Waffendiskussion nach Amoklauf: Reflexhafte Debatte
In Washington erschießt ein Ex-Soldat zwölf Menschen. Doch im Streit um härtere Gesetze stehen sich Waffenfans und ihre Gegner unerbittlich gegenüber.
BERLIN taz | Der politische Reflex setzt ein, noch während die Polizei nach dem Blutbad auf dem Militärstützpunkt in Washington DC erste Ermittlungen aufnimmt: US-Präsident Barack Obama tritt vor die Presse und findet bedauernde Worte für die Toten und ihre Angehörigen und fordert die Politik auf, Wege zu finden, um künftig Massaker zu verhindern.
Doch in einem Land, in dem sich Waffengegner und ihre Befürworter unerbittlich gegenüberstehen, herrscht politischer Stillstand wenn es um die Debatte einer schärferen Waffengesetzgebung geht. Die letzte ernsthafte Initiative, halbautomatische Gewehre und Magazine mit mehr als zehn Patronen zu verbieten, scheiterte im April im Senat.
Diesem Scheitern war ein Amoklauf an einer Grundschule in Newtown, Connecticut, im Dezember 2012 vorausgegangen, bei dem Adam Lanza 27 Menschen und sich selbst tötete. Erstmals seit Jahren hatten die Waffengegner das Momentum auf ihrer Seite: die öffentliche Meinung war für striktere Waffengesetze – dennoch ließen sie sich politisch nicht durchsetzen.
Der Todesschütze Aaron Alexis befand sich vor seinem Amoklauf monatelang in psychiatrischer Behandlung. Der Mann habe unter einer ernsthaften Geisteskrankheit gelitten und „Stimmen gehört“, sagten Ermittler am Dienstag. (ap)
Den Waffenbefürwortern steht dabei mit der National Rifle Association (NRA) eine der mächtigsten und finanzkräftigsten Lobbyorganisationen im Land zur Seite. Mehr als vier Millionen Mitglieder füllen ihre Kriegskasse, allein im Jahr 2011 verzeichnete die NRA Einnahmen von 234 Millionen Dollar. Auch ihre Arbeit war es, die dazu führte, dass im April selbst demokratische Senatoren den Gesetzentwurf ablehnten.
Schwarz, im Militärstil, ein Kriegsgerät
In der Debatte wird das halbautomatische Gewehr „AR-15“ instrumentalisiert wie keine andere Waffe. Auch der Washingtoner Schütze Aaron Alexis war mit ihr bewaffnet. In den USA als „assault weapon“ bezeichnet – im Deutschen übersetzt mit Sturmgewehr – steht es für Waffengegner als Inbegriff einer tödlichen Industrie: schwarz, im Militärstil, ein Kriegsgerät. Waffenbefürworter argumentieren, dass „assault weapon“ ein politischer Begriff sei und ein Verbot auch halbautomatische Gewehre treffen würde, mit denen rechtschaffene Amerikaner auf die Jagd gingen.
In Amerikas Hauptstadt sind halbautomatische Gewehre wie das AR-15 verboten. Genau wie abgesägte Schrotflinten, Maschinengewehre und Gewehre mit kurzem Lauf. Dennoch war der Schütze in Washington mit einem AR-15, einer Flinte und einer halbautomatischen Pistole bewaffnet, als er 12 Menschen erschoss.
Die Waffengesetze regelt jeder Staat individuell, in der Hauptstadt sind sie so streng wie in kaum einem anderen Staat. Bis 2008 waren Handfeuerwaffen komplett verboten, eine Waffe in der Öffentlichkeit zu tragen ist ebenfalls nicht erlaubt. Waffenbesitzer müssen ihre Waffen bei der Polizei registrieren und einen Verlust melden. Vorstrafen, Drogenmissbrauch und psychische Probleme verhindern eine Registrierung.
Doch in anderen Staaten sehen diese Regelungen ganz anders aus, die Waffenbeschaffung ist einfach in den USA, wo Schätzungen zufolge zwischen 280 und 320 Millionen Waffen im Privatbesitz sind und der Schwarzmarkt floriert. Dianne Feinstein, die demokratische Senatorin, die die strengere Gesetzgebung nach dem Amoklauf von Newtown initiiert hatte, sagte am Montag nach der Tat in Washington: „Wann wird genug endlich genug sein, um den Kongress dazu zu bewegen, bei dem Thema Waffen zu handeln?“
Es ist schwer zu glauben, dass 12 tote Menschen auf einer Marinebasis mehr ausrichten können als 20 ermordete Kinder in einer Grundschule.
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