: Veraltetes Konzept
Rechtsprofessor kritisiert, dass der Senat Vormünder damit beauftragt, das geschlossene Jugendheim zu füllen
Die Errichtung eines geschlossenen Heimes für Jugendliche ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu dem Ergebnis ist der Rechtsprofessor Christian Bernzen gekommen, der im Auftrag der Gewerkschaft ver.di und des Jugendhilfeträgers Abakus ein Gutachten über die neue geschlossene Unterkunft in der Feuerbergstraße erarbeitet hat. Der einzige juristische Pferdefuß: Das „Familieninterventionsteam (Fit)“, das die Einweisung eines Jugendlichen und den Entzug des elterlichen Sorgerechtes beantragen kann, dürfte nicht mit einem festen Pool an Vormündern zusammenarbeiten, deren Aufgabe es sei, das Heim in der Feuerbergstraße zu füllen. „Der Staat“, so Bernzen, „darf nicht elterliche Erziehungsentscheidungen, die nicht seinen eigenen Vorstellungen entsprechen, durch Entscheidungen von Vormündern ersetzen lassen, deren Aufgabe der Entzug von Freiheit ist.“
Bernzen erinnerte daran, dass die Erziehung von Kindern nicht ein Recht des Staates, sondern das der Eltern sei. Folglich seien auch nur die berechtigt, ihr Kind in ein geschlossenes Heim zu bringen – mit richterlicher Genehmigung. Ersetzt werden dürfe deren Entscheidung allenfalls von Einzelvormündern, die in ihrer Entscheidung das Kindeswohl und nicht das Ziel des Staates vor Augen hätten, ein kostenintensives Heim auszulasten.
Bernzen hat in seinem Gutachten auch festgestellt, dass es rechtswidrig wäre, ausländische Jugendliche mit dem Ziel in ein geschlossenes Heim einzuweisen, ihre Abschiebung sicherzustellen. Davon aber ist im aktuellen Senatskonzept ohnehin keine Rede. Auch ausländische Jugendliche dürfen nur in die Feuerbergstraße eingewiesen werden, wenn ihr Kindeswohl gefährdet ist.
Durch diesen Faux Pax hat die Gewerkschaftsvertreterin Sieglinde Frieß den Befürwortern der geschlossenen Unterbringung eine offene Flanke geboten. Denn ver.di hatte das Gutachten in Auftrag gegeben – und Bernzen zur Beurteilung ein veraltetes Konzept aus dem Sommer vorgelegt. ELKE SPANNER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen