piwik no script img

Slow-Food-Ikone Ursula Hudson ist totEs ging um mehr als gutes Essen

Ursula Hudson hat aus Gourmet-Getue eine politische Bewegung geformt. Nun ist die Chefin von Slow-Food-Deutschland gestorben. Ein Nachruf.

Ursula Hudson ist am vergangenen Freitag gestorben Foto: Miserior

Mit dem Tod von Ursula Hudson geht eine Ära zu Ende. Ein ganzes Jahrzehnt lang stand die Kulturwissenschaftlerin an der Spitze von Slow Food, zuerst als Vorstandsmitglied und seit 2012 als Vorsitzende. Inhalte statt Ranküne war ihr Programm, mit neuen Strukturen, einer ausgebauten Geschäftsstelle und kluger Bündnispolitik. Im Slow-Food-Dualismus von Genuss und Verantwortung setzte sie den Schwerpunkt auf Verantwortung. Man verabschiedete sich von Gourmet-Getue und entwickelte sich zu einer politisch ausgerichteten NGO.

Bündnisse schmieden, Vernetzen, Kampagnen mittragen: Auf immer mehr Veranstaltungen tauchte die Slow-Food-Schnecke als Mit-Unterstützer auf. Die Graswurzelorganisation für gutes Essen wurde unter Hudsons Ägide Teil der deutschen Agraropposition. Es ging nicht mehr um die feine Haselnussnote im Schoko-Soufflé, sondern um Überfischung und Lebensmittelverschwendung, um biokulturelle Vielfalt und Zweinutzungshühner.

Auch nach innen veränderten sich die Botschaften: Weniger Fleisch essen, weniger Fisch, weniger Milchprodukte und Eier. Die Verzichtsparolen gefielen nicht jedem, wurden aber von einer neuen selbstbewussten Veggiebewegung flankiert.

Ursula Hudson wurde zum Gesicht der auf 13.000 Mitglieder angewachsenen Organisation. Ihre Stärken: Charme, Witz, Temperament. Unkonventionelle Lockerheit, Machtbewusstsein. Legendär waren ihre überschwänglichen Lobes- und Dankesmails.

Das Thema Essen hatte sie schon während ihrer Lehrtätigkeit an deutschen und englischen Universitäten gepackt. Bei Slow Food konnte sie sich darauf stürzen: im anstrengenden Fulltime-Job mit permanentem Reisestress bei jahrelang eher symbolischer Bezahlung. Auch im internationalen Führungsteam zählte sie neben dem Slow-Food-Granden Carlo Petrini zu den einflussreichsten Köpfen.

Zwei neue Projekte konnte sie noch anstoßen. Das Thema Gesundheit und Ernährung, um das sich Slow Food lange gedrückt hatte, wurde angepackt. Tenor: „Gesund ist ein Lebensmittel nur dann, wenn es auch für den Planeten, für Wasser und Boden, Tiere und Pflanzen, Umwelt und Klima gesund ist.“ Das zweite Projekt, die Slow-Food-Akademie für Esskultur, verharrt in den Startlöchern. Das müssen ihre Nachfolger anschieben. Ursula Hudson starb vergangenen Freitag mit 62 Jahren an einer Krebserkrankung.

Der Autor ist SF-Mitglied, er war Chefredakteur des SF-Magazins.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 /