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Reform der ErbschaftsteuerKuriose Allianz für reiche Erben

Finanzminister Schäuble will die Erbschaftsteuer verschärfen. Der Grüne Ministerpräsident Kretschmann sperrt sich dagegen.

Sie wollen ihre reichen Erben schützen: CSU-Chef Seehofer und der Grüne Kretschmann. Bild: reuters

BERLIN taz | Steuerdebatten behandeln in der Regel sehr trockene Materie. Doch der Streit um die Neuregelung der Erbschaftsteuer besitzt Unterhaltungswert. Es geht um kuriose Allianzen, unerwartete Volten und viel, viel Geld. Da wäre zum Beispiel die Linie von Baden-Württemberg. Die grün-rote Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) plädiert dafür, die Steuerprivilegien reicher Firmenerben zu erhalten.

„Wir müssen bei der Neuregelung der Erbschaftsteuer klar die Belange der vielen mittelständischen Familienunternehmen im Blick haben“, sagte SPD-Landesfinanzminister Nils Schmid am Mittwoch der taz. Es gehe um den Erhalt Tausender Arbeitsplätze, gerade auch in Baden-Württemberg. Schmid: „Deshalb reicht es nicht, eine Neuregelung allein aus finanzpolitischer Perspektive anzugehen, wie es der Bundesfinanzminister getan hat.“

An Donnerstag, dem 12. März, trifft Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Landesfinanzminister, um über eine Reform der Erbschaftsteuer zu verhandeln. Das Verfassungsgericht hatte im Dezember die Privilegierung von Firmenerben bei der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt, jetzt müssen sich Bund und Länder auf neue Regeln verständigen. Die Interessen liegen so weit auseinander, dass sich die Verhandlungen länger hinziehen dürften.

Schäuble plant eine Verschärfung der Steuer, von der bisher de facto fast alle Firmenerben befreit sind. Er möchte Unternehmen mit einem Wert von über 20 Millionen Euro mit der Steuer belegen (siehe Kasten) und für die Tilgung bis zur Hälfte des Privatvermögens heranziehen. Das Betriebsvermögen und kleinere Betriebe wären wie bisher steuerbefreit.

Schäubles Erbschaftssteuerpläne

Faktisch zahlt im Moment kaum ein Unternehmenserbe die Erbschaftssteuer. Selbst Erben von Großkonzernen sind zu 100 Prozent befreit, wenn sie das Unternehmen und die Arbeitsplätze sieben Jahre lang erhalten. (Und das tun fast alle.) Das Verfassungsgericht hatte diese Privilegierung von Unternehmenserben gegenüber Erben privaten Vermögens im Dezember 2014 für verfassungswidrig erklärt und Änderungen verlangt.

Finanzminister Schäuble hat seine Ideen in ein Eckpunktepapier gegossen. So soll die bisherige Verschonung nur noch gelten, wenn eine Firma unter 20 Millionen Euro wert ist. Erben von wertvolleren Großunternehmen müssten zahlen. Das Betriebsvermögen - etwa Maschinen oder Produktionshallen - bleibt verschont, nicht aber das Privatvermögen. Dieses dürfte das Finanzamt zur Hälfte heranziehen, um die Steuerschuld zu begleichen.

„Das ist abgestimmt“

Der Baden-Württemberger Schmid plädiert für eine mildere Reform. Er will die Freigrenze bei 100 Millionen Euro ansetzen, eine Position, die der Grüne Kretschmann ausdrücklich stützt: „Das ist im Kern in der Landesregierung abgestimmt“, sagte Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet. „Wir werden nichts unterstützen, was Familienunternehmen schadet.“

Verkehrte Welt in der Steuerpolitik: Kretschmann und der SPDler Schmid überholen Schäuble rechts. Und können auf die Unterstützung der CSU setzen. In einem Vorstandsbeschluss heißt es, die Partei werde für die „volle Steuerbefreiung“ für Erben von Familienunternehmen kämpfen und sich auch gegen die Einbeziehung des Privatvermögens wehren.

