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Polizei räumt den Hambacher ForstKohlegegner aus dem Tunnel geholt

Die Polizei hat die Räumung eines Anti-Kohle-Protestcamps bei Köln vollendet: Nach vier Tagen „befreiten“ sie den letzten Aktivisten aus dessen Tunnelversteck.

Parallelgesellschaft: Polizei, THW und Feuerwehr mussten einen zweiten Schacht bauen, um Jonas Zimmermann zu fassen. Bild: dapd

KÖLN taz | Lange hatte der renitente Kohlegegner in seinem selbst gebauten Erdbunker durchgehalten. Doch Freitagnacht war Schicht im Schacht. Um 23.17 Uhr gelang es der Polizei, ihn aus der sechs Meter tiefen Höhle herauszuholen. Der Umweltaktivist sei zwar erschöpft, aber unverletzt, stellte ein Notarzt fest. Damit ist die monatelange Besetzung des Hambacher Forstes endgültig beendet. Jetzt können die Bagger zur Rodung kommen.

Jonas Zimmermann, wie ihn seine MitstreiterInnen nennen, war der letzte Verbliebene aus einem Protestcamp gegen die Abholzung des Waldes an der Tagebauabbruchkante bei Kerpen-Buir. Vier Tage lang harrte der 27-Jährige aus dem bayrischen Greifenberg in seinem selbst gewählten Erdgefängnis aus. Seine Aktion bezeichnete er als „praktizierten Klimaschutz von unten“.

Da alle Überredungskünste, ihn zur freiwilligen Aufgabe zu bewegen, erfolglos blieben, kämpften sich Polizei, Technisches Hilfswerk und Feuerwehr sowie Spezialisten der Herner Grubenwehr mit allerlei schwerem Gerät, darunter auch einem Saugbagger, Zentimeter für Zentimeter in den Untergrund vor.

Am Freitagmittag hatten sich die Einsatzkräfte bereits bis auf Sichtkontakt zu Zimmermann durchgebuddelt. Doch ein letztes Mal konnte er entkommen: Kurz vor dem Zugriff trat er Stützbalken, die das Tunnelsystem stabilisieren sollten, weg und floh in einen ungesicherten Gang. „Er möchte offenbar nicht von uns gerettet werden“, sagte ein Polizeisprecher konsterniert.

Heftiger Widerstand

Aber am späten Freitagabend war es dann doch soweit. Beamten der technischen Einsatzeinheit des Polizeipräsidiums Köln waren bis zu Zimmermanns letzter Zuflucht vorgedrungen. Nach intensivem Gesprächskontakt sei es ihnen gelungen, „ihn in einem günstigen Moment zu ergreifen“, teilte die Polizei mit. Aus dem Schacht sei er „gegen seinen heftigen Widerstand“ herausgeholt worden. Ein bereitstehender Notarzt bescheinigte Zimmermann, zwar erschöpft, aber unverletzt zu sein.

Nach seiner unfreiwilligen „Rettung“ ging es für den jungen Mann noch in der Nacht ins Polizeipräsidium nach Köln. Am Samstagvormittag wurde er der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Laut einem Polizeisprecher wird ihm Hausfriedensbruch, Nötigung und versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Da jedoch „keine schwerwiegenden Haftgründe“ bestünden, wurde der Umweltaktivist am Samstagmittag wieder auf freien Fuß gesetzt. Nach Angaben seiner UnterstützerInnen wurde Zimmermann bei seiner Freilassung „von etwa 30 solidarischen Menschen und auch Menschen aus dem Wald empfangen und möchte sich jetzt mit Ihnen zusammen erholen“.

Der Hambacher Forst liegt im rheinischen Braunkohlerevier. Aus Protest gegen die extrem klimaschädliche Förderung und Verstromung von Braunkohle durch den Essener RWE-Konzern hatten UmweltaktivistInnen seit April das Waldstück „besetzt“ gehalten.

Nach einer Räumungsverfügung des Landgerichts Köln rückten am Dienstagmorgen mehrere Hundertschaften der Polizei gegen ihr Protestcamp vor. 23 AktivistInnen wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Nachdem jetzt auch der letzte Waldschützer geräumt werden konnte, wird das Gelände nun zur Rodung an RWE übergeben. Die Ex-BesetzerInnen wollen ihren Widerstand jedoch fortsetzen.

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14 Kommentare

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  • H
    @Hochachtung

    "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur pflicht!"

     

    Stimmt. Ich möchte nur nicht, dass irgendwelche selbstherrlich-arroganten Linksaußen-Fuzzis entscheiden, was Recht und Unrecht ist, solange es einigermaßen funktionierende demokratische Institutionen gibt.Lassen Sie also bitte Ihre Phrase hier stecken.

  • H
    Hochachtung!

    Für soviel Zivilcourage!

    Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur pflicht!

  • D
    D.J.

    @wauz

     

    Sie haben Recht. Deshalb habe ich schon einmal in einem Kommentar geschrieben, ich wäre dafür gewesen, den Braunkohleabbau um den Höhlenbewohner und seine Behausung herum zu betreiben. Wäre nur die Frage, ob RWE oder der Eigenhöhlenbesitzer für den Lärmschutz aufzukommen hätte.

