piwik no script img

Vor der "S21"-Volksabstimmung"Wir sind die Guten"

Die SPD hält in Baden-Württemberg am umstrittenen "S21"-Projekt in der Landeshauptstadt fest. Gegner und Befürworter bereiten sich deshalb akribisch auf das Plebiszit vor.

In Stuttgart gibt es auch viele aktive Befürworter für das Bahnhofsprojekt. Bild: dpa

STUTTGART taz | Energisch ruft Claus Schmiedel ins Mikrofon. "Wir trotzen den Gegnern von Stuttgart 21", versichert er den Menschen vor der Bühne. Dabei reißt er immer wieder die linke Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger nach oben. "Wir sind die Guten."

Schmiedel ist der Fraktionschef der Sozialdemokraten im baden-württembergischen Landtag. Und so etwas wie der koalitionsinterne Gegenspieler von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Beiden liegt das Bahnprojekt Stuttgart 21 gewissermaßen am Herzen - Winfried Hermann, weil er es unbedingt verhindern will, Claus Schmiedel, wer es unbedingt bauen lassen will.

Wenn es um den Bahnhof geht, ist Schmiedel der Opposition damit näher als dem eigenen Regierungspartner. Am vergangenen Samstag stand er denn auch Seite an Seite mit dem CDU-Landeschef Thomas Strobl auf der Bühne bei der Kundgebung pro S 21. Die Veranstaltung gab somit einen Vorgeschmack auf den nahenden Wahlkampf für die Volksabstimmung, die für Ende November geplant ist. Im Hintergrund laufen erste Überlegungen für die Kampagnen.

Große Koalition der Befürworter

Die Grünen planen - in Anlehnung an das Aktionsbündnis in Stuttgart -, ein landesweites Bündnis auf die Beine zu stellen. Daran dürften sich Organisationen wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) beteiligen.

Dem gegenüber steht eine "große Koalition" aus SPD, CDU und FDP. "Wir werden natürlich für S 21 werben, so wie es Claus Schmiedel am Samstag getan hat", sagt der Sprecher der Landes-SPD, Andreas Reißig. "In der Sache wird es zu deutlichen Worten kommen."

Dabei nimmt die SPD die Unterstützung anderer Parteien gerne an. "Wenn die CDU und FDP derselben Meinung sind, ist das gut so", sagt Reißig. Er will zwar nicht von einer Koalition reden, aber schon von einer "inhaltlichen Allianz".

Die CDU jedenfalls ist kampfbereit: "Sollte es zu einer Volksabstimmung kommen, werden wir als CDU selbstverständlich offensiv für unsere Position werben", sagte Strobl zur taz.

Grüne müssen politische Balance finden

Die Grünen wollen sich da nicht einmischen. "Jeder darf sich positionieren, wie er möchte - auch mit den Partnern, mit denen er möchte", sagt der Landeschef der Grünen, Chris Kühn. Klar ist für ihn ohnehin: Für die grün-rote Koalition werde die Volksabstimmung in Sachen Bahnhof "eine Kraftprobe". Und nicht nur das. Auch innerparteilich dürfte es einige Reibungspunkte geben. Die Grünen müssen eine Balance finden zwischen der Regierungsverantwortung und den Erwartungen des Aktionsbündnisses.

In der SPD wiederum gibt es trotz der offiziellen Parteilinie auch kritische Stimmen. Eine Mitglieder-Gruppe hat sich sogar dem Bündnis gegen S 21 angeschlossen. Andere unter den Sozialdemokraten fordern hingegen, sich in Bezug auf die anstehende Volksabstimmung als Partei einfach mal ganz zurückzunehmen. "Es geht jetzt darum, dass die Menschen sagen, was sie wollen", sagt der Kreisvorsitzende in Stuttgart, Dejan Perc. "In der Schlichtung hat sich gezeigt, was für und was gegen S 21 spricht. Die Leute sind mündig genug, sich selbst eine Meinung zu bilden."

