piwik no script img

Mönch mit Oberton

Unglückliche Umstände ermöglichen den Bremern ein seltenes Musikspektakel zur Weihnachtszeit

Wer in den vorweihnachtlichen Tagen noch schnell durch die Sögestraße hetzt, um die letzten Geschenke zu besorgen, wird dieses Jahr mit einem eher ungewöhnlichen Adventsgesang konfrontiert. Kaum einer der vielen Passanten hält nicht für einige Minuten vor diesem Spektakulum inne – mitten in der Bremer Innenstadt gibt der tibetanische Mönch Hosoo seine vielstimmigen Gesänge von sich.

Hosoo ist einer der besten Kehlkopfsänger der Welt und wurde in diesem Jahr als „bester mongolischer Sänger“ ausgezeichnet. „Der helle Wahnsinn“, das finden auch seine Bremer Zuhörer. Der Künstler kann mit einer Oberton-Gesangstechnik bis zu drei Töne gleichzeitig erzeugen. Der Gesang klingt dabei wie der einer Nachtigall und anderer Singvögel. Begleitet wird er von einem sonoren, brummigen Ton, der Tief aus dem Inneren Hosoos zu kommen scheint. „Man könnte denken, der hat ein Instrument in seinem Bauch versteckt“, vermutet eine Passantin: „Einfach verrückt!“ Aber was macht ein derart imposanter Künstler auf der Straße?

Hosoo selbst ist es sichtlich unangenehm, über seine Open-Air-Vorstellung zu reden. Normalerweise würde er so etwas niemals tun, schließlich ist er ein bekannter Sänger und tritt üblicherweise in Konzertsälen auf. Auch im Bürgerhaus Vegesack hat er bereits gespielt. Auf seiner eigenen Internetseite – www.hosoo.de – kann man sich über seine Tourneedaten informieren.

In Bremen ist der Mönch jedoch dazu gezwungen, auf der Straße zu spielen – die Agentur, die ihm hier tolle Auftritte versprochen hatte, sei plötzlich nicht mehr erreichbar. Künstlerpech! Jetzt ist Hosoo für jedermann eben kostenlos zu bestaunen: „Was sollen die Menschen sagen, die für mein Konzert in Vegesack 15 Euro Eintritt bezahlt haben?“, beklagt er seine Situation. Einen Vorteil behalten die Konzertbesucher jedoch, denn bei dem Lärm in der hektischen Bremer Innenstadt kann man die drei verschiedenen Töne leider nicht immer heraushören.

Erstaunlich bleibt gleichwohl die Technik – wie aus einem kleinen Radiogerät scheinen die Töne aus dem monastischen Körper zu fließen. Ganz zufrieden ist der Musiker mit seiner Leistung jedoch nicht: Das kalte Wetter mache seine Stimme kaputt. Mehr als eine Stunde am Tag könne er sich deswegen nicht antun. Seine Konzerte dauerten dagegen bis zu zweieinhalb Stunden. Auf der Straße verkloppt Hosoo seine CD für 15 Euro, während sie im Laden 19 Euro kostet, doch außergewöhnliche Umstände erfordern eben außergewöhnliche Preise. Hauptsache, keiner seiner mongolischen Landsleute erkennt ihn, das fände Hosoo blamabel.

Bis zum Ende der Weihnachtszeit will er noch durchhalten, dann geht es erst einmal wieder nach Hause, in die Mongolei. Er wird nicht traurig sein, gesteht er, denn die Deutschen findet er manchmal schon etwas unfreundlich.

Ann Kristin Barth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen