Rede im EU-Parlament: Macron allein in Europa
Vor dem EU-Parlament hat der französische Präsident eine Renaissance der Europäischen Union gefordert. Doch es mangelte an Pathos. Die Euphorie blieb aus.
Doch bei den 751 Europaabgeordneten, von denen ein Fünftel ausgewiesene EU-Gegner sind, wollte der Funke am Dienstag nicht recht überspringen. Macron mühte sich und beschwor eine „Renaissance“ der EU. Die Staatengemeinschaft müsse endlich „souverän“ werden, sagte er – nicht nur bei Rüstung und Verteidigung, sondern auch beim Grenzschutz, in der Flüchtlingspolitik und beim Euro.
Europa dürfe sich nicht den Sirenengesängen einer „illiberalen Demokratie“ wie in Ungarn hingeben, sondern müsse seine Werte wahren und den Rechtsstaat verteidigen. Die Abkehr von diesen Grundsätzen sei „der schwerste Fehler“, den Europa begehen könne, warnte der liberale Franzose. „Die Antwort ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie.“
Aber anders als in der Rede vor der Sorbonne klang es in Straßburg sachlich und nüchtern, fast schon ernüchtert. Es fehlte das Pathos, aber auch die Vision. „Keine roten Linien, viele neue Horizonte“, hatte Macron im Herbst gefordert. Doch neue Horizonte zeigte er diesmal nicht auf.
Macron bekräftigte seine Forderung, den Euro mit einem eigenen Budget zu stabilisieren. Er forderte auch die Vollendung der Bankenunion, die Berlin seit Jahren blockiert. Doch wie er gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel vorankommen will, ließ er offen. Auf andere EU-Länder ging der germanophile Franzose erst gar nicht ein.
Die Abgeordneten klatschten nur mäßig Beifall, danach bombardierten sie Macron mit kritischen Fragen. Den Anfang machte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit einem Seitenhieb: „Europa ist mehr als Deutschland und Frankreich“, hielt er dem französischen Präsidenten entgegen. Macron müsse auch an die anderen Länder denken.
„Mit wem wollen Sie eigentlich zusammenarbeiten, wer ist Ihr Partner“, setzte der neue Chef der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, Udo Bullmann (SPD), nach. Auf „Madame Non“ (Merkel) könne Macron nicht mehr setzen, und die „vielen kleinen Mini-Schäubles“ in Berlin würden ihm „das Geschäft“ wohl auch nicht gerade erleichtern, sagte Bullmann.
Auch der Fraktionschef der EU-Konservativen, Manfred Weber (CSU), äußerte Kritik. Macron müsse sich endlich zu den Spitzenkandidaten für die Europawahl bekennen, forderte er. Der französische Staatschef hatte sich gegen die Pläne der EU-Parlamentarier ausgesprochen, den zukünftigen Kommissionspräsidenten aus dem Kreis der Spitzenkandidaten zu wählen. Es dürfe nicht sein, dass die Bürger einen Spitzenkandidaten wählen und Macron und die anderen EU-Chefs ihn dann absägen, sagte Weber.
Er habe gar nichts gegen Spitzenkandidaten, gab Macron zurück. Aber bisher seien das nationale Politiker, die auf nationalen Listen gewählt werden. Wirklich europäisch würden die Europawahlen, die im Sommer 2019 anstehen, nur mit EU-weiten Listen – ein Seitenhieb auf Weber und die CDU/CSU, die transnationale Listen abgeschmettert hatten.
Kritik von vielen Seiten
Grüne und Linke warfen Macron vor, zwar wohlklingende Ankündigungen zu machen, in der Praxis jedoch oft das Gegenteil zu tun. „Er betreibt Sozialabbau und fördert Privatisierungen, während Studierende und Gewerkschaften aus Protest dagegen Frankreich lahmlegen“, sagte Martin Schirdewan von der EU-Linken. Macron sei sogar bereit, seine Ziele mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Damit spielte Schirdewan auf den umstrittenen Militärschlag in Syrien in der Nacht zum Samstag an, den Frankreich gemeinsam mit den USA und Großbritannien geführt hatte.
Das wollte der Präsident nicht auf sich sitzen lassen: „Frankreich hat niemandem den Krieg erklärt“, sagte er. Aber man könne es nicht zulassen, dass einige Länder das multilaterale System aushebeln und das Verbot von Massenvernichtungswaffen mit Füßen treten. Frankreich, Großbritannien und die USA hätten „die Ehre der internationalen Gemeinschaft“ verteidigt.
Allerdings hat diese neue Allianz auch dazu beigetragen, die Risse in der EU zu vertiefen. Beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg sträubten sich mehrere Mitgliedsländer erfolgreich dagegen, die Luftschläge zu unterstützen. Mehr als „Verständnis“ wollte die Mehrheit der Außenminister nicht bekunden.
Auch in der Flüchtlingspolitik treten die Gegensätze immer offener zutage. Seit dem Wahlsieg von Viktor Orbán verspüren die Gegner einer gemeinsamen Aufnahmepolitik noch mehr Aufwind. Die für Juni geplante Asylreform kommt nicht voran, denn außer Polen blockieren auch Ungarn und andere osteuropäische Länder Fortschritt.
Macron braucht Erfolge
Die „giftige Debatte“ über den Umbau des Asylrechts und die Umverteilung von Flüchtlingen müsse endlich aufhören, forderte Macron. „Ich schlage daher ein europäisches Programm vor, das die lokalen Gebiete, die Flüchtlinge aufnehmen und integrieren, direkt finanziell unterstützt“, sagte er.
Einen ähnlichen Vorstoß hat die Bundesregierung bereits im Februar gemacht. Merkel hatte vorgeschlagen, dass die Flüchtlingsaufnahme ein Kriterium für die Vergabe von Finanzmitteln aus den milliardenschweren EU-Struktur- und Regionalfonds wird. Dies könnte sich negativ für osteuropäische Länder wie Polen oder Ungarn auswirken, die bisher am stärksten von den Strukturfonds profitieren.
Doch damit diese Reform greift, müssen alle 28 EU-Staaten zustimmen. Und für die Reform der Währungsunion braucht Macron auch noch grünes Licht aus Berlin. „Bis Ende der Legislaturperiode 2019 müssen wir spürbare Ergebnisse einfahren“, mahnte der Franzose am Dienstag.
Bisher sieht es allerdings so aus, dass auch dieses Ziel verfehlt wird. Das Fenster für Reformen schließt sich, die Visionen verlieren ihren Glanz. Für Macron könnte dies noch gefährlich werden. Denn wenn er nicht bald Ergebnisse vorzeigen kann, dürften seine innenpolitischen Gegner wieder stärker werden. Und die sind keine Freunde der EU – ganz im Gegenteil.
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