Das war die US-Wahlnacht auf taz.de: It might be a Trump
Unsere ExpertInnen glauben nicht mehr an ein Wunder. Sie rechnen mit einem künftigen US-Präsidenten Donald Trump.
Das war die Wahlnacht im Liveticker. Weiter geht es hier.
Europa muss erwachsen werden
Montana, 7:41 (MEZ): Henriette Löwisch macht sich Gedanken darüber, was ein Trump-Sieg nun für uns bedeuten könnte: Was heißt ein Trump-Sieg für Europa? Die 270 waren noch nicht voll, da wussten die Schlauschwätzer (und die Märkte) schon, das US-Wahlergebnis ist schlecht fürs Geschäft, und also auch für die Europäer. Mir dagegen fallen dazu zwei Äußerungen ein, die bereits vor dem Wahlabend veröffentlicht wurden. Die eine stammt von Slavoj Zizek, der in einem TV-Interview mit Channel 4 sinngemäß sagte, er würde Trump wählen, weil er sich von dessen Sieg ein großes Erwachen der Linken erhoffe. Ganz ähnlich Ed West im Spectator, einem konservativen, britischen Magazin, der darauf setzte, dass die Europäer im Fall eines Trump-Sieges endlich erwachsen würden. Vielleicht entwickelt sich hier ja eine interessante Koalition, die sich weigert, den USA ins populistische Kaninchenloch zu folgen?
Republikaner im Kongress in der Mehrheit
Washington, 7.09 Uhr (MEZ): In den USA werden die Republikaner nach Medienberichten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus halten und damit ihre seit sechs Jahren andauernde Dominanz in der Kammer fortsetzen. Zudem seien sie auf dem Weg, ihre Mehrheit im Senat zu verteidigen, berichten mehrere US-TV-Sender übereinstimmend.
Im Senat gelang es den Demokraten von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zunächst nur, den Republikanern von Herausforderer Donald Trump einen Sitz abzunehmen. Für eine Senats-Mehrheit müssten die Demokraten den Republikanern jedoch fünf Sitze abnehmen. Das Unterhaus des Kongresses hat die Vorhand bei Haushaltsfragen, für Gesetze ist die Zustimmung beider Kammern erforderlich. (rtr)
Ein Wunder? Vermutlich nicht
Berlin, 6.46 Uhr: Bettina Gaus und Bernd Pickert teilen ihre finale Einschätzung zum US-Präsidentschaftsrennen mit. Sie sehen schwarz.
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Bettina Gaus: Das war eine lange Nacht, und natürlich können immer noch Wunder geschehen. Aber ich neige nicht dazu, an Wunder zu glauben. Was meinst Du?
Bernd Pickert: Clinton müsste Pennsylvania, Michigan und Wisconsin gewinnen. Nevada hat sie jetzt gewonnen, dann käme es auf New Hampshire nicht mehr an. Aber nein, ich glaube nicht mehr dran.
Bettina Gaus: Noch nie habe ich eine Wette so ungern gewonnen wie diese. Aber da die Dinge nun einmal so sind wie sie sind, will ich mich auf das gemeinsame Abendessen wenigstens freuen. Schon eine Idee, wohin wir gehen?
Bernd Pickert: Im Moment wär mir nach Curry 36 mit ner Flasche Wodka auf dem Tisch.
Bettina Gaus: Na, dann hoffe ich, dass Dich in den nächsten Tagen der Galgenhumor erreicht und zu einer anderen Wahl führt.
Bernd Pickert: Wenn letzteres ginge, würde ich noch viel lieber das Essen zahlen.
Nevada für Clinton
Washington, 6.33 Uhr (MEZ): Clinton ist nach Berechnungen der Agentur AP Sieger im Bundesstaat Nevada. Fox ist zugleich weiterhin der einzige Sender, der Trump als Sieger in dem für Clinton wichtigen Staat Wisconsin sieht. (rtr)
Raus aus den USA
Berlin, 6.25 Uhr: Was tun, wenn Trump Präsident wird? Wer überlegt, nach Kanada zu migrieren, muss sich wohl an einem anderen Tag informieren. Durch zu hohe Zugriffszahlen sind Informationsseiten wie cic.gc.ca/english und immigration.ca momentan nicht zu erreichen. (sb)
Kalifornien, der Pflichtsieg
New York, 6.21 Uhr (MEZ): Barbara Junge berichtet: Als Clintons Sieg in Kalifornien verkündet wird, brandet für einen Moment Jubel vor der Halle auf. Aber von der „she will win“-Stimmung, die hier noch vor einer Stunde geherrscht hat, ist nichts mehr zu spüren. Kalifornien war ein Pflichtsieg. Alles andere spricht für Trump.
Die Symbolik hinter den politischen Forderungen
Berlin, 6.11 Uhr: Nuklearwaffen einsetzen, Einreiseverbote, Mauerbau. Was sind die Politikvorschläge Trumps? Bettina Gaus und Bernd Pickert diskutieren.
Bernd Pickert: Jon King auf CNN versucht es immer noch spannend zu machen und redet sich von County zu County. Ich sehe keine wirkliche Option mehr für einen Clinton-Sieg und versuche gerade, mir jetzt wirklich eine Trump-Präsidentschaft vorzustellen. Das fällt verdammt schwer, nicht nur emotional, sondern auch, weil er unglaublich wenige konkrete Politikvorschläge geäußert hat.
Bettina Gaus: Ach, ich finde, er hat eine ganze Menge vorgeschlagen: Kündigung internationaler Handelsverträge, Einsatz von Nuklearwaffen, wenn ihn jemand ärgert, Einreiseverbot für Muslime, Mauer an der Grenze zu Mexiko, Schleifen von Obamacare. Damit hat er doch erstmal eine zeitlang zu tun.
In New York: Barbara Junge, Dorothea Hahn
In Missoula, Montana: Henriette Löwisch
In Berlin: Jürn Kruse, Leonie Schlick, Marlene Halser
Bei taz.de in der Rudi-Dutschke-Straße: Belinda Grasnick, Bernd Pickert, Bettina Gaus, Gereon Asmuth, Katrin Gottschalk, Svenja Bednarczyk und Verena Schneider
Bernd Pickert: Ich frag mich, was davon ich glauben soll. Dass er an Obamacare rangehen will, glaube ich, und wenn er die Kongressmehrheit hat, kann er das sogar tun. Nuklearwaffen mag ich nicht glauben. Mauer zu Mexiko auch nicht in der Form, in der es vorgeschlagen hat. Selbst wenn das seine allererste Wahlaussage war. Und: Was würde all das seinen Wählern bringen?
Bettina Gaus: Symbolik spielt eine große Rolle. Nein, ich denke auch nicht, dass er alles einfach umsetzen kann. An manchen Stellen verhindert das sogar die Verfassung. Aber er kann eine Stimmung, ein Klima erzeugen, in dem Misstrauen, sogar Hass zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen herrscht. Und internationale Handelsbeziehungen beschädigt man schnell. Was man übrigens erwähnen sollte: TTIP dürfte sich erledigt haben.
Bernd Pickert: Stimmt. Aber es gibt ein paar Dinge, mit denen er sich gleich beschäftigen muss und zu denen er sich vollkommen widersprüchliches geäußert hat. Er will den Haushalt sanieren, die Schulden abbauen, gleichzeitig den Militäretat erhöhen, den Sequester (also die automatischen Budgetkürzungen) abschaffen und die Steuern senken. Zusammen geht das nicht.
Bettina Gaus: Oh, ich wollte nicht den Eindruck erwecken, ich hielte sein Programm für konzise, rational und logisch. Wahrlich nicht. Aber ich fürchte: Eine Ahnung, wohin die Reise gehen soll, haben wir.
Georgia geht an Trump
Washington, 5.50 Uhr (MEZ): Donald Trump gewinnt laut der Nachrichtenagentur AP auch den Staat Georgia, in dem es 16 Wahlmänner zu holen gab. Damit liegt er bereits bei 232 der nötigen 270 Wahlmännerstimmen, seine demokratische Rivalin Hillary Clinton kommt zu diesem Zeitpunkt auf 209. (ap)
Die Amerikaner verstehen
Berlin, 5.45 Uhr: Wenn die Deutschen über „die Amerikaner“ sprechen und darüber, wie bescheuert diese Idioten seien, Trump zu wählen, dann sagt unsere Autorin Paulina Unfried: „Ihr versteht das nicht.“ Mit 17 landet sie zum Schulaustausch in Minnesota und lernt die Trump-Anhänger kennen. Ihre Geschichte gibt es hier.
Trump gewinnt in Iowa
Washington, 5.41 Uhr (MEZ): Trump hat Fox und NBC zufolge auch Iowa gewonnen. Experten hatten diesen Bundesstaat zusammen mit Ohio, Florida und North Carolina als „Must Win“-Staaten des Republikaners bezeichnet, die er gewinnen müsse, um eine Siegeschance zu haben. Er hätte damit alle vier gewonnen. (rtr)
Hillary Clinton erringt Sieg in Washington
Washington, 5.37 Uhr (MEZ): Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat sich erwartungsgemäß auch den Bundesstaat Washington gesichert, schreibt die Nachrichtenagentur AP. Dafür erhält sie zwölf Wahlmännerstimmen. Fox sieht Trump als Sieger in dem wichtigen Bundesstaat Wisconsin, wo eher ein Sieg von Clinton erwartet worden war. (ap/rtr)
Nicht nur Abgehängte unterstützen Trump
Berlin 5.33 Uhr: Bettina Gaus und Bernd Pickert diskutieren, weshalb so viele Menschen Trump unterstützen.
Bettina Gaus: Jetzt starren wir auf Michigan und Wisconsin. Hättest Du das für möglich gehalten?
Bernd Pickert: Da ich zugegebenermaßen monatelang auf Umfragen gestarrt habe, eigentlich nicht. Ich frage mich nur warum, denn eigentlich sind das natürlich, wie uns Michael Moore immer wieder erklärt hat, zwei Staaten, die völlig in Trumps Narrativ fallen. Globalisierungsverlierer, vom Establishment allein gelassen, usw.
Bettina Gaus: Ja, stimmt. Und so abscheulich das alles ist: Der mutmaßliche Ausgang der Wahl bedeutet nicht, dass die Amis doof sind, sondern dass die Arroganz der Macht, die gerade Trumps Anhänger Hillary Clinton und anderen vorwerfen, dazu geführt hat, dass sie sich einfach nicht genug um diese Leute gekümmert hat. Ach, wenn die Demokraten doch Bernie Sanders nominiert hätten!
Bernd Pickert: Der hatte beide Staaten in den Vorwahlen gegen Clinton gewonnen, das stimmt. Eins ist allerdings zu bedenken: Auch Menschen, denen es wirklich schlecht geht, müssen deshalb nicht zwangsläufig für einen narzisstischen Rassisten stimmen.
Bettina Gaus: Nein, müssen sie nicht und hätten sie auch nicht tun sollen. Aber man kann es nicht oft genug sagen: Es sind nicht nur die Ärmsten der Armen und die Abgehängten, die Trump unterstützen. Es sind auch viele Akademiker, gerade in Kleinstädten, die das durchaus berechtigte Gefühl haben, dass ihnen infolge der Globalisierung die Kontrolle entgleitet, die sie früher über ihre unmittelbaren Lebensumstände hatten. Ja, Trump ist ein Rassist, ein Sexist und vermutlich psychisch nicht gesund. Aber nicht alle US-Amerikaner, die Isolationismus für eine gute Idee halten, spinnen. Auch, wenn ich die Position für falsch halte.
Bernd Pickert: Gerade diejenigen, die weder ungebildet noch arm sind und trotzdem für jemanden wie Trump stimmen, mag ich noch weniger vestehen.
Bettina Gaus: Magst Du nicht oder kannst Du nicht?
Bernd Pickert: Ich kann eher als das ich mag. Oder anders gesagt: Ich kann mir das erklären, es aber nicht akzeptieren. Wir haben hier ja die gleiche Debatte in Bezug auf AfD-Wähler. Es muss doch darum gehen, die Menschen zu akzeptieren, die Message aber zurückzuweisen.
Nichts zu lachen
Berlin, 5.19 Uhr: Leonie Schlick sucht am Wahlabend im Comedy Café Unterhaltung, doch die ist nun vorbei: Hier sind alle relativ ungläubig und geknickt. Witze wollte keiner mehr erzählen, die Stimmung scheint allen ziemlich vergangen zu sein. Bis etwa 3 Uhr sah das noch anders aus. Wird im NBC-Livestream Hillary gezeigt, bricht Jubel aus. Trump dagegen erntet kollektive Buhrufe. Trevor Silverstein, Comedian, sagt nun: „Das fühlt sich nicht gut an. Da gibt es nicht viel zu feiern. Ich bin zwar immer noch hoffnungsvoll, aber definitiv auch sehr nervös.“
Kalifornien, Hawaii und Oregon für Clinton
Washington, 5.16 Uhr (MEZ): Hillary Clinton hat die Staaten Kalifornien, Hawaii und Oregon gewonnen. Ihr Rivale Donald Trump siegte in Idaho. Mit diesen Resultaten war gerechnet worden. Im Rennen um die entscheidenden 270 Wahlmännerstimmen steht es damit aus Clintons Sicht 197 zu 201. (ap)
North Carolina geht an Trump
Washington, 5.12 Uhr (MEZ): Donald Trump hat im Rennen um das Weiße Haus nach Vorhersagen der Sender NBC und CBS den wichtigen „Swing State“ North Carolina mit seinen 15 Wahlmännern gewonnen. Der Sieg in dem Südstaat ist für den Republikaner mitentscheidend, um seine überraschend starke Position gegen Hillary Clinton auszubauen. (dpa)
Trump holt Florida
Washington, 5.03 Uhr (MEZ): Donald Trump setzt sich Hochrechnungen zufolge im Bundesstaat Florida gegen seine demokratische Rivalin Hillary Clinton durch, wie die Nachrichtenagentur AP meldet. Dort gab es 29 Wahlleute zu gewinnen, deren Gesamtanzahl am Ende darüber entscheidet, wer Nachfolger von Präsident Barack Obama wird. Der „Sonnenschein-Staat“ war bis zum Schluss hart umkämpft. Für Trump galt er als Pflicht-Sieg. (rtr)
Ist das der Brexit-Moment dieser Wahl?
Berlin, 4.54 Uhr: Die Stimmung in der Redaktion wird düster. Bettina Gaus und Bernd Pickert sprechen darüber, ob noch Hoffnung auf ein Aufholen Hillary Clintons besteht.
Bettina Gaus: Irre ich mich oder verstummen wir allmählich? Starr vor Schreck?
Bernd Pickert: Auf der Suche nach Strohhalmen. In Wisconsin und Michigan könnte noch was gehen. Ich will das noch nicht glauben.
Bettina Gaus: Eine Freundin in New York mit der ich gerade kurz gechattet habe, verweist darauf, dass in Kalifornien 55 Stimmen der Wahlleute zu gewinnen sind. Das ist wahr. Aber leider waren die bei Clinton ja immer schon eingepreist.
Bernd Pickert: Ist das jetzt doch ein Brexit-Moment? Nicht wirklich, oder? Die Umfragen waren seit dem FBI-Brief extrem eng.
Bettina Gaus: Es sieht trotzdem nach einem möglichen Brexit-Moment aus. Ja, die Umfragen waren im Detail eng, aber die Prognosen, wer am Ende gewinnen wird, haben alle Clinton sehr, sehr deutlich vorne gesehen. Ich glaube, es war die Huffington Post, die Clintons Chancen irgendwo bei über 90 Prozent veortete und Trump entsprechend deutlich unter zehn. Wenn das kein Brexit-Moment ist, dann weiß ich nicht, was einer ist.
Bernd Pickert: Ich hab es eher mit Nate Silver und seinem 538-Blog gehalten. Der sah Clintons Chancen zwischenzeitig bei über 80 Porzent, war aber am Ende auf knapp über 60 runter.
Bettina Gaus: Ja, aber knapp über 60 würde uns ja reichen. Auch danach sieht es derzeit nicht aus.
Bernd Pickert: Wohl wahr. Waren also die Umfragen falsch oder haben wir sie falsch interpretiert, weil wir das gern so wollten?
Bettina Gaus: Nein, ich glaube, sie waren falsch. Und es ist offenbar an der Zeit, diese ganze Wissenschaft der Umfragen neu zu justieren. Ich bin keine Statistikerin und ich verstehe nur wenig davon, wie Umfrageergebnisse entstehen. Aber offensichtlich hat diese Wissenschaft mit der Entwicklung neuer Medien und Kommunikationsformen nicht Schritt gehalten. Was ein wunderbar beruhigend nüchternes, rationales Thema ist. Im Unterschied zu dem Wahlergebnis, das sich abzeichnet.
Wie die Trump-Fans feiern
New York, 4.48 Uhr (MEZ): Minutenlange Hochrufe auf Ohio in der Turnmill Bar in Downtown Manhattan, wo die „Young Republicans“ den Wahlabend verbringen. „Es sieht gut aus für uns“, sagt die Trump-Anhängerin neben mir. Dann stimmt sie wieder ein in die USA-Rufe der Barbesucher. Während eine Schauspielerin aus Texas erklärt, warum Präsident Obama ein Kommunist ist, platzt die Nachricht aus North Carolina rein. Dieses Mal skandiert die Menge „Donald Trump“. Die in diesen Kreisen verhasste New York Times gibt die Siegeswahrscheinlichkeit von Trump jetzt mit 94 Prozent an. (dora)
Clinton holt Virginia
Washington, 4.34 Uhr (MEZ): Hillary Clinton hat nach Vorhersage der Sender Fox News und NBC den Bundesstaat Virginia und damit 13 weitere Wahlmänner gewonnen. Die Demokratin braucht den Staat dringend, um sich ihre Gewinnchance gegen Donald Trump zu erhalten. (dpa)
Trump gewinnt Ohio
Washington, 4.29 Uhr (MEZ): Donald Trump hat nach Vorhersagen der Sender NBC und ABC den Bundesstaat Ohio gewonnen. Der Republikaner hatte in dem wichtigen „Swing State“ – also Wechselwählerstaat – auch in den Umfragen vor der Wahl vorn gelegen. (dpa)
Michael Moore zum „Dinosaurier“ Trump
Missoula, Montana, 3.56 Uhr (MEZ): Henriette Löwisch guckt fern: Grade kam der sozialkritische Filmemacher Michael Moore (Roger&Me, Bowling for Colombine, Fahrenheit 9/11) auf NBC. Er sagt, er habe die Clinton-Leute davor gewarnt, Trump in Bundesstaaten wie Michigan, Ohio, Pennsylvania zu unterschätzen, wo viele weiße Wähler gut bezahlte Jobs in den alten Industrien verloren haben. „Sie sind einem Trickkünstler auf den Leim gegangen,“ sagt Moore. „Dabei ist er doch ein aussterbender Dinosaurier.“ Ja, nur wird Trump halt von Leuten gewählt, die selbst fürchten, dass ihnen das Schicksal der Dinosaurier droht. Oder die es bereits erlitten haben.
Wie wäre eine Welt mit dem Präsidenten Trump?
Berlin, 4.17 Uhr: Unsere ExpertInnen diskutieren das Szenario eines Trump-Sieges.
Bernd Pickert: Wollen wir langsam über eine kommende Trump-Präsidentschaft diskutieren?
Bettina Gaus: Du hast wirklich ein Talent, Leute am frühen Morgen aufzumuntern. Aber ja, es wäre jedenfalls nicht absurd. Pathetische Frage, aber ernst gemeint: Wenn er es wird, wird die Welt sich dann rasanter verändern als wir uns das jetzt noch vorstellen können? Oder funktionieren die checks and balances?
Bernd Pickert: Die US-Regierung hat Checks and Balances, die Welt eher nicht. Im Ernst: Das eine ist, was er tatsächlich in den USA alles ändern kann und wird. Und das wird nicht ganz einfach, weil er schon erfahrene Leute braucht, um die gut 8.000 Stellen zu besetzen, die beim Regierungswechsel frei werden. Aber was setzt so ein Sieg für ein Zeichen für die Ukips, Front Nationals und AfDs dieser Welt? Da wird mir ein bisschen schlecht.
Bettina Gaus: Ja, mir auch. Aber das ist die Sorge für morgen oder sogar übermorgen. Ich bin leider nicht mal sicher, dass er für Schlüsselpositionen auf erfahrene Leute setzen wird. Falls er tatsächlich gewinnt, dann kann er mit Recht sagen, dass ihm das gelungen ist, obwohl oder weil er gegen erfahrene Leute gehandelt hat. Wenn er sich so auch im Hinblick auf internationale Beziehungen verhält, dann wird es lustig.
Bernd Pickert: Lustig eher nicht, glaube ich.
Bettina Gaus: Das war ironisch.
Bernd Pickert: Ach. Aber tatsächlich: Einen Wahlkampf zu gewinnen ist das eine, zu regieren das andere. Warum musste denn etwa Obama, der ja auch alles ändern wollte, auf so unglaublich viele Clinton-Leute zurückgreifen?
Bettina Gaus: Obama hat politische Erfahrung nie verachtet, er war ja auch selbst Politiker. Im Unterschied zu Trump. Und Obama hat zwar den Eindruck erweckt, zu ganz neuen Ufern aufbrechen zu können, aber er hat das nicht mit Verachtung des gesamten Establishments und des Systems verbunden. Nein, ich traue mir wirklich kein Urteil zu, wen Trump in ein Amt berufen würde. Ich kann nur sagen: Ich bin hinsichtlich der Weisheit seiner Entscheidungen da nicht optimistisch.
Bernd Pickert: Übrigens: Wo möchtest du essen?
Auf der Straße für Clinton
New York, 3.51 Uhr (MEZ): Barbara Junge beobachtet in der City: Ein paar Tausend Menschen skandieren bei einer organisierten Blockparty vor dem Convention Center: „I believe that she will win.“
Obama meldet sich per Video zu Wort
Berlin, 3.56 Uhr: Auch Amtsinhaber Barack Obama meldet sich am Wahltag zu Wort. Es war ein stressiger und zuweilen einfach nur merkwürdiger Wahlkampf für alle, sagt er in einem Video, das Buzzfeed twittert. „Obwohl Fortschritt nicht garantiert werden kann, hat jeder die Macht, seinen Weg zu wählen. Nicht nur in Nächten wie dieser, sondern jeden Tag“, sagt Obama. Er hält die Wähler*innen dazu an, nicht nur für Präsidentschaftskandidat*innen abzustimmen, sondern auch für den Kongress und das Rathaus. Dabei sollen sie sich gut über die Probleme informieren, die sie betreffen, und sich gegenseitig nicht nur als Republikaner*innen und Demokrat*innen, sondern als Amerikaner*innen sehen. „Sich gegenseitig mit Respekt, Empathie und Verwandtschaft zu behandeln“, das wünscht sich Obama. Online und offline. (bg)
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Zwischenzeitlicher Vorsprung für Trump
Washington, 3.48 Uhr (MEZ): Donald Trump überholt dank der Staaten im Mittleren Westen der USA zwischenzeitlich Hillary Clinton: Dem Republikaner wurden inzwischen 128 Wahlleute aus 15 Staaten zugesprochen, Clinton kommt auf 97 Wahlleute aus 8 Staaten und aus Washington DC.. Ein solcher Vorsprung war um diese Zeit erwartet worden. Alle Augen richten sich derzeit auf einige besonders umkämpfte Staaten: In Ohio, Florida und North Carolina führt Trump knapp. Er braucht alle drei Staaten dringend. In Clintons Strategie waren es keine zwingend notwendigen Siege – allerdings würde ihr landesweiter Wahlleute-Vorsprung durch Niederlagen dort gefährlich klein. In North Carolina mit 15 Wahlleuten lag sie nach 71 Prozent der Auszählung rund 0,6 Prozentpunkte hinter Trump. In Ohio waren es sogar fast 6 Prozentpunkte, allerdings nachdem erst 46 Prozent der Stimmen erfasst wurden. In Florida sind 93 Prozent der Stimmen ausgezählt, Trump führt mit 120 000 Stimmen Vorsprung. Er kommt auf 49,2 Prozent, sie auf 47,7 Prozent. Um 03.00 Uhr deutscher Zeit schlossen die Wahllokale in 14 weiteren Bundesstaaten, in 40 der 50 Staaten sind die Wahlen inzwischen vorüber. (dpa)
Der Dritte im Rennen
Berlin, 3.42 Uhr: Evan McMullin sieht sich als konservative Alternative. Umfragen für den Bundesstaat Utah sehen ihn inzwischen bei 30 Prozent der Stimmen – gleichauf mit Trump. So könnte er Präsident werden: Holt er Wahltag die Mehrheit in Utah, bekommt er die dortigen sechs Wahlmännerstimmen. Und falls weder Clinton noch Trump auf die notwendige Mehrheit von 270 Stimmen im Wahlmännergremium kommen, muss laut Verfassung das Abgeordnetenhaus die Hängepartie entscheiden. Dort haben die Republikaner die Mehrheit. Mehr lesen Sie hier.
Die US-Wahlen und die Bedeutung der Geschlechter
Berlin, 3.35 Uhr: Bettina Gaus und Bernd Pickert diskutieren über Hillary Clintons Ehrgeiz und die Frage, inwieweit die Geschlechterfrage entscheidend ist.
Bettina Gaus: Ich wünsche mir zwar aus politischen Gründen, dass Hillary Clinton gewinnt, aber ich habe sie immer sehr unsympathisch gefunden. Und trotzdem: Falls sie tatsächlich verlieren sollte, dann würde die mir einfach, ganz unpolitisch, ganz emotional, sehr leid tun. Sie hat so viel in ihrem Leben aufgegeben für dieses eine große Ziel.
Amerika-Redakteur Bernd Pickert und taz-Autorin und USA-Kennerin Bettina Gaus haben im Sommer auf den Wahlausgang gewettet. Am Wahltag sind sie in der taz, verfolgen das Rennen und lassen uns an ihren Gesprächen und Einschätzungen teilhaben.
Bernd Pickert: Ach je, ja nu. Stimmt. Aber ganz ehrlich: Das interessiert mich im Moment einen feuchten.... Der Punkt ist, dass wir jetzt gerade in einer ganz blöden Phase der Nacht sind, wo wieder klar wird, wie dermaßen eng das alles ist. Vorhin haben wir noch gedacht, dass es doch einen Erdrutschsieg für Clinton geben könnte. Jetzt könnte ich doch wieder unsere Wette verlieren und tatsächlich Trump Präsident werden. Da tut mir noch mehr leid als Clinton.
Bettina Gaus: Ja, geschenkt. Ich bestreite ja nicht, dass es wahrlich wichtigere Themen gibt als die persönliche Befindlichkeit von Hillary Clinton. Aber mich fliegt dann halt trotzdem der Gedanke an: Das Leben dieser Frau bestand über Jahrzehnte hinweg in stärkerem Maß aus Demütigungen als bei jedem/r anderen Spintzenpolitiker/in, der/die mir so einfällt. Und dann frage ich mich halt doch, was das damit zu tun hat, dass sie eben eine Frau ist. So uninteressant ich die Geschlechterfrage im Hinblick auf die US-Wahlen sonst auch finde.
Bernd Pickert: Das ist wahr. Da kann ich nicht widersprechen. Allerdings: Ihr Ehrgeiz. Und ich weiß, wenn Männer was wollen, sind sie zielstrebig, wenn Frauen was wollen, heißen wir sie „vom Ehrgeiz zerfressen“. Ihr Ehrgeiz könnte uns letzlich einen Präsidenten Trump bescheren. Da bin ich dann womöglich eher wütend als mitleidig.
Bettina Gaus: Ernsthaft? Niemand wird Präsident oder Präsidentin der USA ohne einen geradezu unvorstellbaren Ehrgeiz. Diesen Ehrgeiz jetzt Clinton vozuwerfen, bestätigt für mich die Tatsache, dass da in der Gesamtbeurteilung eben doch noch manches über die Geschlechterfrage zu erörtern wäre. Allerdings: Ich gebe zu, dass das etwas anderes ist, als ihr a priori die Eignung abzusprechen. Und, nur noch mal fürs Protokoll: Ich finde sie politisch tatsächlich sehr problematisch. Nur eben berechenbarer und deshalb wünschenswerter als Trump.
Bernd Pickert: Sie ist definitiv die qualifizierteste Kandidatin, die sich zumindest zu meiner Lebenszeit um das Amt beworben hat. Aber sie hat mit ihrer Wahlmaschinerie auch die Demokratische Partei in Schach gehalten und die Kandidatur von Sanders auf zumindest zu einem guten Teil unlautere Weise vereitelt. Wenn das Ergebnis davon Trump ist, dann ist das furchtbar. Übrigens auch für die Geschlechterfrage.
Bettina Gaus: Also, bei allem Respekt: Es war wirklich nicht Clinton, die „unlautere“ Methoden gegen Sanders eingesetzt hat. Es war (und ist) das Regelwerk der Demokratischen Partei, das die Bewerber bevorzugt, die von der Parteiführung gewünscht sind. Das war auch früher schon so. Es jetzt Clinton vorzuwerfen, halte ich für absurd.
Bernd Pickert: Sorry, gerade bei diesem Thema hätte ich gern nicht das letzte Wort. Aber dank Wikileaks wissen wir ja nun, dass sich das Democratic National Comittee unzulässig eingemischt hat. Wassermann-Schultz musste ja nicht umsonst zurücktreten.
Bettina Gaus: Ja, wie Du so treffend schreibst: das Comittee. Eben.
Trump siegt in weiteren Staaten
Washington, 3.18 Uhr (MEZ): In zahlreichen weiteren US-Staaten sind die Wahllokale geschlossen worden. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump wurde von der Nachrichtenagentur AP kurz darauf als Sieger in den Staaten Texas, Kansas, Nebraska, North Dakota, South Dakota und Wyoming ausgerufen, Clinton gewann in Illinois und New York. Allein für den Sieg in Texas erhält Trump 38 weitere Wahlmännerstimmen – nur in Kalifornien gibt es an diesem Abend mehr auf einen Schlag zu gewinnen. Clinton bekommt für New York 29 Wahlleute und für Illinois 20 weitere gutgeschrieben. Insgesamt führt Trump damit mit 123 zu 97. 270 sind für den Sieg notwendig. (ap)
Genervte Wähler
Berlin, 3.15 Uhr (MEZ): Die Ergebnisse in Florida schwanken. Clinton, Trump, Clinton – wer ist denn nun vorne? Die Wähler_innen macht das fertig.
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Wenn die Wahl die Familie spaltet
New York, 3.00 Uhr (MEZ): Wenn Jessica ihre Familie besucht, die im Süden von Ohio in der ärmlichen Appalachia-Region lebt, vermeidet sie das Thema Politik. Die junge Logopädin, die in New York lebt, ist Demokratin, ihre meisten Verwandten sind Republikaner. Und sehr viele sind begeisterte Trump-Anhänger. Es geht um Schusswaffen, das Recht auf Abtreibung und immer noch um die vollen Bürgerrechte für AfroamerikanerInnen aus den 60er Jahren. „Es ist verrückt“, sagt Jessica über den Graben, der durch ihre Familie geht. Sie ist eine Hillary Clinton Anhängerin der ersten Stunde. Sie hofft auf „ein neues Rollenvorbild für Mädchen“ und auf soziale Reformen, wie den längst überfälligen bezahlten Elternurlaub. (dora)
Entwicklung für den Kongress
Berlin, 2.54 Uhr: Unsere ExpertInnen nehmen die Ergebnisse des Kongresses in den Fokus.
Bernd Pickert: Jetzt scheint Trump doch Florida zu gewinnen, falls Clinton nicht unten im Südosten noch deutlich Stimmen holt. Dafür liegt Clinton in Ohio und North Carolina vorne, zwei Staaten, die in den Projektionen eher bei Trump waren.
Bettina Gaus: Ich steige hier thematisch aus. Es macht einfach keinen Sinn, jedes neue Ergebnis zu kommentieren. Lass uns doch noch mal auf den Kongress gucken: Irre ich mich oder wachsen die Chancen der Demokraten gerade, die Mehrheit im Senat zurückzuerobern?
Bernd Pickert: Naja, auch das hieße ja, jedes Ergebnis zu kommentieren.
Bettina Gaus: Auch wieder wahr.
Bernd Pickert: Bislang haben die Demokraten im Senat einen Sitz von den Republikanern übernommen, in Illinois. Tammy Duckworth, die als Irakveteranin mit amputierten Beinen vor ein paar Jahren ins Repräsentantenhaus eigezogen war, wird Senatorin. Das war allerdings auch vorhergesagt.
Bettina Gaus: Musst Du jede erfreuliche Nachricht als „erwartbar“ abtun? Meine kurze Freude weicht sofort wieder resignieter schlechter Laune.
Bernd Pickert: Nicht nötig. Aber wirklich freuen würde ich mich erst, wenn die Demokraten tatsächlich auf mindestens 50 Stimmen kämen und dann zusammen mit der Stimme des Vizepräsidenten Kaine die Mehrheit hätten.
Bettina Gaus: Ja, und stell Dir mal vor, was das für den Supreme Court bedeuten würde. Eine sehr langfristige Freude. Aber es ist wahr: Es ist zu früh. Viel zu früh.
Bernd Pickert: Ich bin trotzdem schon ein wenig beruhigt. Von einem Brexit-Moment ist derzeit jedenfalls nichts zu merken. Hoffentlich bleibt es so.
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Schießerei in Kalifornien
Azusa, 2.46 Uhr (MEZ): Bei einer Schießerei in der Nähe eines Wahllokals im Süden Kaliforniens ist ein Mensch ums Leben gekommen. Drei weitere seien bei dem Vorfall in der Stadt Azusa verletzt worden, teilte ein Feuerwehrsprecher des Bezirks Los Angeles mit. Die Schießerei ereignete sich an einer Grundschule, die anlässlich der US-Präsidentschaftswahl als Wahllokal diente. Am Tatort eingetroffene Beamte hätten etliche Opfer vorgefunden, seien unter Beschuss geraten und hätten zurückgeschossen, teilte die Polizei mit. Festgenommen wurde demnach bislang niemand. Die Schule wurde den Angaben zufolge abgeriegelt. Auch ein anderes Wahllokal in der Gegend war betroffen. Beamte riefen Bürger auf, ihre Stimme andernorts abzugeben. Das Tatmotiv war zunächst unklar. Ungewiss war auch noch, ob die Schießerei etwas mit den Wahlen zu tun hatte. (ap)
Nach der Arbeit zur Wahl
New York, 2.23 Uhr (MEZ): „Bleibt in der Schlange stehen“, fordert die „HillaryforAmerica“-Kampagne ihre AnhängerInnen auf. Millionen WählerInnen kommen erst jetzt von der Arbeit und reihen sich in die Schlangen vor den Wahllokalen ein. Insbesondere in republikanisch regierten Bundesstaaten – und da wiederum vor allem in Wahlkreisen mit hohen Anteilen von AfroamerikanerInnen, Latinos und anderen typischen Demokraten-Sympathisanten, sind in den vergangenen Jahren viele Wahllokale geschlossen worden, was zu extrem langen Wartezeiten führt. In Maricopa County in Arizona beispielsweise schrumpfte die Zahl der Wahllokale von rund 200 auf rund 60. Doch „Wer bei Ablauf der offiziellen Wahlzeit schon in der Schlange steht, darf wählen“, informiert die Clinton-Kampagne: „Verlasst die Schlange nicht!“ (dora)
Clinton liegt vorn
Washington, 2.20 Uhr (MEZ): Die Ergebnisse aus zehn weiteren Staaten stehen fest. Die Demokratin Hillary Clinton hat die Bundesstaaten Illinois, New Jersey, Massachusetts, Maryland, Rhode Island, Delaware, Connecticut und die Bundeshauptstadt Washington DC für sich entschieden. Das berichten die Sender CNN und Fox News auf der Basis von Stimmauszählungen und Nachwahlbefragungen. Der Republikaner Donald Trump gewann die Abstimmung in Oklahoma, Tennessee und Mississippi. Laut Angaben der Nachrichtenagentur AP hat Trump auch den Staat South Carolina für sich entschieden. Er liegt damit momentan bei 40 Wahlmännerstimmen, Clinton bei 44. (dpa/ap)
Geht der Kelch an uns vorüber?
Berlin, 2.15 Uhr (MEZ): Bettina Gaus und Bernd Pickert schauen gebannt auf die Bildschirme – und ordnen die Ergebnisse ein.
Bettina Gaus: Jetzt ist es allmählich wirklich spannend. Clinton mit einer inzwischen doch ziemlich soliden Führung in Florida, auch in North Carolina sieht es für sie ganz gut aus. Wird es doch eine kurze Nacht?
Bernd Pickert: Stimmt schon, die Überraschungen liegen jetzt eher auf Seiten Hillary Clintons. Und wenn sie Florida und North Carolina gewinnen würde (zusammen 44 Wahlleute), könnte sie sich sogar eine Niederlage in Virginia leisten. Dort lag sie in den Umfragen vorn und liegt jetzt hinten. Es kann sich noch ändern.
Bettina Gaus: Im Augenblick fällt mir einfach nicht wirklich etwas Sinnvolles zum Chat ein. Ich starre gebannt auf den Bildschirm und habe die Hoffnung, dass vielleicht, vielleicht der Kelch Trump, anders als von mir erwartet, vielleicht doch an der Welt vorbeigehen könnte. Mensch, stell Dir mal sein Gesicht vor. Zu schön.
Bernd Pickert: Sieht ganz gut dafür aus. Jetzt liegt sie sogar in Ohio vorn.
Was tun gegen die Informationsflut?
Montana, 1.56 Uhr (MEZ): Hier hinten in Montana geht uns das alles zu schnell. Früher konnte man in aller Ruhe den Fernseher anmachen und warten, ob ein großer Sender schon den einen oder anderen Bundesstaat im fernen Osten als entschieden meldete. Heutzutage bräuchte man eigentlich eine Batterie von Bildschirmen, um die ganzen Liveticker der Propheten und Auswerter in Echtzeit mitzuverfolgen. Guckt man auf votecastr.us, da hat Clinton praktisch schon gewonnen. Mir wird ganz schwummerig, also falle ich auf Bewährtes zurück. Auf North Carolina kommt es an. Und auf Florida.
In loving memory
Berlin, 1.45 Uhr: Womöglich ist Mittwoch der Tag, an dem die erste weibliche Präsidentin der USA gewählt wurde. Das nahmen zum Wahltag einige zum Anlass, um in Rochester, New York, das Grab einer Frau zu besuchen, die „die Napoleon der Frauenbewegung“ genannt wird: Susan B. Anthony. Die Einführung des bundesweiten Wahlrechts 1920 in den USA ist Ergebnis auch ihrer Kämpfe. Um daran zu erinnern, dass sie ihr Wahlrecht ernst nehmen, klebten tausende Besucher_innen „I Voted“-Sticker auf den Grabstein der Feministin. Umfragen vor der Wahl ergaben, dass Hillary Clinton mit weitem Vorsprung gewinnen würde, würden nur Frauen wählen gehen. Laut New York Times-Reporterin Sarah Maslin Nir bricht die Besucherschlange nicht ab.
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Käse auf der CNN-Party
Berlin, 1.38 Uhr: In Berlin auf der CNN-Party interessieren sich die Gäste vor allem für das Abendbrot. Der Kollege Jürn Kruse schreibt: „Clinton wins Vermont“, meldet CNN. Mmm, Vermont Cheddar, denke ich. Mal schauen, ob es den hier auch irgendwo gibt.
Weitere Wahllokale schließen
Washington, 1.36 Uhr (MEZ): In den beiden für Trump wichtigen Staaten Ohio und North Carolina schließen die Wahllokale. CNN zufolge kann jedoch noch kein Ergebnis vorhergesagt werden. Trump gewinnt wie erwartet West Virginia, berichten US-Medien. (rtr)
Rechenspiele
Berlin, 1.32 Uhr: Hochrechnungen aus Florida kommen rein und Bettina Gaus und Bernd Pickert analysieren weiter.
Bettina Gaus: Uuups. Die ersten Hochrechnungen aus Florida sind ja nun wirklich alarmierend. Noch zu früh für eine gesicherte Hochrechnung, schon klar – aber trotzdem.
Bernd Pickert: Okay. Aber erstens: Das sind bislang Counties in Florida, die auch in den letzten Wahlen für Republikaner gestimmt haben. Und: In den letzten Prognosen ging Florida an Trump und Clinton wäre trotzdem Präsidentin.
Bettina Gaus: Okay, mach noch mal Deine Rechnung auf: Wenn Trump Florida und Ohio gewinnt, wie kann Clinton dann trotzdem gewinnen?
Bernd Pickert: Es reicht dann, wenn sie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und vor allem auch Virginia und New Hampshire holt. Dann liegt sie bei 272 Wahlleuten.
Bettina Gaus: Auch wenn Trump North Carolina holt? Ach, übrigens Michigan. Der Dokumentarfilmer Michael Moore sagt seit Monaten, dass sein Heimatstaat für Trump stimmen wird.
Bernd Pickert: Und schon liegt Clinton plötzlich wieder vorne. Die US-Methoden sind anders als diejenigen an deutschen Wahlabenden. Das liegt daran, dass sie kaum Hochrechnungen machen, sondern die Ergebnisse so raushauen, wie die Zahlen reinkommen. North Carolina bräuchte Clinton nicht. Und wenn sie noch Florida holen sollte, eh nicht.
Keine Euphorie
New York, 1.08 Uhr (MEZ): Dorothea Hahn beschreibt die Stimmung vor dem Wahllokal an der 128. Straße: Es fehlt die aufgeregte Vorfreude der beiden letzten Präsidentschaftswahlen. Viele der Menschen, die 2008 in einer langen Schlange fast bis zur Kreuzung des Malcolm X Boulevards standen, um ihre Stimme abgeben zu können, sind gar nicht erst gekommen. Dieses Mal geht der Wahlgang im Untergeschoss der Renaissance Schule, in der einst auch der Schriftsteller James Baldwin lernte, ganz schnell. Die meisten stimmen für die Demokratische Partei. Dies ist Harlem, New York, eine demokratische Hochburg. Auf dem Trottoir vor dem Wahllokal sitzt jemand, der den WählerInnen „Danke“ sagt, wenn sie mit einem Sticker am Revers gehen. Aber Euphorie gibt es nicht.
Die drei Typen Clinton-Unterstützer
New York, 1.07 Uhr (MEZ): Barbara Junge analysiert die UnterstützerInnen im Clinton-Camp: „Man kann die Leute heute in drei Kategorien einteilen. Da sind die tiefenentspannten UnterstützerInnen. Sie freuen sich auf die Zahlen und auf den Abend. Dann gibt es die Last-minute-Optimisten. Sie kann einfach nicht verlieren, ist deren Devise. Und schließlich laufen die Last-minute-Pessimisten herum. Ganz plötzlich hat sie im Laufe des Tages eine große Nervosität beschlichen. Die Stimmung in der Halle am Hudson River wird definitiv von der letzten Kategorie bestimmt. Aber einstweilen hält man sich hier mit Chicken Parmesan und Diet Coke bei Laune.
Was bedeuten die ersten Resultate?
Berlin, 1.20 Uhr: Bettina Gaus und Bernd Pickert analysieren die ersten Ergebnisse.
Bernd Pickert: Jetzt kommen die ersten dürren Resultate rein. Aus so uninteressanten Staaten wie Kentucky und Indiana. Indiana hatte Obama 2008 noch gewonnen, 2012 aber wieder verloren. Von wirklich wichtigen Staaten sind wir noch ein bisschen entfernt. Ich denke, der erste, aus dem man was hört, wird Virginia sein. 13 Wahlleute – und nach den Umfragen mit 5 Prozent Vorsprung bei Clinton. Bräuchte sie aber auch – RCP sieht sie bei 272 Wahlleuten, das ist denkbar knapp.
Bettina Gaus: Ja, das ist denkbar knapp. Aber natürlich sitzen wir alle, und mit alle meine ich politisch interessierte Leute weltweit, nägelkauend vor den Fernsehern und fiebern den ersten Ergebnissen entgegen. Aber Kentucky und Indiana bringen mich jetzt wirklich nicht dazu, eine Prognose zu ändern oder zu verschärfen. Es ist sehr, sehr blöd, aber wir müssen einfach noch warten, bevor es spannend wird. Ich schaue übrigens immer mal wieder auf den Seiten von real clear politics, Fox News, MSNBC etc. etc. Und denen geht es erkennbar auch nicht anders: Wir müssen alle warten.
Bernd Pickert: Wir könnten uns zwischendurch überlegen, wie wir vermeiden, wovor uns beide unser Kollege Dominic Johnson gewarnt hat. Sehr hübsch eigentlich. Aber vielleicht gehen wir auch einfach noch eine rauchen.
Bernd Pickert: Oder wir machen noch ein Thema auf: Es sieht ja so aus, als ob der Kongress republikanisch bleibt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die republikanischen Führer im Kongress die Daumen drücken, dass Trump verliert. Ihre Rolle wäre vollkommen verworren mit ihm als Präsidenten. Mit Clinton hingegen wäre es klar: Weiter volle Opposition und Obstruktion, vermutlich bis zum Amtsenthebungsverfahren. Oder siehst du das anders?
Bettina Gaus: Ich bin nicht so sicher. Wenn Trump verliert, und das ist ja Deine Prämisse, dann beginnt morgen das Hauen und Stechen bei den Republikanern, es gibt Schuldzuweisungen. Und der Wahlkampf, den Trump auch teilweise gegen seine eigene Partei geführt hat, zeigt, dass da keine Partei mehr ist, sondern gähnende, verwirrte Leere. Wenn Trump gewinnt, können sie sich vielleicht darüber hinwegmogeln. Aber wenn er verliert, dann müssen sich die Republikaner neu ordnen. Und dann wird reine Verweigerung nicht reichen.
Bernd Pickert: Sehe ich überhaupt nicht so. Trump als Präsident bringt die Partei und ihre gewählten Vertreter in die Rolle, seinen größten Blödsinn verhindern zu müssen. Das heißt, sie bleiben für Trump-Anhänger Establishment, gar Verräter. Wenn er wieder verschwindet, können sie sich als Opposition dran machen, seine Wähler langfristig an die Republikaner zu binden.
Bettina Gaus: Das hat ja offensichtlich auch schon während der Vorwahlen nicht funktioniert.
Bernd Pickert: Das ist aber etwas anderes. Da waren die Republikaner noch ganz sicher, mit Trump die Wahl zu verlieren und womöglich auch bei den Kongresswahlen mit in den Strudel gezogen zu werden. Deshalb wollten sie ihn nicht. Um Einbindung haben sie sich da gar nicht bemühen können. Zumal die Partei ja auch in den Vorwahlen kaum in Erscheinung getreten ist, wenn mal mal von den ganz späten halbherzigen Versuchen absieht, erst Bush und dann doch noch Rubio gegen Trump in Stellung zu bringen.
Einige Wahllokale schließen
Washington, 1.08 Uhr (MEZ): Die Wahllokale in Georgia, South Carolina, Vermont, Indiana, Kentucky und Virginia haben nun komplett geschlossen. Auch in Teilen von New Hampshire sowie in Florida endete für Wähler um 1.00 Uhr MEZ die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Laut der Nachrichtenagentur AP hat Donald Trump zwei der drei zuerst ausgewerteten Staaten gewonnen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat setzte sowohl in Indiana als auch in Kentucky durch. Seine demokratische Rivalin Hillary Clinton gewann in Vermont. (dpa/ap)
Wahlergebnisse in Echtzeit
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Wo sind all die Trump-Wähler in NYC?
New York, 0.34 Uhr (MEZ): Barbara Junge fragt herum und wundert sich: „Es muss sie irgendwo geben, selbst in New York. Aber wo? Haben sie sich alle im Hilton einquartiert, wo Donald Trump später feiern will? Alle Menschen, mit denen ich hier spreche haben für Hillary gestimmt. Keine Trump-Unterstützer weit und breit.“
Was ist das Problem mit Hillary Clinton?
Berlin, 0.29 Uhr: Bettina Gaus und Bernd Pickert diskutieren, woran es der Demokratin mangelt und fragen sich, ob Bernie Sanders der bessere Kandidat gewesen wäre.
Bernd Pickert: Du warst in diesem Jahr in den USA unterwegs. Gibt es eigentlich wirklich begeisterte Hillary-Anhänger*innen? Oder wollen alle nur Trump verhindern, die sie wählen?
Bettina Gaus: Ich nehme mal Freunde von mir in Buffalo als Beispiel: Ehepaar um die 50, Anwälte, beide seit Jahrzehnten glühende Demokraten. Sie waren auch im Vorwahlkampf für Clinton, nicht für Sanders. Aber mit sehr rationalen Begründungen: Sie hat die größte Erfahrung, schwierige Zeiten brauchen jemanden, der bzw. die weiß, wie es geht. Und gleichzeitig sagen sie: Ja, sie ist fürchterlich kalt, hat gar keine spontane Wärme. Ich glaube, sie würden für Clinton stimmen, wenn sie die letzten Demokraten auf Erden wären. Aber sie würden mit ihr nicht unbedingt etwas trinken gehen wollen.
Bernd Pickert: Das heißt, die ganze Frage des möglichen historischen Augenblicks, in dem die erste Frau US-Präsidentin wird, interessiert niemanden?
Bettina Gaus: Ich glaube jedenfalls es interessiert nur eine kleine Minderheit. Es gibt sicher viele Leute, die eine Frau, und vor allem diese Frau, unter keinen Umständen im Weißen Haus sehen wollen. Aber die wählen sowieso nicht die Demokraten. Von allen Demokraten, mit denen ich geredet habe, hat nur eine einzige Frau gesagt, dass sie Hillary Clinton wegen ihrer persönlichen Koordinaten nicht wählen will. Konkret: „Wenn sie ihren Mann nicht unter Kontrolle hat, wie kann sie glauben, ein Land kontrollieren zu können?“ Aber ich halte das für eine Minderheitenmeinung bei den Demokraten. Und auch die Frau hätte eine andere Frau als Hillary Clinton durchaus gewählt, denke ich.
Bernd Pickert: Die Umfragen während der Vorwahlen haben ja behauptet, dass Bernie Sanders wesentlich deutlicher gegen Trump gewonnen hätte. Wäre er für dich der bessere Kandidat gewesen?
Bettina Gaus: Vor meiner Abreise in die USA fand ich ihn toll. Als ich dann dort war und ihn näher angeschaut habe, hat er viel von seinem Charisma verloren. Er war in seinen zentralen Forderungen schon sehr unseriös. Aber ich glaube, er hätte klarere Siegeschancen gegen Trump gehabt als Clinton, weil beide, zumindest teilweise, auf demselben Feld unterwegs waren. Sie haben bei den GegnerInnen des Establishments gepunktet. Und Sanders ist übrigens auch meiner Meinung nach nur deshalb nicht Kandidat geworden, weil das System der Demokraten die Kandidaten bevorzugt, auf die die Parteigranden setzen. Das ist undemokratisch. Das halte ich für ein Problem, mit dem sich die Demokraten auseinandersetzen müssen.
Bernd Pickert: Das ist witzig. Das Problem der Demokraten ist, dass die Parteielite sich gegen den Outsider durchsetzt, das Problem der Republikaner ist genau andersrum.
George W. Bush wählt weder Trump noch Clinton
Washington, 0.13 (MEZ): Der frühere US-Präsident George W. Bush hat weder für seinen republikanischen Parteikollegen Donald Trump noch für die Demokratin Hillary Clinton gestimmt. Dies teilte Bushs Sprecher Freddy Ford am Dienstag mit. Vielmehr habe sein Chef nur Republikaner gewählt, die sich um örtliche Ämter und Kongresssitze bewerben. Bushs Neutralität kommt nicht völlig überraschend. Auch sein Vater George Bush, der von 1989 bis 1993 Präsident war, hat Trump weder formal seine Unterstützung ausgesprochen noch für ihn Wahlkampf gemacht. Im Vorwahlkampf der Republikaner hatte Trump George W. Bushs Bruder Jeb, der zunächst als Favorit auf die Nominierung galt, aus dem Rennen geworfen. (ap)
Two choices
Berlin, 0.08 Uhr: Zwischendurch ein Video-Link. Der amerikanische Late-night-Host Seth Meyer hat das Problem der WählerInnen auf den Punkt gebracht.
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Szenario für einen Trump-Sieg
Berlin, 23.49 Uhr: Bernd Pickert und Bettina Gaus diskutieren einen möglichen Wahlausgang.
Bernd Pickert: Was stellst du Dir denn vor, wie würden die Straßen von DC, New York oder Phoenix denn aussehen, wenn Trump gewinnen sollte?
Bettina Gaus: Ich glaube, in den Städten wäre die Stimmung gedrückt und schlecht. In den Kleinstädten gäbe es vielleicht schon triumphierende, spontane Feiern. Aber ich finde das sehr schwer einzuschätzen: n-tv hat heute mal wieder seine deutschen Zuschauer zu einem Telefonvoting aufgefordert. Clinton oder Trump? Das ist natürlich nur eine Maschine zum Gelddrucken, schon klar, und überhaupt nicht repräsentativ. Aber ich hatte erwartet, dass hier in Deutschland 98 Prozent für Clinton sein würden – aber was war? 46 Prozent (Trump) zu 54 Prozent (Clinton). Ich glaube, es gibt sehr viel mehr Leute als wir uns vorstellen können, hier wie dort, die für Trump sind. Und dann wohl auch jubeln werden. Mindestens ebenso interessiert mich: Was passiert, wenn er verliert? Entsteht Gewalt?
Bernd Pickert: Dazu gleich. Aber erstmal: Glaubst du, dass Trump gegen irgendjemand anderen als Hillary Clinton derartig gute Chancen gehabt hätte? Übrigens auch in der n-tv-Umfrage, die du zitierst, also hier in Deutschland?
Bettina Gaus: Nein, glaube ich nicht. Beide Kandidaten sind die unbeliebtesten seit Menschengedenken. Aber Trump hat glühende Anhänger, die ihn vielleicht auch aus Trotz ganz toll finden. Ich glaube, sehr wenige Leute finden Clinton ganz toll. Ihre WählerInnen achten sie, schätzen ihre Erfahrung, wählen sie aus Vernunftgründen. Aber nicht aus Leidenschaft – im Unterschied zu der Unterstützung des Trump-Lagers für ihren Kandidaten. Und wird dieses Lager eine Niederlage akzeptieren?
Bernd Pickert: Ich glaube, das hängt stark davon ab, wie sehr Trump tatsächlich diese „Die Wahlen sind gefälscht“-Karte spielt, falls er verliert. Wenn er das tut, und dafür spricht einiges, werden einige sich aufgefordert fühlen, selbst in Aktion zu treten. Seit Wochen werden Waffen gekauft, um einem Wahlsieg von Hillary und der eingebildeten neuen Regulierung „vorzubeugen“. Wer weiß. Aber nochmal: Auch im Lager der Trumpwähler gibt es etliche, die ihn unmöglich finden, aber Hillary finden sie eben noch schlimmer. Eine Comedy-Sendung, ich weiß nicht mehr welche, sagte mal zu Recht, dass beide gegen die einzigen Gegner antreten, gegen die sie eine Chance auf Sieg haben.
Tweets zu Pantsuits
Berlin, 23.35 Uhr: Das modische Must-Have des Wahlabends: der Pantsuit. Unter #pantsuitnation, #pantsuitstothepolls oder gar #pantsuitsforpresident zeigen sich Frauen auf Twitter im Powerdress der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Auf deren Twitter-Profil beschreibt sie sich selbst als „pantsuit aficionado“. Was ein Pantsuit eigentlich ist? Ein einfarbiger Zweiteiler, bestehend aus Hose und Jacke. #dressedforsuccess (kgs)
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Ein Blick zurück auf die Wahl Obamas
Berlin, 23.30 Uhr: Unsere ExperteInnen diskutieren weiter.
Bettina Gaus: Du hast Dich eben, als wir draußen geraucht haben, an die Nacht erinnert, in der bekannt wurde, dass Obama zum ersten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden war. Du warst damals in Washington DC, ich in New York.
Bernd Pickert: Ja, das werde ich auch nie vergessen. Neben dem Mauerfall in Berlin war das das zweite Mal in meinem Leben, dass mich ein positives Ereignis vollkommen überwältigt hat. Es war so gegen halb elf, elf, Washingtoner Zeit, als CNN Barack Obama zum gewählten Präsidenten erklärte. Innerhalb weniger Minuten waren die Straßen gefüllt mit singenden, tanzenden, sich in den Armen liegenden Menschen. Am Weißen Haus sammelten sich immer mehr Leute, Joan Baez stand da im Bademantel. DC ist eine sehr schwarze Stadt. Auch in den folgenden Tagen hatten ganz viele Schwarze ein breites Grinsen im Gesicht oder liefen einfach in sich hineinlachend zur Arbeit. Manche erzählten mir sogar ungefragt ihre ganze Familiengeschichte seit der Sklaverei bis heute.
Bettina Gaus: Ja, auch in New York war die Stimmung einfach unbeschreiblich. Am Times Square haben die Leute geheult, getanzt, sich umarmt, und zwar alle Altersgruppen, alle Bevölkerungsgruppen. Von denen sind inzwischen sicher viele enttäuscht. Aber ich finde es schön, erlebt zu haben, dass ein gemeinsames, großes Gefühl der Hoffnung möglich ist. Und das würde weder ein Sieg von Trump noch von Clinton hevorrufen. Leider.
Trump-Klage in Nevada zurückgewiesen
23.17 Uhr: Im US-Bundesstaat Nevada hat eine Richterin kurz vor Schließung der Wahllokale eine Klage des Wahlkampf-Lagers von Donald Trump abgelehnt. Der Republikaner hatte nach Angaben mehrerer US-Medien Klage gegen ein Wahlamt in einem Bezirk eingereicht. Trump hatte angeblich beklagt, dass die Öffnungszeiten mehrerer Wahllokale in einem Bezirk bei den Frühwahlen in der vergangenen Woche um bis zu zwei Stunden verlängert worden waren. (dpa)
Die taz-interne Wahl-Wette
Berlin, 23.10 Uhr: Amerika-Redakteur Bernd Pickert und taz-Autorin und USA-Kennerin Bettina Gaus haben im Sommer auf den Wahlausgang gewettet. Heute, am Wahltag, sind sie in der taz, verfolgen das Rennen und lassen uns an ihren Gesprächen und Einschätzungen teilhaben.
Bernd Pickert: So, nur noch ein paar Stunden, bis wir Ergebnisse wissen. Unsere Wette ist jetzt schon ein paar Monate her. Du hast geschrieben, dass Trump gewinnnt. Ich hab dagegen gehalten.
Bettina Gaus: Tja....unsere Wette....ich hoffe immer noch, dass ich verliere. Und ich glaube es noch immer nicht…
Bernd Pickert: Und ich glaub immer noch, dass Hillary Clinton gewinnt. Knapp zwar, aber es wird reichen. Auch wenn der Kongress republikanisch bleibt und es vier elende Jahre werden.
Bettina Gaus: Warum glaubst Du an Clintons Sieg? Wegen der Umfragen?
