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Rücktritt wegen RassismusZwei Jahre später noch Angstzustände

Vor zwei Jahren ist Olivier Ndjimbi-Tshiende von seinem Pfarramt in Zorneding zurückgetreten. Er hatte rassistische Anfeindungen erhalten.

Olivier Ndjimbi-Tshiende bei seiner Rücktrittserklärung am 6. März 2016 Foto: dpa

Auf dem Cover seines jüngst erschienenen Buchs klebt ein blauer Button: „Der Pfarrer aus Zorneding“ steht darauf. Könnte ja sein, muss sich der Verlag gedacht haben, dass manch einer mit dem Autorennamen Olivier Ndjimbi-Tshiende nichts anfangen kann. Aber den Pfarrer aus Zorneding, den kennt man, obwohl ­Ndjimbi-Tshiende seit genau zwei Jahren gar kein Pfarrer mehr ist. Und schon gar kein Zornedinger.

Doch was dem aus dem Kongo stammenden katholischen Priester vor zwei Jahren in der Münchner Umlandgemeinde widerfuhr, beschäftigte damals ganz Deutschland; selbst der britische Guardian schrieb über den Fall: Ndjimbi-Tshiende hatte sich in einem Interview kritisch über einen fremdenfeindlichen Artikel der Zornedinger CSU-Ortsvorsitzenden geäußert. Der Pfarrer war freilich nicht der Einzige, der die unsäglichen Tiraden der Politikerin monierte, aber der Einzige mit schwarzer Haut. Der stellvertretende Ortsvorsitzende verwarnte auch gleich „unseren Neger“.

Dann kamen die Postkarten und Briefe, Beleidigungen, auch Morddrohungen: „Wir schicken Dich nach Auschwitz. Amen! Du Nigger!“ Man kenne sein Autokennzeichen, wisse, wo er wohnt, liest der Pfarrer. Eines Tages findet er weißes Pulver im Briefkasten. Und dann bemerkt er, dass mitten im Winter die Heizung im Pfarrhaus heruntergedreht wurde. Jemand muss Zugang zu seinem Haus haben. Da bekommt er es mit der Angst zu tun.

Sicher, es ist nur eine kleine Minderheit, die den Pfarrer beleidigt oder gar bedroht. Ohnehin ist er bestens integriert: Er liebt Schweinshaxn, trinkt gern Bier, sein Deutsch ist perfekt. Er bekommt viel Zuspruch aus seiner Gemeinde. Doch wenn es mal so weit ist, dass man um sein Leben fürchten muss, gibt es nur noch eines: Weg hier! Wenn euch aber die Leute nicht aufnehmen, sagt Jesus, dann geht weg aus jener Stadt. Vor genau zwei Jahren, am 6. März 2016, verlässt Ndjimbi-Tshiende Zorneding. Die Ereignisse haben aus ihm aber einen anderen Mann gemacht. Er geht nicht mehr unbeschwert auf die Straße, schaut immer, wer hinter ihm geht. Manchmal hat er Angstzustände.

Und noch etwas hat sich geändert. Der heute 68-Jährige blickt jetzt anders auf seine Kirche. Kritischer. Der Priester spricht von einem Anstoß. „Das waren meistens Katholiken“, sagt er über die, die ihn in Zorneding offen angefeindet haben. Fazit: Irgendwas muss da in der Kirche schiefgelaufen sein. „Statt den Akzent auf die Liebe zu setzen, haben wir ihn auf den Besuch des Gottesdienstes gesetzt“, sagt der Mann Gottes heute. „Statt einer Bruderschaft haben wir einen starken Machtapparat.“ Jetzt ist er für Frauen im Priesteramt und gegen den Zölibat.

Inzwischen gehe es ihm ganz gut, sagt Ndjim­bi-Tshiende. Er arbeitet nun an der Katholischen Universität in Eichstätt. Das ist zwar auch in Bayern, aber hier habe er etwas Abstand gewinnen können. Und als habilitierter Moralphilosoph genieße er es, mal wieder in der Forschung zu arbeiten. Sein Thema: Flucht und Migration.

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5 Kommentare

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  • Die gleichen Personen, die hier was von Auschwitz faseln, sagen über den IS, er sei barbarisch. Seltsam, wie sich doch die "Argumentationen" von Islamisten und Fremdenfeinden ähneln.

    • @Jan Berger:

      nein, nicht seltsam. Beides sind Extremisten, die ihre Ideologie über das Humane stellen, die Menschen verachten, weil sie fehlbar sind und voll mit Hass. Insoweit sind die IS-ler auch faschistisch, nur ist ihr Feindbild eben der Ungläubige und nicht der Fremde, wie bei den Nazis.

       

      Schwieriger finde ich die Frage, wie man das mit christlichem Glauben vereinbaren kann - aber ich vermute, die mit Mord drohenden und ein neues Auschwitz ankündigenden waren nicht unbedingt solche, die sich christlich nennen würden.

      • @Dr. McSchreck:

        ...und die, die sich christlich nennen, rennen jeden Sonntag in die Kirche zur Messe und sorgen dafür, nicht ungesehen in der Menge unter zu gehen. Das wärs dann schon.

        Die christliche Botschaft soweit verinnerlicht zu haben, dass sich daraus christliches Handeln ableitet führt nur zu befremdetem Schulterzucken. So weit sind wir schon - groß darin uns selbst anerkennend und ausdauernd auf die eigenen Schultern zu klopfen. Den Rest überlassen wir großzügig den anderen - sofern da überhaupt welche sind. Christliche Leitbilder finden wir am ehesten da, wo es gar keine Christen gibt. Wie war das noch mit den Reichen und dem Nadelöhr? Irgendwie scheinen unsere Ach-so-Christlichen immer noch dem Glauben anzuhängen, dass man alles kaufen kann, einschließlich eines Logenplatzes direkt im Himmel, solange man einer Partei mit dem "C" im Namen angehört oder sie wählt.

        • @anyhow:

          ich vermute, der Mann, um den es hier geht, sieht das anders. Sonst wäre er wohl kein Christ.

  • Jesus war auch Flüchtling.