Sondierungen zwischen Union und SPD: Klimaziel für 2020 aufgegeben
Den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, halten Union und SPD für nicht zu schaffen. Ein schwerer Rückschlag für den Klimaschutz.
![Die Sonne geht hinter dem Steinkohlekraftwerk Mehrum bei Hohenhameln auf Die Sonne geht hinter dem Steinkohlekraftwerk Mehrum bei Hohenhameln auf](https://taz.de/picture/2490592/14/19748169.jpeg)
Das Neue
Union und SPD haben bei ihren Sondierungsgesprächen das bisherige Klimaziel der Bundesregierung aufgegeben, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Das wurde der taz am Montag aus Parteikreisen bestätigt. Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf ein Verhandlungspapier über die Aufgabe des Klimaziels berichtet. Das 40-Prozent-Ziel sei bis 2020 praktisch nicht mehr zu erreichen, hieß es zur Begründung. Es soll nun einige Jahre später erreicht werden. Am Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, wird hingegen festgehalten.
Der Kontext
Das Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, war bereits 2007 von der Großen Koalition beschlossen und später auch von Schwarz-Gelb bekräftigt worden. Noch im Wahlkampf hatte Kanzlerin Angela Merkel betont, sie halte daran fest. Bei den Jamaika-Verhandlungen war das Ziel von den Grünen gegen den Wunsch der FDP verteidigt worden. Die 40-Prozent-Reduktion noch zu erreichen, wäre aber tatsächlich nur mit sehr weitreichenden Maßnahmen möglich. Mit den bisher beschlossenen Maßnahmen wurden bis heute nur 28 Prozent geschafft – und davon ein großer Teil gleich zu Beginn der 90er Jahre, als große Teile der energieintensiven DDR-Wirtschaft stillgelegt wurden. Neben dem kurzfristigen Abschalten zahlreicher Kohlekraftwerke würde das 40-Prozent-Ziel auch schnelle Fortschritte im Gebäude- und Verkehrsbereich erfordern, die bis 2020 nur schwer zu schaffen wären.
Die Reaktionen
Scharfe Kritik kam von Linken und Grünen. „Die Aufgabe des 2020-Klimaziels ist Ausdruck des klimapolitischen Versagens der Groko über die letzten vier Jahre“, sagte Annalena Baerbock (Grüne). Lorenz Gösta Beutin (Linke) sprach von einem „klimapolitischen Rollback“, mit dem die Kanzlerin „ein zentrales Wahlversprechen“ breche. Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup forderte: „Merkel und Schulz müssen ihre mutlosen Sondierer sofort zur Räson rufen, sonst droht schon vor Beginn der Koalitionsgespräche ein politischer Bankrott.“
Die Konsequenz
Auch wenn das 40-Prozent-Ziel vermutlich ohnehin verfehlt worden wäre, hat es entscheidende Konsequenzen, wenn es offiziell aufgegeben wird: Damit lässt der Druck nach, den CO2-Ausstoß kurzfristig zu verringern, etwa durch das schnelle Abschalten von Kohlekraftwerken. Stattdessen soll die Lücke laut Verhandlungspapier jetzt nur „so weit wie möglich“ geschlossen werden – und bei der Frage, was „möglich“ ist, werden die Kohle-Flügel beider Parteien sicher mitreden.
Das Klimaziel für 2030, das für das Erreichen der Zusagen für das Paris-Abkommen entscheidend ist, bleibt zwar bestehen. Aber wenn das 2020-Ziel aufgegeben wird, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, das 2030-Ziel zu erreichen. Denn je später die Emissionen reduziert werden, desto stärker muss die Reduktion ausfallen.
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