist. Globalisierung macht auch vor Leinwänden nicht Halt, die Ästhetik der jungen Kunst scheint mitunter allzu universell und austauschbar. Video, Foto und Installation herrschen vor.
Dennoch sind vereinzelt Arbeiten zu sehen, die das Eigene betonen. Die für Berlin beteiligte Iranerin Farkhondeh Shahrouidi stückelte Teile von Teppichen aus verschiedenen Regionen ihrer Heimat zu einer Art textiler Garten. Damit erinnert die 40-jährige Künstlerin, die seit 1990 in Deutschland lebt, an Lebensläufe von Emigranten, deren Identität ähnlich bruchstückhaft zusammengesetzt sind.
Auch die anderen Berliner Künstler unterstreichen den internationalen Charakter der hiesigen Kunstszene. Jun Shibata, 1973 in Japan geboren, hat für seine Installation die Legende vom „Hundemann“ ausgegraben. Das Geschöpf mit Hundekörper und Mannskopf sucht Jun Shibata nun mit Flugblättern auch in der Hauptstadt. Ähnlich verspielt, aber mit mehr Tiefgang, kommt die Installation von Mariana Vassileva daher: Draußen vor dem Bunker hat die gebürtige Bulgarin ihre Buswartehalle aufgebaut, die wie ein kärgliches Zuhause wirkt. Die Sitze der Bank sind so verändert, dass sie eine Liege mit erhöhtem Kopfteil bilden – ein Schlafplatz wie geschaffen für Obdachlose (oder müde Raver).
Amerika ist mehrheitlich mit Videoarbeiten vertreten. Omer Fast, 1972 in Jerusalem geboren, lässt israelische Soldaten von Kampfhandlungen auf Hebräisch erzählen. In den englischen Untertiteln werden fast unmerklich in Sekundenschnelle aus negativ belegten plötzlich positive Begriffe. Trau keinem Foto, keinem Film, lautet seine Botschaft. Nadine Robinson paarte monochrome Tafeln in den Farben Schwarz, Rot, Gold mit riesigen Lautsprechern, die an Ghettoblaster (und fette Beats im Bunker) erinnern. Die Mixtur aus amerikanischer Straßenkultur und bundesdeutschen Landesfarben wird mit Zitaten aus dem Märchen „Der Rattenfänger von Hameln“ unterlegt.
Sehr gefühlsbetont wiederum kommen die beteiligten Tschechen daher. Erika Bornová schafft monumentale Wesen aus Styropor. Kurz vorm Kitsch, ist ideale Schönheit ihr Thema: Eine schöne, aber blasse Frauengestalt liegt auf bunten Blumen gebettet. Wahre Schönheit kommt eben von innen. Nebenan hat sich Mila Preslová in den Posen der drei Affen fotografiert: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Im Gegensatz zum Original ist der Verlust der Sinne bei der 36-jährigen Tschechin nicht selbst verschuldet, stets hält ein Mann ihr die Hände vor das Gesicht – so weit das Rollenverständnis 2002. Vielleicht träumt sich deshalb ihre Künstlerkollegin Stepánka Simlová in ihren computermanipulierten Fotoarbeiten weit weg. Ihre Bilder von fernen Reisezielen puzzeln verschiedene Orte zusammen und zeigen so perfektere Welten, als sie ein Reiseprospekt je zeigen könnte.
ANDREAS HERGETH
Bis 20. Oktober, So–Do 11–21, Fr/Sa 11–24 Uhr; Bunker an der Reinhardtstraße; mehr unter www.insideout-berlin.de
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