Minister über Flüchtlingsmisshandlungen: Landesregierung ist unschuldig
Innenminister Ralf Jäger reagiert verhalten auf die Forderung nach einem Flüchtlingsgipfel. Auch habe die NRW-Regierung keine Mitschuld an den Misshandlungen.
DÜSSELDORF/BERLIN rtr/dpa | Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Landesregierung trage wegen mangelnder Aufsicht Mitschuld an der Misshandlung von Flüchtlingen in Asyl-Unterkünften des Landes. Offensichtlich hätten sich Kriminelle unter das Personal eines privaten Sicherheitsdienstes gemischt, sagte der SPD-Politiker am Dienstag im ZDF. Dies sei „tief verwerflich, aber manchmal nicht verhinderbar, trotz aller Kontrollen, trotz aller Aufsicht“.
Am privaten Betrieb von Flüchtlingsunterkünften werde sein Land trotz der negativen Erfahrungen festhalten, machte Jäger deutlich. „Wir müssen auf das Know-how der karitativen Organisationen, aber auch von Unternehmen zurückgreifen“, sagte er. In Nordrhein-Westfalen gibt es nach seinen Worten insgesamt 19 Einrichtungen für Flüchtlinge. Insgesamt soll es in mindestens drei Unterkünften in Nordrhein-Westfalen Misshandlungen gegeben haben.
Jäger hatte bereits mehr Personal für die Überwachung der Standards in den Flüchtlingsheimen zugesagt. Überlegt wird auch, die privaten Sicherheitskräfte durch eine Abfrage beim Verfassungsschutz zu überprüfen.
„Alle müssen an einen Tisch“
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte einen „nationalen Flüchtlingsgipfel“. „Die starke Zunahme von Flüchtlingen ist seit Jahren absehbar gewesen. Es rächt sich jetzt, dass die Bundesregierung zu lange untätig blieb“, sagte die Politikerin der Rheinischen Post (Dienstag). „Alle Beteiligten, Bund, Länder, Kommunen und Flüchtlingsorganisationen, müssen an einen Tisch.“
Auf die Forderung der Grünen nach einem Flüchtlingsgipfel reagierte Jäger zurückhaltend. „Wir brauchen Unterbringungskapazitäten. Wenn ein solcher Gipfel dazu beitragen würde bundesweit, dann kann man ihn machen“, sagte der SPD-Politiker. Er habe aber den Eindruck, dass es hier eher um ein logistisches als um ein politisches Problem gehe.
In Burbach im Siegerland sollen private Wachmänner einen Flüchtling gezwungen haben, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. Ein von den Männern aufgenommenes Video war in die Hände der Ermittler gelangt. Außerdem hatte die Polizei ein Foto gefunden, auf dem ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling einen Fuß in den Nacken stellt. Hinzu kommen Verdachtsfälle in Essen und Bad Berleburg.
Bundesregierung will Aufklärung
Die Bundesregierung dringt auf rasche Aufklärung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière will sich am Dienstag ein Bild von der Lage von Flüchtlingen in Bayern machen. Dazu besucht der CDU-Politiker unter anderem die überfüllte Erstaufnahmeeinrichtung in der Münchner Bayernkaserne und die Bundespolizei-Wache im Münchner Hauptbahnhof. Außerdem will de Maizière an einer Kabinettssitzung der bayerischen Staatsregierung teilnehmen. Sein Besuch in München war bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe brutaler Misshandlung von Asylbewerbern in Nordrhein-Westfalen geplant.
Stark steigende Asylbewerberzahlen stellen die Behörden derzeit vor massive Herausforderungen. Viele Einrichtungen sind überbelegt. In der Zeit von Januar bis August 2014 haben insgesamt 99.592 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Im Gesamtjahr erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 200.000 Bewerber.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, brachte zur Entlastung der Kommunen einen Gesundheitsfonds ins Gespräch. Städte und Gemeinden seien durch die teilweise extrem hohen Krankenkosten der Flüchtlinge erheblich belastet. Die im Bürgerkrieg erlittenen Verletzungen und Traumatisierungen erforderten eine nachhaltige und andauernde, oft sehr kostspielige medizinische Versorgung. „Dies sollte über einen Gesundheitsfonds organisiert und abgewickelt werden“, sagte Landsberg der Rheinischen Post.
Der Misshandlungsskandal wird am kommenden Donnerstag den Düsseldorfer Landtag beschäftigen. Die Opposition und die Regierungsfraktion der Grünen sprachen von einer „Schande für Nordrhein-Westfalen“.
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