Wie ist der Tag so — tränenreich??!

Erst die Zugabe löst die Verheißung des Titels ein: „Jauchzet frohlocket“ hieß das Weihnachtskonzert der Deutschen Kammerphilharmonie. Im Programm: Klagegesänge mit Lacrima-Chromatik von Scarlatti und Purcell in historisierendem Gewande

Es ist schon lange Glaubenssache, ob man alte Musik mit dem richtigen Instrumentarium spielt: Selbst ursprünglich puristische Dirigenten wie Nicolaus d’Harnoncourt haben den Nachweis geliefert, dass viele Wege nach Rom führen. Neben der historischen Aufführungspraxis hat seither auch die historisch orientierte Spielweise einen festen Platz auf den Konzertpodien gefunden. Bei dieser intonieren moderne Geigen und Bratschen, bespannt mit Metall umsponnenen Saiten, die barocken Phrasierungen.

Diesen Weg hat nicht zuletzt die Deutsche Kammerphilharmonie in Bremen eingeschlagen. Relativ fit in historischen Spielweise hat das Orchester bereits in der Vergangenheit für unterschiedliche Projekte unterschiedliche Fachleute gewonnen. Auf dieser Basis kann nun Daniel Sepec aufbauen.

Der Konzertmeister der Kammerphilharmonie ist seit einigen Jahren in der Gestaltung und Leitung barocker und vorbarocker Musik aktiv. Jetzt hat er in der restlos ausverkauften Glocke ein Konzert realisiert, dass seltsamerweise den Titel „Jauchzet frohlocket“ trug.

Denn weder wurde die Bachkantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ noch der gleichnamige Eingangschor zum Weihnachtsoratorium gesungen, noch handelte es sich um fröhliche Musik. Im Gegenteil: Die Kantate „Correa nel seno amato“ von Alessandro Scarlatti reiht mehrere Trauerrezitative an Trauerarien um die unglückliche Liebe des Hirten Daliso zu Eurilla.

Ihr Dissonanzenreichtum und ihre Chromatik drücken ein Weinen ohne Ende aus. Jennifer Smith, die dankenswerterweise ganz kurzfristig für die erkrankte Emma Kirkby eingesprungen war, wirkte bei aller stilistischen Sicherheit zunächst leicht indisponiert. Da fehlten Nuancen und stimmliche Substanz.

Umso besser, dass sie das zweite Elend, das aus der „Fairy Queen“ von Henry Purcell, erschütternd nuancenreich sang: das Klagelied „The Plaint“ hat kompositorisch eine ähnliche Größe wie der Tod der Dido des gleichen Komponisten. Die Instrumentalstücke der „Fairy Queen“, die Daniel Sepec zu einer Suite zusammengestellt hatte, klangen atmosphärisch dicht und gut ausgehorcht.

Doch was bei Georg Friedrich Händel mit einem modernen Orchester noch vertretbar ist – besonders, wenn so inspiriert musiziert wird wie an diesem Abend das Concerto grosso op. 3, Nr. 2 – funktioniert bei der Musik des immerhin zwei Generationen älteren Matthew Locke kaum. Wenn auch historisierend, vermag ein modernes Streichquartett nicht die geheimnisvolle „Samtigkeit“ eines Gambenconsorts zu ersetzen, das für Lockes Suite Nr. 6 erforderlich ist. Als „kühn und kraftvoll“ wird Lockes Musik von seinem Zeitgenossen Orlando Gibbons geschildert: Davon war dann doch zu wenig zu hören.

Gleichwohl konnte man mit einiger Hörerfahrung ahnen, dass Locke der bedeutendste Komponist seiner Zeit war. Viel herzlicher Beifall und am Ende mit der Zugabe doch noch ein wenig Jauchzen: „Rejoice“ von Purcell gelang Smith mitreißend. Ute Schalz-Laurenze