Untersuchungskommission in Zypern: Kapitalflucht mit politischer Hilfe?
Geschenkte Kredite und Bargeld-Schmuggel: In Zypern soll nun eine Untersuchungskommission klären, wer sich an der Krise bereichert hat.
BERLIN taz | Mindestens drei Personen hat es schon erwischt. Sie wurden auf dem zyprischen Flughafen Larnaka vom Zoll angehalten. Im Gepäck: Mehrere hunderttausend Euro. Einer der Männer soll versucht haben, allein 420.000 Euro in Scheinen ins Ausland zu bringen.
Seit der letzten Woche dürfen Reisende nur noch 1.000 Euro in bar mitnehmen. Die Polizei hat ihr Personal auf Flughäfen und Häfen aufgestockt. Ziel der Operation ist es, Bankkunden daran zu hindern, ihr eigenes Konto abzuräumen. Denn in diesem Fall droht eine Insolvenz nicht nur der zweitgrößten Laiki Bank, deren Auflösung beschlossene Sache ist, sondern auch des größten Kreditinstituts, der Bank of Cyprus.
Um ganz andere Summen aber geht es bei der Aufklärung von Ungereimtheiten und möglichen Skandalen im Vorfeld. Fast zwei Wochen lang waren alle Banken geschlossen, bis sich Zypern mit der EU über die Bedingungen für einen Rettungskredit geeinigt hatte. Bis zu 60 Prozent von größeren Einlagen gelten als verloren.
Was aber geschah kurz vor und während der Bankenschließung? Das soll eine Untersuchungskommission aus drei ehemaligen Verfassungsrichtern aufklären, die in dieser Woche ihre Arbeit aufnahm. Zugleich warten Medien mit immer neuen Enthüllungen über das Geschäftsgebaren zyprischer Politiker auf.
Verzicht auf Rückzahlung
Erstes Opfer wurde Finanzminister Michalis Sarris. Der nahm am Dienstag seinen Hut, um nach eigener Aussage den Untersuchungen nicht im Wege zu stehen. Sarris war vor seinem Regierungsjob Chef der Pleitebank Laiki, deren Geschäftsgebaren einige Merkwürdigkeiten aufweist. So schrieb das Geldinstitut immer wieder bereitwillig Kredite ab und verzichtete damit auf deren Rückzahlung.
Zu den Begünstigten zählte nach einem Zeitungsbericht der ehemalige Präsident Georgios Vassiliou, der 5,8 Millionen Euro einsparte, die linke Gewerkschaft PEO, der drei Millionen erlassen wurden, und diverse Parlamentsabgeordnete von links bis rechts. Alle Beteiligten beteuerten ihre Unschuld.
Weiterhin ist ungeklärt, wieso die Europäische Zentralbank (EZB) die Laiki Bank bis kurz vor Schluss mit über 9 Milliarden Euro Nothilfekrediten unterstützte, obwohl da schon absehbar war, dass das Institut vor der Pleite stand. Die Riesensumme belastet nun die Bank of Cyprus, die die „guten“ Reste von Laiki übernehmen muss. Ein Banker, der anonym bleiben wollte, sagte der taz, der Chef der zyprischen Zentralbank, Panikos Demetriades, habe die EZB mit gefälschten Zahlen gefüttert.
Zudem ist rätselhaft, weshalb Filialen der Laiki und der Bank of Cyprus in London und Moskau geöffnet blieben, während jeder Zyprer daheim vor verschlossenen Türen stand. So sollen über das Ausland hohe Summen abgehoben worden sein – ohne irgendwelche Einbußen.
Ein vierter ungeklärter Komplex
Schließlich geriet auch der konservative Präsident Nikos Anastasiades unter Feuer. Dabei geht es um den vierten ungeklärten Komplex: Gab es kurz vor der Bankenschließung undichte Stellen in der Regierung, die ihre Freunde vor der bevorstehenden Bankpleite warnten? Jedenfalls zog die Firma des Schwiegersohns von Anastasiades quasi in letzter Minute 21 Millionen Euro aus Zypern ab und transferierte das Geld nach London – angeblich für das Bieterverfahren um ein Grundstück.
Die involvierte Firma Loutsios und Söhne bestätigte den Vorgang, erklärte aber, er hätte nichts mit der Bankenpleite zu tun. Anastasiades selbst sagte, er habe gar nicht wissen können, dass die EU Zypern zwingen würde, die Bank abzuwickeln.
So entwickelt sich eine politische Schlammschlacht. Die Vorwürfe gegen Anastasiades stammen aus der Zeitung der linken Akel-Partei, Haraghwi. Der Präsident warf seinerseits den Linken vor, während ihrer Regierungszeit die drohende Pleite systematisch verschleiert zu haben.
Die Schuldfrage droht Zyperns Politik lahmzulegen. Die Idee, angesichts der Krise eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, hat wenig Chancen. Während Zehntausende Jobs in Gefahr sind, tobt ein Streit um die Deutungshoheit des Desasters.
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