Der Staat befreit selbst sehr reiche Firmenerben von der Steuer, solange sie nachweisen können, dass sie das Unternehmen weiter betreiben. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass mittelfristig jährlich 25 bis 30 Milliarden Euro an Unternehmensvermögen vererbt wird. Bei den geltenden Steuertarifen ergäben sich daraus potenzielle Steuerausfälle von sieben bis acht Milliarden Euro pro Jahr. Derzeit nimmt der Staat durch die Erbschaftsteuer jährlich fünf Milliarden Euro ein. Dieses Volumen könnte also „bis zu zweieinhalbmal so hoch ausfallen“, schätzen DIW-Forscher.

Die Einnahmen aus der Steuer fließen den Ländern zu. Für die Blockade Bayerns und Baden-Württembergs gibt es unterschiedliche Motive. Die CSU will an dem strikten Nein der Union zu Steuererhöhungen festhalten, zudem sitzen in dem Land viele große Familienunternehmen, die eine starke Lobby in der Landespolitik haben.

Letzteres trifft auch auf Baden-Württemberg zu. Dort wird 2016 ein neuer Landtag gewählt. Kretschmann, der wieder Ministerpräsident werden will, fürchtet Gegenwind aus der Wirtschaft, falls er einer Verschärfung der Erbschaftsteuer zustimmt. Kretschmanns Linie konterkariert diejenige der Grünen im Bund komplett. In Berlin wirbt die Ökopartei nämlich für eine höhere Besteuerung superreicher Firmenerben. „Es ist eine Mär, dass pauschale Steuerbefreiungen großer Unternehmensvermögen nötig sind, um Arbeitsplätze zu erhalten“, sagte Lisa Paus, die Steuerexpertin der Bundestagsfraktion.

Arme Länder wollen mehr

In finanzschwächeren Ländern würde man Schäubles Pläne gerne noch verschärfen. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte: „Für die Äußerungen einiger Minister-Kollegen, die sich für möglichst großzügige Regelungen zugunsten von Erbinnen und Erben von Betriebsvermögen einsetzen, fehlt mir jedes Verständnis.“ Das Urteil aus Karlsruhe sei das zweite, mit dem ungerechtfertigte Privilegien bei der Erbschaftsteuer beseitigt werden sollten. „Deshalb halte ich nichts von Experimenten, die sofort wieder vom Bundesverfassungsgericht gekippt würden.“

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte, das Gericht habe „deutlich gemacht, dass es keinen Grund gibt, Unternehmenserbschaften per se vollständig von der Steuerpflicht auszunehmen“. Es gehe „um das Gleichgewicht zwischen Unternehmenssicherung und Sozialverpflichtung – und darum, mit einer Novellierung nicht neue Steuerschlupflöcher aufzumachen“.

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9 Kommentare

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  • > Unternehmen mit einem Wert von über 20 Millionen Euro mit der Steuer belegen (siehe Kasten) und für die Tilgung bis zur Hälfte des Privatvermögens heranziehen. Das Betriebsvermögen und kleinere Betriebe wären wie bisher steuerbefreit.

     

    Um sicherzustellen, dass ich das richtig verstehe¹: Die Unternehmen werden von der Steuer überhaupt nicht berührt. Nur wer mit seinem Unternehmen reich geworden ist muss bis zur Hälfte des privaten Reichtums abgeben?

     

    Es muss also nur Geld abgegeben werden, das aus dem Unternehmen abgezogen wurde? Wer aber alles ins Unternehmen steckt und das Unternehmen dann den Kindern vererbt muss nichts zahlen?

     

    Wer also als guter Schwabe oder gute Schwäbin bescheiden lebt, muss kaum was zahlen, und nur wer sich aus den Unternehmensgewinnen Luxus gönnt, muss relevante Mengen an Geld abgeben?

     

    ¹: Ja, der Ansatz ist rhethorisch.

  • Habe ich das jetzt richtig verstanden: Kretsche bremst den aufrechten Schäuble aus, den Verfechter der Steuergerechtigkeit und den Beschützer der Armen in Deutschland?

