Schiefer-Fracking in Deutschland: Brennendes Leitungswasser
Mittels Fracking soll Schiefergas in vielen Regionen Deutschland ausgebeutet werden. Doch die Methode ist riskant. Die Industrie versucht zu beruhigen.
BERLIN taz | Kein Wunder, dass sich Hollywood das Thema geschnappt hat: Der Erdgasrausch in den USA liefert großartige Geschichten. Über Firmen, die auf das Wagnis einer neuen Technik setzen und damit viel Geld verdienen, auf Kosten von Mensch und Natur; über neue Industriearbeitsplätze in heruntergekommen Regionen; über die Frage, wie weit sich die Grenzen des Wachstums verschieben lassen.
Auch wenn die Kritik von Matt Damons Film „Promised Land“, in dem er den Erdgasboom und die dazugehörige Technik, das Fracking, beschreibt, nicht sehr angetan war – das Thema ist gut. Worum geht es? Bislang wird Erdgas aus großen unterirdischen Hohlräumen gewonnen. Die Lagerstätte wird angebohrt, der Inhalt abgepumpt. Schon lange ist aber bekannt, dass Gas nicht nur in Höhlen wabert, sondern auch in porösem Gestein, etwa Schiefer.
Auf 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die technisch gewinnbaren Vorkommen an Erdgas aus solchen „unkonventionellen Lagerstätten“ in Deutschland. Genug, um 13 Jahre lang den Eigenbedarf zu decken.
Entstanden ist Schiefergas in Millionen von Jahren: In Seen oder Meeren sanken Mineralien, abgestorbene Algen und Wassertierchen auf den Boden. In langer Zeit und unter großem Druck bildete sich, in 1.000 bis 5.000 Metern Tiefe, Schiefergestein; die Pflanzen und Tiere dazwischen wandelten sich zunächst zu Erdöl, dann zu Erdgas. Entsprechende Gesteinsformationen finden sich weltweit, in Deutschland in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Neue Technik, neue Gefahren
Diese Vorkommen auszubeuten war lange Zeit technisch schwierig und teuer. Doch seit einigen Jahren gibt es eine neue Methode: Fracking. In den USA wird es intensiv angewendet und hat dort zu purzelnden Gaspreisen und einer ganz neuen Situation auf dem Energiemarkt geführt (siehe unten).
Um das im Gestein liegende Gas zu gewinnen, wird zunächst vertikal in die Tiefe, anschließend horizontal in die Breite gebohrt. Dann werden in das Bohrloch mit hohem Druck Wasser und Sand gepresst. Im Gestein entstehen Risse, die der Sand offen hält. Das Gas kann entweichen und abgepumpt werden.
Damit Bakterien die feinen Risse nicht zuschleimen, enthält das Wasser-Sand-Gemisch Biozide. Andere Chemikalien verhindern, dass die Sandkörner zu schnell absinken; oder sie lassen das Gas leichter strömen. „Es gibt Dutzende verschiedene Funktionen, die die Chemikalien übernehmen“, sagt Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt.
Vor allem dieser Chemikaliencocktail versetzt die Bewohner von Regionen, in denen Schiefergas vermutet wird, in Unruhe. „Gegen Gasbohren“ heißt der Zusammenschluss zahlreicher Bürgerinitiativen, die auf ihrer Website die befürchteten Gefahren aufzählen: die Kontaminierung von Grund- und Trinkwasser, ungelöste Abfallprobleme, Erdbeben.
Verlinkt ist auf der Seite der Trailer zu dem US-Dokumentarfilm „Gasland“, der drastisch die Verschmutzung des Trinkwassers zeigt: Das Leitungswasser lässt sich mit einem Feuerzeug entzünden und brennt. Der heftige Protest der Initiativen hat eine Erkundung der Schiefergasvorkommen in Deutschland durch Unternehmen wie Exxon Mobil bislang verhindert.
Dem Gegenwind vor Ort ausgesetzt, hat der Energiekonzern seine Erkundungsbohrungen im Münsterland auf Eis gelegt und arbeitet sich erst mal durch Gutachten zum Grundwasserschutz. Die Landesregierung in NRW hat derweil ein Moratorium zum Fracking verhängt.
Wie gefährlich ist die Methode wirklich? Die BGR, dem Bergbau von Amts wegen aufgeschlossen, hält die Risiken für gering und verweist auf langjährige Erfahrungen. „In den 60er Jahren sind die ersten Frackingmaßnahmen in Deutschland durchgeführt worden“, sagt Stefan Ladage, in der BGR Projektleiter der Studie „Niko“, die das Potenzial von unkonventionellem Erdgas in Deutschland untersucht.
Auch in herkömmlichen Lagerstätten würde mittels Fracking die Gasausbeute erhöht. „Bei den bislang rund 300 Frackingmaßnahmen – vor allem in Norddeutschland – liegen keine Berichte über Belastungen des Grundwassers vor“, so Ladage.“
Schiefergas dicht an der Erdoberfläche
Wasserexperte Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt warnt davor, diese Ergebnisse auf die Anwendung auf Schiefergas zu übertragen. Das läge in Deutschland häufig dichter an der Erdoberfläche als die konventionellen Vorkommen.
Zudem gelte das Vorsorgeprinzip: „Wir warten nicht erst, bis es zu Grundwasserverschmutzungen gekommen ist“, sagt er. Allerdings hält auch Rechenberg die Methode für beherrschbar: Ein Großteil des Wasser-Chemikalien-Gemischs werde nach ihrem Einsatz wieder zurückgeholt, nur ein kleiner Teil verbleibe im Gestein.
Es sei unwahrscheinlich, dass es von dort den Weg nach oben finde – wenn bestimmte Bedingungen eingehalten würden, so Rechenberg. So müsse das Gebiet vor dem Fracking genau auf schon vorhandene Risse, andere Wegsamkeiten wie Altbohrungen und auf die dort herrschenden Druckverhältnisse untersucht werden. Deshalb sollte in Gebieten mit ungünstigen hydrogeologischen Verhältnissen von Aktivitäten unter Einsatz des Frackingverfahrens abgesehen werden.
Neue Gesetze, mehr Transparenz
Um diese Bedingungen sicherzustellen, müsse der Bund einen sicheren Rechtsrahmen schaffen, fordert der Experte. In Wasserschutzgebieten müsse er Fracking verbieten und grundsätzlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorschreiben.
Dann wäre die Genehmigung eines Frackings zwar weiterhin Sache der Bergämter, aber auch Wasserbehörden, Gemeinden, Wasserversorger und die Öffentlichkeit müssten eingebunden werden. Denn dass die Stimmung hierzulande so emotional geführt wird, hat seine Ursache, wie so oft, in der mangelnden Beteiligung. „Fehlende Transparenz, falsche Behauptungen der Industrie und eine ungerechte Gesetzeslage“ seien der Grund für die zahlreichen Bürgerinitiativen, heißt es auf der Website „Gegen Gasbohren“.
Die Erdgas und Öl fördernde Industrie hat darauf reagiert, indem sie Datenblätter der eingesetzten Chemikalien auf ihrer Website veröffentlicht. Fachleute bewerten dies als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings seien die Informationen für die Behörden zu lückenhaft und für die Bürger nicht verständlich. Für ein wirklich transparentes Verhalten brauchen die Unternehmen wohl doch Vorschriften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau