: Was draußen vor der Tür blieb
Ein rares Beispiel für den deutschen Avantgardefilm der Fünfziger: In der Brotfabrik lässt sich „Jonas“ wiederentdecken
Manche Sammelgebiete sind dann doch sehr überschaubar: Der deutsche Avantgardefilm der Fünfziger etwa. Ja, da hat es in den hiesigen Kinos schon noch anderes gegeben als das notorische „Schwarzwaldmädel“. Nur eben wahrlich nicht viel. Schnell wird man deswegen bei der Recherche auf „Jonas“ von 1957 stoßen, für den sich Ulrich Gregor in der Filmkritik euphorisch weit aus dem Fenster gelehnt hat: „ ‚Jonas‘ dürfte wahrscheinlich mehr Diskussionsstoff bieten als die Produktion eines ganzen Jahres.“
Dieser Satz verrät natürlich auch Wesentliches über den Kino-Standard der Zeit und mag aus heutiger Perspektive bezüglich des eigentlichen Filmplots von „Jonas“ nurmehr mit Einschränkungen gelten. Denn da wirkt dessen „Draußen vor der Tür“-Problematik doch ein wenig abgestoßen: Erzählt wird von einem Druckereiarbeiter, dem sein Hut geklaut wird. Daraufhin nimmt er selbst den Hut eines Fremden an sich und entdeckt darin die Initialen M.S. Das Monogramm seines Freundes, den er im Krieg bei der Flucht aus einem Lager im Stich ließ. Wie nun aber dieser Schuldkomplex mit daran anknüpfendem Verfolgungswahn in kafkaesk klinische Bilder umgemünzt wurde, lässt einen auch abseits eines nur filmarchäologischen Interesses nicht kalt. Der Schwabenkolonie beschert „Jonas“ noch wenig heimelnde Rückblicke auf den Beton vom Nachkriegs-Stuttgart.
Wenn man den Film überhaupt mal zu sehen bekommt. Verdienstvollerweise hat die Brotfabrik dieses Meisterwerk von Ottomar Domnick ausgegraben. Der war Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Stuttgart, einflussreicher Kunstsammler (klar: die Moderne) und nebenher engagierter Filmemacher, dessen Werk (zwischen Kunstbetrachtungen und weiteren Ausblicken auf Zivilisationskritik) nun bei der Domnick-Retrospektive in der Brotfabrik wiederentdeckt werden sollte.
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