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • PS
    Prof. Stefan Faiß

    Als Grüner finde ich es gut, dass sich die SPD für das ökologische Bahnprojekt Stuttgart 21 einsetzt. Hätten die Stuttgart 21 Nein-Sager in den vergangenen Jahrzehnten etwas zu sagen gehabt, hätten wir heute keine Schnellbahnstrecke Stuttgart-Mannheim, wären wir von Stuttgart aus nicht in 2 Stunden und 15 Minuten mit dem Zug in Köln, hätten wir heute keine U7 nach Ostfildern, keinen Fernsehturm und auch keinen Bonatzbau. Denn all diese Projekte waren hoch umstritten. Heute sind wir froh, dass der Fortschritt gesiegt hat. Bei Stuttgart 21 wird es ebenfalls so sein - auch dank des verdienstvollen Einsatzes der SPD.

  • D
    Denkender

    Geht es hier um Vernunft oder einfach nur ums Prinzip?

    Welcher vernünftige Mensch kann denn wirklich ernsthaft wollen, dass dieser hässliche Steinhaufen weiterhin Bestand hat ?

    Haben die Befürworter schon mal ernsthaft und neutral den Bahnhof in Augenschein genommen ? So viel "Saiddebacha" kann man gar nicht zwischen den Lidern verreiben, um es auch nur ansatzweise gut zu finden.

    Stuttgart ist Landeshauptstadt, schon vergessen ? Und nicht gerade die schönste, wenn man mal ehrlich ist.

    S21 hätte schon viel früher kommen müssen. Gegen das, was hier gerade diskutiert wird, war die heilige Inquisition ja ein Kinderfasching. Dass die Schwaben mitunter sehr anstrengend sein können, weiß die ganze Welt. Aber deswegen müssen sie sich doch nicht gleich zum globalen Hofnarren aufspielen.

  • PP
    Peter Pander

    Baut S21+!

     

    Die Nachfahren der S21-Gegner werden es zu schätzen wissen.

  • S
    Stuttgarter

    Ich habe es so satt weiterhin bunte Protest-Wattebällchen von links nach rechts zu rollen, während Funktionärsnasen, die bestens an dem Projekt verdienen, von Demokratie und Gott faseln.

     

    Ginge es nach Faktenlage, so wäre S21 bereits gestoppt. Wenn der S21-Protest mit vielen fiesen kleinen Tricks letztlich einfach ausgesessen wird, so wird das Folgen haben, politisch wie gesellschaftlich.

  • B2
    Bürger 21

    Problem ist, dass die Bürder eben nicht mündig genug sind. Die meißten Bürger in D sind Dummbeutel und wenn wir dann noch Volksabstimmungen einführen (solche die echt was kippen könnten wie in der Schweiz), haben wir ruckzuck Sachen wie die Todesstrafe nach dem nächsten Kindermord, komplettes VIdeospielverbot nach dem nächsten Amoklauf, nen Nationalstaat nach nem Terroranschlag oder kaputte Straßen, Schulden und ne scheiß Bildung wegen Steuersenkungen.

     

    Normalbürger können komplexe und zukunftsorientierte Projekte nicht überschauen - weshalb sie Vertreter wählen die das für sie tun. Demokratie.

     

    S21 ist ein gutes Projekt.

     

    Byebye

  • H
    Himugüegeli

    Ich weiss nicht ob "S21" was bringt, bin aber dafür dass es gebaut wird.

    Wenn sich die ewigen "Neinsager" hier durchsetzten, wird sich bald gar nichts mehr bewegen.

    Dann geht es schnurstraks zurück in die Steinzeit...

  • VK
    Volker Kraft

    Frau Leithold,

    Sie demonstrieren hier wunderbar Ihr neudeutsches Demokratieverständnis: Wer bei irgendeiner Demo am lautesten kräht, hat automatisch Recht. Ich schlage folgende Änderung unseres Grundgesetzes vor:

    Alle Parlamente werden ersatzlos aufgelöst. An die Stelle parlamentarischer und verwaltungsrechtlicher Entscheidungen tritt ab sofort die Volksentscheidung. Mindestens 2 Initiatoren können jederzeit einen Volksentscheid herbeiführen. Das Ergebnis des Volksentscheides ist bindend für die nächsten 100 Jahre, es sei denn, die Initiatoren selbst widersprechen. Diese haben das Recht, das Ergebnis in ihrem Sinne umzuinterpretieren oder aber einen neuen Volksentscheid zu beantragen. In derselben Sache dürfen bis zu 10 Volksentscheide beantragt werden. Liegt dann noch immer kein eindeutiges Ergebnis vor, hat der erste Initiator ein Letztendscheidungsrecht. Gerichtliche Überprüfung des Entscheidungsfindungsprozesses wird ausgeschlossen.

  • DK
    Daniel Kerner

    Brigitte Leithold, "zum Zahlenverständnis".

    So gesehen haben Sie Recht.

    Nur leider liegt der kausale Zusammenhang wo anderst.

    Das aber so wenige Befürworter da waren, heißt

    noch lange nichts.

    Sie schreiben doch auch keine Bewerbungen an eine Firma,

    wenn Sie den Arbeitsvertrag schon unterschrieben

    in der Tasche haben, oder?!

    Und genau deswegen waren so wenige auf der Veranstaltung,

    nicht weil es so wenige Befürworter gibt, sondern weil

    man nicht für etwas demonstriert, was schon längst beschlossene Sache ist.

  • H
    Hugo

    Genau, die S21-Befürworter sind die Guten und die Gegner und Pendler, die zukünftig teilweise 45 Minuten länger nach Stuttgart fahren werden, weil die neu organisierten Zulaufstrecken weniger Züge aufnehmen können, sind die Bösen. Lästiges Fahrgastpack! Sollen doch laufen, aber bitte trotzdem eine Fahrkarte kaufen.

  • V
    vic

    Schmiedel von der S21PD schleimt sich schon jetzt bei den Schwarzen und den Mächtigen im Lande BW ein - peinlich.

    Was allerdings die schreienden Fähnchenschwenker reitet, kann ich nur vermuten.

    Persönliche Vorteile?, Bargeld?, lebenslanger Sitzplatz mit Namensschild? Bahncard in Gold?

    Das wirklich Traurige daran:

    Die Handvoll Pro-Aktivisten werden mit dem Rest der Besserverdiener die "Volksabstimmung" gewinnen.

  • S
    Sozialdemokrat

    Ja, sehr "konsequent", wenn ein "S"PD-Finanz- und Wirtschaftsminister, zudem Landesvorsitzender, sogar nach dem inzwischen eindrucksvoll dokumentierten Kostenbetrug der Bahn an einem Wahnsinnsprojekt ohne jeden verkehrs- oder beschäftigungspolitischen Nutzen (siehe jüngste Studie des IMU-Instituts) festhält, dafür mit verheerender ökologischer Zerstörung und desaströsen Folgen für den Landeshaushalt, nur um Tunnelbohrern und Immobilienspekulanten die versprochenen, fetten Milliardengewinne in den Rachen zu schmeißen.

     

    Die Zeche zahlen am Ende sowieso die Steuerzahler und ganz besonders diejenigen, denen weiterhin die Zukunftsinvestitionen fehlen - siehe Bildung und Soziales.

     

    Ebenso "konsequent" ist es wohl, wenn jemand, der vor der Landtagswahl einen "echten Wechsel" propagiert hat, jetzt mit aller Macht das schwarz-gelbe Milliardengrab gegen das Gemeinwohl durchziehen will und Merkel, Ramsauer & Co. eine Steilvorlage nach der anderen liefert.

     

    Diese beeindruckende "Konsequenz" wurde in der neuesten Umfrage in BaWÜ ja schon mit einem Wert, der nochmals unter dem katastrophal schlechten Ergebnis bei der Landtagswahl liegt, belohnt. Also, nur weiter so, "S"PD - konsequent auf die 10%-Hürde zu!

  • R
    rheinelbe

    Die laute Minderheit

     

    Eine lautstarke Minderheit von ewigen Gegnern, die immer neue kostspielige Forderungen aufstellen, möchte als Mehrheit erscheinen - durchsichtig.

    Die Bahn hat natürlich das Baurecht, das sehr umfangreiche Verfahren ist demokratisch über viele Jahre abgehalten worden: Soll jetzt jede Woche ein steuerzahlergeldbezahlter sog. "Stresstest" stattfinden. Oder gleich zwei? Wie lange soll so ein Spielchen laufen? ...

     

    Die Grünen können ihre vollmundigen Wahlversprechen nicht einhalten: Sie sind hilflos.

    Die Stimmen haben sie ja schon ...

  • GS
    Gerhard Sachs

    Warum wird Stuttgart 21 eigentlich so gerne unter parteipolitischen Aspekten diskutiert. Und wenn etwas vor mehr als 10 Jahren Hals über Kopf beschlossen wurde und sich die Faktenlage anschliessend deutlich geändert hat, dann muß auch jede Partei neu nachdenken. Das hat die Parteibasis der SPD bei der Wahl von Herrn Dejan Perc ja auch getan, die Parteispitze hatte statt dessen versucht ihren S21 Befürworter durchzudrücken.

  • J
    jan

    Gott, diese SPD...zuerst gibt sie den Sozialnoske mit der Agenda und jetzt den Büttel gegen mehr Souveränität des Souveräns, des Bürgers.

     

    WER wählt denn noch sowas???????????

  • NP
    Nina Picasso

    Blöd ist nur,dass die SPD-Basis nicht gehört wird.

     

    http://21einundzwanzig.de/351/spd-basis-will-mitgliederbefragung-uber-s-21-erzwingen

     

    Es sind die Fraktionsoberen,die das Ding durchsetzen wollen. Es interessiert die Fraktionsoberen nicht,ob die Zahlungen vom Land und der Stadt Stuttgart an die Bahn überhaupt verfassungsgemäß sind - sie lassen es gerichtlich nicht klären. Sie interessiert auch nicht,dass S21 gar nicht dass versprochene Jobwunder bringt. Sie interessiert auch nicht, dass trotzdem sie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, es keinen integralen Taktverkehr mit Stuttgart 21 geben wird usw,usw,usw.

     

    Soviel zum Thema Integrität der SPD. Von der Basis glaube ich das noch viel eher-die oberen Genossen haben die Menschen verloren, schlimmer noch-sie treten sie mit Füßen!

  • F
    Frank

    @ Brigitte Leithold: Ja, die kleinsten Klaeffer bellen am lautesten. Die Befuerworter von S21 brauchen das ganze Theater auf den Strassen nicht. Uebrigens will die Mehrheit der Baden-Wuerttemberger S21 und in Stuttgart ist die Mehrheit sogar noch groesser, das sagen alle Umfragen. Man sollte doch endlich mal aufhoeren, gegen Windmuehlen zu kaempfen. S21 kommt und das ist auch gut so!!!

  • B
    Basisdemokrat

    Ich verstehe auch nicht warum so auf die SPD rumgehackt wird. Die stehen zu ihrem Wort! Wenn die jetzt auf einmal gegen S21 wären wäre das Verrat am Wähler!

  • A
    Alina

    Zu dieser seit Wochen beworbenen Grosskundgebung

    erschienen gerade einmal 150 Menschen.....

    (Quelle:dapd und eigene Beobachtung online auf cams21)

  • BL
    Brigitte Leithold

    Zum Zahlenverhältnis: 150 bei der massivst beworbenen gestrigen "S21-kommt"-Kundgebung voller Politprominenz, und seit über einem Jahr 1-2mal wöchentlich Tausende bei den Veranstaltungen der K21-Kopfbahnhofverteidiger.

    Zur SPD-Führung in Baden-Württemberg: Dass ausgerechnet der Vorsitzende der SPD-Regierungsfraktion, Herr Schmiedel, gestern lautstark beschwor, Gottes Segen ruhe auf dem Immobilienspekulantenprojekt S21 - bin gespannt, was die SPD-Basis davon hält! Argumente konnte Schmiedel leider nicht bringen, selbst die Arbeitsplatzlüge ist ja inzwischen aufgeflogen.

  • K
    Konsequent

    Die SPD war vor der Wahl für S21 und für eine Volksabstimmung - an deren Ergebnis sie sich halten will. Ihre handlungsweise ist also transparent und konsequent, auch die GRÜNEN und die S21 Gegner kannten sie. Gibt es da irgendwo ein Problem?

    Probleme haben da eher die GRÜNEN, die vor der Wahl gegen S21 waren und für eine Abstimmung. Nach der Wahl haben sie dann die Verfassung gelesen und finden jetzt eine Volksabstimmung gar nicht mehr so toll.Und ob sie sich an des Ergebnis halten wenns nicht passt? Oder macht man es wie auf manchen GRÜNEN-Parteitagen, auf denen so lange abgestimmt wurde bis das Ergebnis endlich passte. Das ist Basisdemokratie a la GRÜN!