Bernd Pickert: Ja, die Umfragen bestätigen mich in dem Glauben. Als wir gewettet haben, war ich mir aus einem anderen Grund sicher: Damals haderte Trump noch sehr mit seiner eigenen Partei, und ich war sehr überzeugt davon, dass er es nicht schaffen würde, das aufzubauen, was die Wahlstrategen eine „ground operation“ nennen – also: Die Leute, die ihn wählen würden, tatsächlich zur Wahl zu bringen. Und zwar gerade wegen jener Kräfte, die er als Kernwähler mobilisiert. Das sind Leute, die womöglich seit Jahrzehnten nicht zur Wahl gegangen sind.
Bettina Gaus: Na ja, die Partei hadert in weiten Teilen ja immer noch mit ihm – aber er hat bewiesen, dass er auf die Parteigranden nicht angewiesen ist. Was gerade die Leute begeistert, die Du als seine Kernwähler bezeichnest. Ich hatte im Juni bei unserer Wette eine andere Überlegung: Ich war sicher, dass es Enthüllungen über Clinton geben würde – nach Jahrzehnten im politischen Geschäft findet sich immer etwas. Das hat ja auch gestimmt. Aber ich dachte nicht, dass es Enthüllungen über Trump geben würde, weil ihm ja einfach nichts peinlich ist. Und da habe ich mich getäuscht. Ich würde heute nicht mehr auf Trumps Sieg wetten.
Bernd Pickert: Na, so einfach zurückziehen geht jetzt aber nicht… Wobei: Ich muss zugeben, dass mir die letzten zwei Wochen wirklich Angst gemacht haben. Und natürlich bin ich ein Umfragejunkie, schaue seit Wochen jeden Tag fünfmal auf www.realclearpolitics.com und war sehr erschrocken, wie sehr die FBI-Geschichte ihr doch geschadet hat. Insofern: Um ein Abendessen würde ich jederzeit wieder wetten. Um viel mehr aber denn auch nicht.
Worst Of Trump – Extended
Bettina Gaus: Nein, keine Angst: gewettet ist gewettet. Und ich glaube ja auch immer noch, dass Du mich zum Essen einladen musst. Aber wenn wir ehrlich sind: NOCH ist doch alles Kaffeesatzleserei. Weder Du noch ich vertrauen den Umfragen doch wirklich, oder? Alle Institute geben zu, dass es viel schwieriger ist als früher, korrekte Vorhersagen zu treffen.
Bernd Pickert: Das ist richtig. Und das, obwohl sie natürlich in den letzten Jahren ihre Methoden schon umgestellt haben. Noch vor zehn Jahren etwa haben sie keine Handys angerufen und damit gar keine jungen Leute ans Telefon bekommen. Aber das geht ja diesmal darüber hinaus. Bei uns allen sitzt der Brexit noch tief, und Trump spielt ja auch noch direkt damit. „It's gonna be Brexit plus plus plus!“ hat er gestern auf einer seiner letzten Kundgebungen gesagt. Und wir wissen wirklich nicht, ob Trumpwähler den Demoskopen die Wahrheit sagen. Wie AfD-Wähler hier.
Bettina Gaus: Ich war in den letzten Monaten, ehrlich gesagt, überrascht, wie offen viele Leute gesagt haben, dass sie Trump wählen. Und zwar eben nicht nur die hasserfüllten Schreihälse, die man von seinen Veranstaltungen kennt, sondern freundliche MittelschichtlerInnen. Ich meine, ich bitte Dich: Der Mann ist offen rassistisch, offen sexistisch, macht sich über Behinderte lustig und möchte Nuklearwaffen einsetzen. Und eine sympathische ältere Dame in New York sagt begeistert ins Mikrofon, dass sie ihn „ganz sicher“ wählen wird, weil sie „Hillary einfach nicht leiden kann“. Wenn das die Stimmung ist, dann geht alles. Und an Trumps Stelle würde ich auch mit dem Brexit spielen.
Bernd Pickert: Stimmt alles. Aber da sind wir vielleicht an einem interessanten Punkt: Nur mit den Anti-System-Wählern, den wütenden abgehängten Globalisierungsverlierern, die auch Michael Moore als legitime Trump-Wähler ausmacht, kann er ja nun die Wahl nicht gewinnen. Deren Anteil dürfte zwar in einigen Counties sehr hoch sein, aber in keinem einzigen Bundesstaat ist das die Mehrheit. Dazu braucht er auch genau jene Konservativen und traditionellen Republikaner, die vor allem Hillary Clinton verhindern wollen (oder überhaupt jeden Demokraten), weil sie zum Beispiel unbedingt einne konservative Mehrheit im Supreme Court behalten wollen. Die aber hat er doch ziemlich verschreckt. Die Frage wird sein, wer tatsächlich zur Wahl geht.
Bettina Gaus: Beide, Trump wie Clinton, brauchen Unabhängige – ihre Parteibasis reicht für beide nicht zum Sieg. Und bisher wissen wir nur, dass die Wahlbeteiligung hoch ist. Aber wir wissen nicht, für wen das gut ist.
Wahlkampf bis zur letzten Minute
22.45 Uhr: Sechs Stunden bevor die Wahllokale im fernen Westen schließen laufen landesweit die Telefonleitungen heiß. Sowohl die Clinton- als auch die Trump-Kampagne bitten ihre Leute ans Telefon, damit sie Menschen anrufen, die noch nicht gewählt haben. Die TelefonaktivistInnen der letzten Stunden rufen nur Personen an, die in der Vergangenheit für ihre Partei gestimmt haben. Das vermeidet Zeitverlust durch inhaltliche und politische Diskussionen und sie können sich darauf konzentrieren, die Adresse des richtigen Wahllokals durchzugeben oder ihre Fahrdienste anzubieten. (dora)
Eindrücke aus Manhattan
New York, 22.30 Uhr (MEZ): Unsere stellvertretende Chefredakteurin Barbara Junge ist in New York unterwegs. Sie schickt uns diese Eindrücke: Avenue of the Americas, Midtown Manhattan, 4pm. Später am Abend wird hier im Hilton Hotel Donald Trump auftreten. Satellitenschüsseln, Kabel, Übertragungswagen sind überall. Die Spannung ist rießengroß. Am Times Square hat der Sender NBC sein Open-Air-Studio aufgebaut. Wer feiert hier später die Party?
Trump beschwert sich über Unregelmäßigkeiten
Die erste Anfechtung der Wahl kommt schon Stunden vor der Schließung der Wahllokale. Die Trump-Kampagne hat eine Beschwerde in dem heftig umkämpften Swingstaat Nevada eingereicht. Dort blieb ein Frühwahllokal im Clark County am 4. November zwei Stunden länger geöffnet, als vorgesehen. Donald Trump versteift sich seit Wochen darauf, dass die Wahlen „rigged“ seien – besonders, falls er verliert. Jetzt versucht seine Kampagne Beweise zu liefern.
Vor dem Frühwahllokal hatte sich eine lange Warteschlange gebildet, weshalb die Beschäftigten entschieden, die Öffnungszeit bis 22 Uhr am Abend zu verlängern. Nach Ansicht der republikanischen Wahlbeobachter hätten sich in dieser Zeit zusätzliche 150 bis 300 WählerInnen angestellt. (dora)
taz.de-Liveticker startet
22.00 Uhr: Guten Abend! In den USA läuft die Abstimmung über den Nachfolger Barack Obamas. Sowohl die demokratische Kandidatin Hillary Clinton als auch ihr republikanischer Kontrahent Donald Trump haben ihre Stimme bereits abgegeben. Doch in vielen Staaten sind die Wahllokale noch geöffnet.
Bis zu ersten Prognosen oder gar einem Ergebnis haben wir noch ein paar Stunden vor uns. Aber wir habe es versprochen: taz.de bleibt wach und liefert Nachrichten, Analysen und natürlich auch ein bisschen Unterhaltung. Parallel twittern wir unter @tazgezwitscher und halten alle Interessierten auf Facebook auf dem Laufenden.
Wir starten mit einem Song. Einem Aufruf US-amerikanischer Berühmtheiten an ihre Mitbürger doch bitte zur Wahl zu gehen – in herrlich ironischer „We-are-the-world“-Manier.
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Der Präsidentschaftswahlkampf 2016 war beispiellos in der Art der Auseinandersetzung und erinnerte mitunter an ein irres Schauspiel. Das lag vor allem an der Person Donald Trump.
Die Selbstinszenierung des Milliardärs und seine aggressiven und niveaulosen Attacken übertrafen alles bisher dagewesene in der politischen Landschaft der Vereinigten Staaten. Er spaltete sogar die republikanische Partei. Doch seine Anhänger trommeln bis zum letzten Moment für ihn – genau wie die Fans seiner Kontrahentin Clinton es für sie tun.
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