Plastikfressendes Bakterium entdeckt: Sie lieben Müll
Vor allem für Meeresbewohner ist Plastikmüll ein Problem. Nun haben Wissenschaftler ein Bakterium entdeckt, das PET abbauen kann.
Eine Forschergruppe rund um Shosuke Yoshida entdeckte den Mikroorganismus auf PET-Flaschen. Er produziert zwei Enzyme und spaltet Polyethylenperephtalat in Glykol und Therephtalsäure. Diese ist Ausgangsstoff für neues Plastik. Bekannt sind bislang Bakterien, die Erdöl zersetzen können; Mikroorganismen mit Appetit auf Plastik aus Erdöl sind neu. Dass die japanischen Mikrobiologen eine bedeutsame Entdeckung gemacht haben, darüber sind sich die Experten einig.
Weltweit werde an Bakterien geforscht, die Kunststoffe – und anderen Müll – zersetzen können. Von marktfähigen Anwendungen sei man sicherlich noch weit entfernt, meint Uwe Bornscheuer, Professor für Biochemie an der Universität Greifswald. Trotzdem sei die Entdeckung ein Durchbruch in der Forschung, weil das entdeckte Bakterium Ideonella Sakaiensis „alle Schritte vom gezielten Anhaften an die Oberfläche des PETs über die Bildung der sehr aktiven Enzyme bis hin zur vollen Verstoffwechslung durchführen kann“.
Lars Blank, Professor für Mikrobiologie an der RWTH Aachen, forscht an einer sehr ähnlichen Problemstellung wie seine Kollegen in Kioto. In einem von ihm koordinierten EU-weiten Forschungsprojekt werden Bakterien des Stammes Pseudomonas putida dazu gebracht, PET in einen Biokunststoff zu verwandeln, der biologisch abbaubar ist. Im Grunde können sie das zwar, aber wie immer liegt der Teufel im Detail: Beispielsweise brauchen die Bakterien einige Wochen, um eine dünne Schicht PET zu zersetzen – ähnlich in Kioto.
„Das wird nichts“
„Für Recyclingfirmen ist das uninteressant“, so Blank, „das muss in Stunden passiert sein“. Außerdem sind Massen von Bakterien nötig, damit Stoffwechselprozesse in Gang kommen. „Ein paar Bakterien aufs Meer sprühen und hoffen, dass sie den Müllstrudel fressen“, warnt Blank, „das wird nichts.“
Die Entdeckung von Ideonella Sakaiensis sei zwar interessant, sagt Claudia Engelbrecht vom Biotechnologieverband „Bio Deutschland“. Langfristig sei es aber wichtig, von Materialien aus Erdöl zu biobasierten Rohstoffen zu wechseln. Aus Abfall neue Biokunststoffe zu entwickeln sei für die weiße, also industrielle Biotechnologie derzeit ein großes Thema.
Christiane Schnepel, Abfallexpertin des Umweltbundesamtes, will das neue Bakterium mit Gelassenheit „beobachten“. Das globale Müllproblem lasse sich am besten mit einer guten Mülltrennung und Mehrwegsystemen lindern, sagt sie, dabei sei Deutschland gut aufgestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
T.C. Boyle zur US-Präsidentschaftswahl
„Halb Amerika schwelgt im Hass“