Schröder auf Putins Party: Dreht ihm den Hahn ab
Wenn man schon den Handlangern Putins die Konten in Europa sperrt, warum nicht auch dem deutschen Propagandisten – Altkanzler Schröder?
Gerhard Schröder wird sich während seines Besuches in Sankt Petersburg, in noblem Ambiente, sicher nicht an Marina Salie erinnern, die Abgeordnete im Stadtparlament von Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg. Vor zweiundzwanzig Jahren deckte die überzeugte Demokratin die Korruption in der Stadtverwaltung auf.
Sie dokumentierte, wie tief Wladimir Putin – als stellvertretender Bürgermeister zuständig für die Lizenzen für die Ausfuhr von Rohstoffen – in bis heute undurchsichtige Machenschaften verstrickt war. Ihr Fazit damals: „Ich weiß nicht, ob ich einen anderen so hochrangigen Politiker nennen kann, der das Gesetz so gering achtet.“
Als Putin im Jahr 2000 an die Macht kam, musste Salie um ihr Leben bangen, nachdem einige ihrer Freunde auf mysteriöse Weise ums Leben kamen. Sie flüchtete in ein kleines Dorf und starb am 21. März 2012 einsam im Alter von 77 Jahren. Wladimir Putin hingegen wurde zum mächtigsten russischen Politiker, mit mehr Macht ausgestattet als einst jeder KPdSU-Generalsekretär. Und jetzt feierte er zusammen mit Gerhard Schröder nachträglich dessen 70. Geburtstag, gesponsert von Gazprom, der politisch-wirtschaftlichen Waffe von Putin.
Und Gerhard Schröder weiß sicher von der schmierigen Vergangenheit Putins. Das jedoch kümmert ihn nicht im Geringsten. Die einfachste Erklärung wäre, Gerhard Schröder mit seinen 70 Jahren altersbedingte Senilität zu bescheinigen. Doch Schröder ist ein politischer Triebtäter, dem inzwischen jegliche ethische politische Grundfesten verloren gegangen sind. Er möchte sich feiern lassen, und wer ihn feiert, ist ihm ziemlich gleichgültig, mag noch so viel Blut an seinen Händen kleben.
An der Geburtstagsfeier von Altkanzler Gerhard Schröder in St. Petersburg hat nach Angaben des Konzerns Nord Stream auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder (CDU), teilgenommen.
Weitere Gäste seien unter anderem Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), der deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger Freiherr von Fritsch, sowie Manager der Nord-Stream-Anteilseigner Wintershall und Eon gewesen, sagte ein Sprecher der Ostsee-Pipeline-Betreibergesellschaft am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Die Kosten der Feier, bei der Russlands Präsident Wladimir Putin am Montagabend Schröder nachträglich zum 70. Geburtstag gratuliert hatte, würden von Nord Stream übernommen.
Schröders Büro in Berlin erklärte auf Anfrage lediglich, der Altkanzler habe als Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG Termine in Sankt Petersburg wahrgenommen. Das Unternehmen betreibt die gleichnamige Ostsee-Pipeline und wird vom russischen Staatskonzern Gazprom dominiert.
Möge er in der Versenkung verschwinden
So weit, so deprimierend für einen deutschen Alt-Bundeskanzler, der sich immer noch Sozialdemokrat schimpft. Viel ärgerlicher ist die Omertà seiner Partei. Nicht nur, dass die gesamte Parteiführung ihm überschwänglich zum 70. Geburtstag gratulierte; bis heute distanziert sich kein führender Sozialdemokrat von diesem Propagandisten Putinscher imperialer Politik, und das Fatale ist, dass seine Saat aufzugehen scheint.
Mühsam erklärt man in Berlin, Schröder habe keinen Vermittlungsauftrag, schließlich sei er kein Politiker. Der sozialdemokratische Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigt ihn gar.
Warum sagt man nicht einfach einmal, Gerhard Schröder möge endlich in der Versenkung verschwinden? Er schadet nur den politischen Interessen einer demokratischen Bürgergesellschaft. Oder noch besser, wenn man schon den führenden Handlangern Putins die Konten in Europa sperrt, warum nicht den führenden deutschen Propagandisten, die zumindest indirekt auf der Lohnliste (über Gazprom) des Kreml stehen? Das wäre ein symbolischer Akt, würde allen Gesetzen widersprechen. Aber moralisch den Alt-Bundeskanzler auf eine schwarze Liste zu setzen und das offensiv politisch und publizistisch umzusetzen – das wäre das eindeutige Signal einer demokratischen Bürgergesellschaft.
Daran zu glauben, dass ein solches Signal kommen könnte, ist natürlich Utopie. Die Wirtschaftsinteressen (Gas und Öl) sind allemal wichtiger als ethische Grundsatzfragen. „Sch …drauf“ wird wahrscheinlich Gerhard Schröder dazu sagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke