: Biologisches Kleinod
Bremerhavens Weddewarden, die Salzwiesen und der Rohrkohl: Wenn das CT IV erst mal steht, beißen Zugvögel auf Beton
„Ich wünsche mir, dass sie das CT IV nicht bauen“, sagt Gerhard Patzke, Mitglied im Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Er belächelt seinen frommen Wunsch milde. Patzke weiß um die Aussichtslosigkeit seines Wunsches.
Das Wissen darum, dass dem Containerterminal ein biologisches Kleinod weichen muss, macht ihn nicht weniger traurig. Früher galten Watt und Salzwiesen am weddewardener Deich als Ausgleichsflächen für das CT III. Jetzt sollen sie für das neue Containerterminal zubetoniert werden. Was das Gebiet so einzigartig macht, kann das ungeübte Auge nicht erkennen. Darum erklärt Patzke, dass diese Wiesen jedes Jahr vom Salzwasser überschwemmt werden. Das Wasser versickert, das Salz bleibt zurück, fertig ist die Salzwiese. Diese bietet Löffelkraut, Kümmel und Rohrkohl gute Bedingungen, denn die stehen besonders gut auf salzigem Boden.
Für die Vogelwelt bietet das Watt vom Wurm bis zum Krebs alles ein reichhaltiges Nahrungsangebot. In diesem besonders weichen Wattabschnitt fühlt sich das ganze Kleingetier erst recht wohl. Damit stärken sich rund 2.000 Vögel täglich während der Vogelzugzeit. Im kommenden Jahr werden die Durchreisenden statt dessen wohl auf Beton beißen wenn das CT IV kommt.
Zwar muss für jedes Stück vernichtete Natur eine Ausgleichsfläche geschaffen werden. Aber Gerhard Patzke lehrt die Erfahrung: „Die sagen, wir machen ja eine Ausgleichsfläche, und denken, dann ist alles in Butter.“ Aber so sei es eben nicht, weiß der Naturschützer. Er hadert mit dem großen Spielraum, den PolitikerInnen bei der Auslegung des Gesetzes haben.
Als das CT III gebaut wurde, dienten die Tegeler Plate und das jetzt von Zubetonierung bedrohte Weddewardener Deichgebiet als Ausgleichsflächen. Die asphaltierten Wege wurden aufgerissen, das Wattgebiet vergrößert, Pflanzen umgesiedelt. Man habe sich schon Mühe gegeben, meint Naturschützer Patzke, aber man könne eben nicht die gleichen Bedingungen schaffen. „Da siedeln dann vielleicht neue Pflanzen und Tiere, aber die alte Fläche mit ihren alten Bewohnern gibt es einfach nicht mehr.“ Und längst nicht alle Versuche wirken überzeugend: Auf dem jetzigen CT III-Gebiet nisteten früher Wiesenvögel, die kurzrasige Flächen brauchen. Auf der Tegeler Plate ist statt dessen zwei Meter hohes Schilf angesiedelt worden. sam
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