NSA-Untersuchungsausschuss: „Kanzlerin will vergessen machen“
Die Opposition im Bundestag möchte Snowden gern vernehmen. Der zuständige NSA-Untersuchungsausschuss hat nun eine Entscheidung darüber vertagt.
BERLIN dpa | Nach dem überraschenden Rückzug des Vorsitzenden Clemens Binninger (CDU) hat der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages am Vormittag sein weiteres Vorgehen erörtert. In nicht-öffentlicher Sitzung diskutierten die acht Mitglieder des Gremiums unter anderem über eine mögliche Vernehmung des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden.
Am Donnerstagnachmittag vertagte der Auschuss schießlich mit den Stimmen von Union und SPD einen Beschluss über einen entsprechenden Oppositionsantrag. Grüne und Linke kritisierten, die Koalition wolle damit sicherstellen, dass die für Anfang Mai geplante USA-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht durch die Vorladung Snowdens belastet werde.
Koalitionsvertreter wiesen das zurück. Sie wollten lediglich klären, unter welchen Voraussetzungen der Ausschuss Snowden befragen könne, dem die Auslieferung in die USA droht. Mit den Stimmen von Union und SPD beschloss der Ausschuss zudem, die Bundesregierung vor der Entscheidung über eine Ladung Snowdens um die Klärung der Fragen zu bitten, was dieser zur Aufklärung der NSA-Spähaffäre beitragen und wie er sicher befragt werden könne. Bis zum 2. Mai soll dazu eine Antwort der Bundesregierung vorliegen. Am 8. Mai will der Ausschuss dann erneut über den Oppositionsantrag beraten, Snowden zu hören.
Der ehemalige Vorsitzende Binninger hatte seinen Rücktritt am Mittwoch mit dem Streit über eine Zeugenvernehmung Snowdens begründet. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter hatte den NSA-Skandal ans Licht gebracht, als er geheime Unterlagen über die Ausspähaktivitäten des Nachrichtendienstes an Journalisten übergab. Snowden wird von den USA deshalb wegen Geheimnisverrats gesucht.
„Erheblicher Druck“ von der Bundesregierung
Grüne und Linke hatten gleich zum Auftakt des Untersuchungsausschusses einen Antrag auf Ladung Snowdens eingebracht, den sie notfalls auch alleine beschließen können. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hegt den Verdacht, dass Binninger zum Rücktritt gedrängt wurde. „Die Bundesregierung hat aus meiner Sicht erheblichen Druck ausgeübt“, bekräftigte Ströbele in der Passauer Neuen Presse.
„Nach der letzten Sitzung hatten sich auch Kollegen von SPD und Union aufgeschlossen gezeigt, Herrn Snowden im Ausschuss als Zeugen zu hören.“ Das habe sich plötzlich wieder geändert. „Die Bundeskanzlerin will dies offenbar verhindern und hat vor ihrem Besuch in den USA kein Interesse an Aufklärung, sondern nur daran, das Ausspionieren vergessen zu machen“, sagte Ströbele, der Snowden selbst in Moskau getroffen hatte.
Mögliche Befragung in Moskau
Binniger hatte kritisiert, die Debatte über Snowden überschatte die gesamte Ausschuss-Arbeit. Eine überparteiliche Aufklärung aller Fragen sei so nicht möglich. Neuer Vorsitzender des Ausschusses soll nun der bisherige Unions-Obmann in dem Gremium, Patrick Sensburg (CDU), werden. Der Abgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU) soll als Obmann der Union in das Gremium nachrücken.
Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Hans-Georg Wieck, forderte, der Untersuchungsausschuss solle Snowden in Moskau befragen. „Man kann ihn nicht nach Deutschland einladen, weil man ihm hier kein sicheres Geleit anbieten kann; dazu sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika zu wichtig“, sagte Wieck der Mitteldeutschen Zeitung.
Der Untersuchungsausschuss hatte sich erst in der vergangenen Woche konstituiert. Er soll die Affäre um die Spähaktivitäten durch den US-Geheimdienst NSA und andere ausländische Nachrichtendienste in Deutschland aufarbeiten. Snowden hatte die Überwachungsaktionen durch die Veröffentlichung geheimer NSA-Dokumente //www.youtube.com/watch?v=5yB3n9fu-rM:ans Licht gebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste