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Hartz, aber herrlich

Allgemeine Leistungsresistenz als Markenzeichen besonderer Güte: Horst Evers erzählt in „Die Welt ist nicht immer Freitag“ Geschichten aus dem Leben eines Berliner Schlaffis

So reift in ihm die Vermutung, dass dies „der König der Scheißtage war“

Seit über zehn Jahren schon probiert Horst Evers auf Kleinkunstbühnen wie Dr. Seltsams Frühschoppen seine wunderbar komischen Geschichten über den Schlaffi Horst am lebenden Objekt aus und das Publikum amüsiert sich. Jetzt ist mit „Die Welt ist nicht immer Freitag“ ein gutes und nützliches Buch erschienen, weil es der Jugend zeigt, dass das in Zeiten der Hartz-Kommission für sie vorgesehene Leben eines Versagers nicht automatisch verabscheuenswert ist, sondern dass die von jedem belächelte Figur des Faulenzers, der zwar voller guter Vorsätze steckt, aber nichts auf die Reihe kriegt, auch Vorzüge besitzt.

Für diesen inkompatiblen und gegen die Welt und den Fortschritt vollkommen resistenten Typen hat Horst Evers eine dicke Lanze gebrochen, indem er zeigt, dass das Leben des modernen Oblomov nicht nur tragikomische Lebensunfähigkeit verkörpert, sondern auch voller Überraschungen und Abenteuer steckt, von denen viele im geregelten Alltag nur träumen können.

„Es gibt Tage, die fangen schon richtig blöde an“, sagt Evers. Zum Beispiel, nicht im Bett aufzuwachen, sondern in einem Bus, unsanft geweckt von der „erschröcklich schroffen Stimme“ eines BVG-Fahrers, der Horst zu verstehen gibt, dass hier Endstation Tegel-Ort sei und er aussteigen müsse. So reift in ihm die Vermutung, dass dies „der König der Scheißtage war“, und man kann es nachfühlen, denn wer möchte schon um fünf Uhr morgens in Tegel bei strömenden Regen stehen, „das ist wie beide Arme in Gips, eine ständig laufende Nase und eine weit vorstehende Unterlippe zu haben“. Den Versuch, aus pädagogischen Gründen eine halbe Stunde im Regen auf den nächsten Bus zu warten, bricht Horst nach zwei Minuten ab, als ihm „die ersten Tropfen durch die Poritze rannen“. Auf dem Rückweg pennt Horst wieder ein und wird diesmal am südlichen Stadtrand in Alt-Mariendorf aus dem Schlaf gerissen.

So kann das nicht weitergehen, ermahnt ihn seine innere Stimme. „Wenn ich mich jeden Morgen erst mal mehrere Stunden mit so’m Scheiß rumschlagen muss, komm ich doch nie voran.“ Also hängt er sich ein Schild um den Hals, an welcher Station er geweckt werden möchte, aber statt wachgerüttelt zu werden, wird ihm sein Wohnungsschlüssel geklaut. Beim dritten Versuch kauft er sich einen Wecker, dann ruft er zu Hause an und überredet den Einbrecher, doch zu Hause auf ihn zu warten, weil er ja sonst nicht in die Wohnung käme, und falls er was Wertvolles fände, wäre er auch bereit zu teilen. „Setzen Se schon mal nen Kaffee auf, ich bring Brötchen mit.“ „Na meinetwegen“, antwortet der Einbrecher, „dann is der Weg hierhin wenigstens nich janz umsonst jewesen, wa?“ Und tatsächlich. Diesmal klappt es: „Ein schönes Gefühl, von einer langen Reise nach Hause zu kommen, wenn man erwartet wird. Sogar den Wecker konnte ich am Schlesischen Tor noch einem jungen Mann aus Schöneberg verkaufen, der bereits seit mehreren Stunden auf der Ost-West-Trasse zwischen Krumme Lanke und Warschauer Straße hin- und herfuhr.“

Und das Schöne ist, dass dies nur eine von vielen großartig schrägen Geschichten ist, die auf bewundernswerte Weise gut geschrieben sind, mit einem Witz, dem man die Kneipenherkunft anmerkt, entstanden im Laufe langer durchzechter Nächte. Und dies ist ein Markenzeichen ganz besonderer Güte.

KLAUS BITTERMANN

Horst Evers: „Die Welt ist nicht immer Freitag“, Eichborn, Frankfurt a. M., 144 S., 12,95 €Ľ(Die Kolumne fällt heute mal aus.)

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