: berliner szenen Echte Kerzen
Neue Weihnachtsfeiern
Wenn Weihnachten mal aussterben sollte, die Weihnachtsfeiern werden auf jeden Fall überleben. Nun ja, andere Errungenschaften wie Gästebücher, FKK und Demokratie schleppt man ja auch weiter durch, obwohl man sie innerlich längst überwunden hat. Bei Weihnachtsfeiern tritt diese Blutgrätsche nur besonders deutlich zutage. Da werden in Kinderläden zwar für die Feier die alten Symbole gebastelt – bei der Feier selbst werden dann aber aus Rücksicht auf religiös Andersgepolte ausschließlich Lieder ausgesucht, in denen das Wort „Christkind“ nicht vorkommt. Oder es wird gleich „Rapunzel“ aufgeführt.
Tapfere Betriebe, die der wirtschaftlichen Situation zum Trotz ein viel versprechendes Jahr hatten und sich zum Jahresende nicht lumpen lassen wollen, suchen sich eine abgefahrene Location für ihre Weihnachtsfeier, und der nichtsahnende Gast findet sich in einer Karaokebar oder einem Westernsaloon wieder. Selbst Ex-Start-ups mit drei Mitarbeitern, die sowieso zusammen Batminton spielen und after work abtanzen gehen, bauen noch auf diese merkwürdige Tradition. Sie gehen schön essen und tun so, als würde die Firma bezahlen.
Da wird einem ganz warm ums Herz, wenn man noch eine Old School Weihnachtsfeier mitmachen darf, im Bürgersaal der Arbeiterwohlfahrt, von einem Schwimmverein. Gestecke mit echten Kerzen auf den langen Tischen, selbst gebackene, semileckere Kuchen, abgenudelte Weihnachtslieder. Am Eingang nette ältere Frauen, die Spenden entgegennehmen, auf der Bühne ein talentfreier Mann, der mühsam die „schwierige Situation“ zusammenzufassen versucht, bis man gewahr wird, dass das Vereinsschwimmbad 2002 geschlossen wurde. ALMUT KLOTZ
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