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Warm warten

Drei Mal ist Bremer Recht: Beim Praxis-Test im Bürger-Service-Center streikt der Computer

Einen Termin mittags um halb eins, um den Personalausweis zu verlängern? „Kein Problem“, flötet die Dame am Telefon. Einige Tausend Einwohner hat Bremen in den letzten Jahren verloren. Jetzt lernt das Stadtamt Service. Vorbei die Zeiten, in denen man morgens nach stundenlangem Warten im zugigen Amtsflur der „Meldestelle“ beim Betreten des Büros standesgemäß mit „Nummer 176?“ begrüßt und eine Minute später wieder nach Hause geschickt wurde, weil man den Mietvertrag vergessen hatte. Denn in wessen Wohnung man wohnt, ist Bremen inzwischen egal. Und im neueröffneten Bürger-Service-Center (BSC) im Parkhaus Mitte gibt’s auf Wunsch Termine. Spontan Ummelde-Willige finden Rat am Empfangstresen aus Holz und grauem Stahl, und die Angestellten holen die „Kunden“ persönlich an den Schreibtisch.

Alles gut im Neubürger-Paradies? Noch nicht ganz: Mehrfach stellte der von der Brekom unterhaltene Zentralcomputer des Stadtamtes diese Woche seinen Betrieb ein – und mit ihm das BSC. Ausweisverlängerung? Lohnsteuerkarte? Gewerbeanmeldung? Die Polsterstühle im Wartebereich füllen sich. „Wir können im Moment leider gar nichts für Sie tun“, eröffnet eine Dame den Service-Hungrigen.

Eine halbe Stunde später dann der zweite Versuch: „Ja, die Computer laufen wieder“, sagt die Dame am Empfang und lächelt: „Noch.“ Der am Vormittag ausgehandelte Termin ist natürlich längst verstrichen, die Wartestühle gut besetzt. Dafür machen jetzt die Angestellten Mittag: Drei Viertel der Schreibtische sind leer. Nach zehn Minuten stillsitzen brechen die ersten Kunden unverrichteter Dinge wieder auf. Beliebt ist das BSC bereits nach einer Woche. So beliebt, dass auch am Nachmittag die Kunden Schlange sitzen. Meinen Ausweis werde ich vielleicht morgen verlängern. Oder übermorgen. Drei Mal ist Bremer Recht. sim

Das zweite Bremer BSC eröffnet morgen um 11 Uhr in der Berckstraße 10 in Horn-Lehe. ☎ 361 - 16 777.

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