  • Ein Teil der "68er" sind bedeutende Erben. Bekannt aus der Generationenforschung.

  • Jaja, Winfried, sperr Deine Lauscher gut auf: Das Rauschen, das Du hörst, ist der Erdrutsch, der Euch 2016 aus der Regierung spülen wird.

  • Über die Höhe des "Unterhaltungswert[es]" einer ärgerlichen Farce ist, lässt sich sicher streiten. Ich persönlich finde ja, er geht stark gegen Null. Dass Winfried Kretschmann allerdings "kuriose Allianzen" eingeht oder "unerwartete Volten" vorführt, ist, nun ja, gelogen. Erwartbar ist so ein Verhalten nämlich allemal, wo es um "viel, viel Geld [geht]".

     

    Die Finanzminister des Bundes und der Länder haben fraglos eins gemeinsam mit den reichen Firmenerben: Sie brauchen dringend Geld. Geld, das sie ausgeben können. Je mehr, desto besser für die Minister. Den Landesvätern und -müttern kann es hingegen vergleichsweise egal sein, ob ihre Finanzminister die eigene "Richtlinienkompetenz" finanziell untersetzen können, so lange sie sich selbst nicht in Gefahr begeben brauchen dafür. Und genau das müsste Kretschmann tun, würde er sich mit den verwöhnten Erben (einfluss)reicher baden-württembergischer Familienunternehmen anlegen.

     

    Die "unterschiedlichen Motive", von denen Ulrich Schulte schreibt, kann ich jedenfalls von hier aus nicht erkennen. Alle an der Farce Beteiligten betrachten die "Neuregelung allein aus finanzpolitischer Perspektive". Lediglich die Standorte unterscheiden sich. Jeder der Herren geht von der eigenen Person bzw. Position aus, keiner steigt auch nur für einen Augenblick in die Schuhe derjenigen, die staatlicher Förderung (i.S. sozialer Wohltaten) tatsächlich bedürfen. Alte, Schwache, Kinder, Kranke, Zugewanderte etc. zählen nicht. Sie gelten Spitzenpolitikern in aller Regel als vernachlässigbare Größe im Machtpoker, zu dumm, den eigenen Vorteil ganz klar zu erkennen, zu einflusslos, um etwas zu erreichen, falls doch mal einer was kapiert. Sind nun mal keine "Leistungsträger", die Alten, Schwachen, Kinder, Kranken, Zugewanderten ect. Zumindest aktuell (noch) nicht (mehr).

  • wenn es so sein sollte, dass kretschmann tatsaechlich sich waehler sichern will, muss er bedenken, dass er so auch mindestens genauso viele gruenenwaehler verliert, und zwar an die linke.

    • @the real günni:

      Mag sein, dass Kretschmann den einen oder anderen grünen-Wähler an die Linke verliert, wenn er sich als Rechter outet. Das Risiko aber wird er sicher gerne eingehen. Die Linke hatte 2011 gerade mal 2,8% der Stimmen. Die CDU hatte 39,0%, die SPD immer noch 23,1%. Dem nur sehr selten kritisierten Chef der zweitstärksten Partei können ein paar wenige grüne Überläufer weitgehend wurscht sein, wenn er seine Machtoptionen auslotet. Zumal seine Basis ausgesprochen bürgerlich ticken dürfte. Ich wette, sie versteht sich mehrheitlich als Elite eines der reichsten Bundesländer Deutschlands. Wie groß wird da wohl die Verlockung sein, sich ausgerechnet aus Gewissensgründen (und mit negativen Folgen für das eigene Wunschkonto) mit irgendwelchen Habenichtsen zu solidarisieren?

  • Die Isabella ging unter und Mercedes lebt. Borgward hatte sich komplett verzettelt. BaWue gehoert schon zu den wenigen Nettozahlern im Laenderfinanzausgleich. Ich kann Kretschmer nur unterstutzen.

  • Schwarz-grüne Querfront, he? Wenn´s um ihre Reichen geht, sind sich die Mündel einig.