  • W
    wauz

    Hausfriedensbruch

     

    Es muss erst einen Hausfrieden geben. Sprich: eine Umzäunung um ein Gebäude. Im Wald gibt es keinen Hausfrieden. Und wenn man es ganz genau nimmt, dann ist die Erdhöhle als Behausung zu sehen. Möglicherweise rechtswidrig errichtet, aber zunächst unter dem Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung.

    In Stuttgart musste die Polizei einmal Entschädigung zahlen, weil sie ein umzäuntes (!) Zelt einer Gruppe Obdachloser ohne Erlaubnis betreten und abgerissen hat.

    daher stellt sich die Frage, ob nicht vielleicht das Eindringen in die Erdhöhle, das ja zweifellos gegen den Willen des Besitzers geschehen ist, als Hausfriedensbruch zu werten ist. Wenn das Eindringen seitens der Polizei rechtswidrig war, sind alle Maßnahmen dagegen als durchaus legalen Widerstand zu sehen.

    Die Polizei tut immer so, als dürfte sie alles, und alle anderen nichts.

    Wir sollten denen öfters auch praktisch das Gegenteil beweisen.

  • R
    RWE

    Was so alles aus Kerpen kommt: Neben den Mantawitzen auch noch der größte Mantafahrer überhaupt. Senna ist tot, Schumacher lebt - noch! (vielleicht klappt's heute).

  • T
    tomas

    an den reaktionen von MASTERDISATER u. GERD merkt man

    wieder das ganze DISASTER,

    nur schimpfen über andere, keine konstruktive kritik zur

    sache, wie bei vielen Politikern...,

    lest bitte andere Zeitungen u. beschimpft nicht Bürger die

    etwas unternehmen, egal wie man zu der sache steht...,

    FRAGE an masterdisaster u. gerd

     

    habt ihr euch schon mal für unsere zivilgesellschaft ein-

    gesetzt???

    oder nur vom sofa aus gemeckert...,

     

    gruss aus derhauptstadt

  • F
    finnr

    Ein Vorbild.

  • W
    Wichtel

    Respekt für diese Art von Widerstand, somal es mittlerweile wirkliche Alternativen zur Energiegewinnung gibt. Es ist letzte Woche erstmals gelungen aus Eisenoxid Solarpanele zu erstellen, die bei geringer Sonneneinstrahlung Strom erzeugen und dabei sich selbst nicht aufzehren, so wie es bei Siliziumhalbleitern der Fall ist. Also keinen Sondermüll nach 15 Jahren darstellen.

    Allein die möglichen Einsparpotenziale bieten schon Freiräume genug. Nur leider holen sich die Konzerne die finanziellen Einbußen durch die verordneten Energiesparlampen über die 13 % Stromkostenerhöhung zurück...

    Wo ist denn die Stromlücke? Dabei sind mittlerweile 8 AKW's abgeschaltet!

    Schaut euch die Landschaft in der Lausitz an...Neil Armstrong würde sich da wieder jung wie zu Apollos Zeiten fühlen.

    Schaut nach Brandenburg, keine 20 km von Berlin entfernt, zu den geplanten unterirdischen CO2-Speicheranlagen.

    Die älteste und längste Handelsroute Europas, die B1 (Aachen - Moskau) führt bei Düren eigentlich in ein riesiges Loch. Windkrafträder zerstören das Bild der Landschaft? Mich haben eher die Schlote des Dürener Kohlekraftwerkes gestört, deren Ausdünstungen ich noch 30 km weiter in Euskirchen und teils 50 km weiter auch noch in Bonn sehen konnte!

    Meine Hochachtung vor dieser Entschlossenheit. Diese gilt auch denen aus dem THW, der Polizei und den Ärzten, die dafür sorgen mussten, dass er da wieder raus kommt, auch wenn in manchen Köpfen wohl ein ähnlicher Gedanke des Absurden entstand, der RWE Schützenhilfe geben zu müssen.

    Aber ein treffender Vergleich ist wohl im Begleidschutz von verfassungsfeindlichen Demonstrationen zu finden, obwohl man eigentlich selbst an die demokratische Ordnung glaubt und darauf einen Eid abgelegt hat.

  • OK
    Oma Kruse

    Der Atomausstieg fordert seinen Preis: Talsperre statt Wildbach; Windspargel statt Landschaft und Braunkohle statt Wald. So habe ich mir das mit dem Umweltschutz immer vorgestellt!

  • K
    kleinerhobit

    Leider müssen die Demonstranten zu solchen Mitteln greifen. Sonst wird wenig oder gar nicht darüber berichtet. Und was die Kosten und das Gefährdungspotential für die Polizei angeht, sei eines deutlich gesagt. Jeder Einsatz der Polizei bei einem Bundesligaspiel ist oft teurer und birgt mehr Risiken für die Polizisten als die Räumnung von friedlichen Demonstranten aus einem Waldstück.

  • S
    StefanW

    3900 Hektar Wald werden geopfert für Braunkohle-Förderung ; das kommt in jeder Hinsicht einer ökologischen Katastrophe gleich. Blanker Anachronismus!

  • H
    hwost

    Kernkraft abschaffen,Civilisation aufgeben, alle in die Erdlöcher!

  • M
    masterdisaster

    Das wird hoffentlich richtig teuer für ihn aber ich schätze das er sowieso von der Allgemeinheit (Hartz 4) lebt.

  • G
    gerd

    hoffentlich muss dieser Spinner die ganze Zeche zahlen