piwik no script img

Heldinnen der Arbeit

Fremde Welten: Der brasilianische Film „Domésticas“ schaut in das sonst unsichtbare Universum von Hausangestellten. Der Fokus liegt vor allem auf demütigenden Erlebnissen

Das Schicksal ist wie ein Zug. Kommst du zu spät, siehst du nur noch den Rauch in der Ferne

von KATRIN AUE

Staub ist ein Zustand, etwas Unsichtbares, das einfach existiert. Schmutz dagegen ist eher ein Ereignis, ein Prozess. – Die Frau, die solches weiß, ist Expertin auf dem Gebiet, denn sie arbeitet als Hausangestellte bei einer reichen Familie in São Paulo. Bei ihrer Geburt, erzählt sie, habe ihre Mutter gesagt, eher solle sie tot sein als ein Dienstmädchen. „Und jetzt bin ich ein Dienstmädchen.“ Quitéria ist eine der fünf Protagonistinnen in Domésticas, dem ersten Spielfilm der Brasilianer Fernando Meirelles (danach: das Favela-Epos Cidade de Deus) und Nando Olival. Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Renata Melo drehten sie eine Collage aus Spielfilm-Sequenzen und inszenierten quasi-dokumentarischen Abschnitten.

Das Interesse der drei galt den Hausmädchen, wie sie in nahezu jedem lateinamerikanischen Haushalt von der unteren Mittelklasse an aufwärts angestellt sind. Putzen, bügeln, Hunde ausführen, Teppichfransen kämmen: Schnell geschnittene Passagen zeigen die Frauen bei ihrer Arbeit, und – viel zentraler noch – mit Freunden und Familie, mit Glück und Leid, Hoffnungen und Misserfolgen. Handlungsstränge werden in hohem Tempo erzählt, verknüpft und wieder getrennt. Immerzu und immer kurz halten die Geschichten inne, um Monologen der Dienstmädchen Platz zu machen, die wie in einem Dokumentarfilm direkt in die Kamera sprechen.

„Das Schicksal ist wie ein Zug. Kommst du zu spät, siehst du nur noch den Rauch in der Ferne“, philosophiert eine von ihnen und offenbart wie nebenbei die fatalistische Grundhaltung, die den Film durchzieht. Denn von offen ausgetragenen Konflikten zwischen den Hausmädchen und ihren Arbeitgebern kann keine Rede sein. Die eine flüchtet in ihren Glauben, eine andere in die trügerische Hoffnung auf eine Model-Karriere. Nur konsequent und in der Geschichte angelegt ist es, dass kaum eine der Frauen das Erhoffte findet, dass sie scheitern, egal, was sie tun.

Problematisch ist dabei nur: Die Möglichkeit, aktiv zum großen Umbruch in ihrem Leben beizutragen, wird den Frauen hier nicht eingeräumt. Fast schonungslos liefert sie der Film dem Publikum aus, mit all ihrer Naivität. In Brasilien wurde dem Film Paternalismus vorgeworfen, der mit dem der Arbeitgeber vergleichbar sei – und das liegt nicht ganz fern. Auch die Zärtlichkeit, mit der die Kamera auf die Figuren schaut, ähnelt durchaus der Beziehung vieler Familien zu ihrer Hausangestellten.

Gleichwohl sind es die Domésticas, die hier erzählen, kein Chef ist auch nur anwesend. Ihr Blick auf das Leben und auf ihre Arbeit bestimmt den Fokus des Films, es wird ihre (selten thematisierte) soziale Realität gezeigt. Allerdings: Es geht um ganz bestimmte Frauen, nämlich um solche, die ihre Arbeit als ein Schicksal begreifen, dem sie sich zu beugen haben – von kleinen Eskapaden mal abgesehen. Dass es in Brasilien eine Hausangestellten-Gewerkschaft gibt, die sehr konkrete praktische Ansätze erarbeitet, um die miserablen Arbeitsbedingungen zu verbessern, wird nicht thematisiert.

Sicherlich ist die Zahl der Dienstmädchen, die denen im Film ähneln, hoch. Schwierig ist allerdings, dass der Film den Ansatz hat, ein realistisches Bild zu zeichnen, allein schon technisch: Mit den in Schwarz-Weiß gehaltenen Monologen wird suggeriert, er dokumentiere „objektive“ Verhältnisse.

Die demütigenden Erlebnisse der Dienstmädchen sind entsprechend äußerst glaubwürdig – und häufig sogar witzig erzählt. Nur hin und wieder ist es der Ohnmacht zu viel, wenn wieder eine der Frauen tapfer erzählt: „Man kann heiraten. Aber erst muss alles sauber sein.“

Premiere mit Musik: Mittwoch, 25.12., 20 Uhr, danach täglich (außer 31.12.) bis 8.1., 20.30 Uhr, 3001

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen